Platz eins der Charts: Was hinter dem Phänomen Katja Krasavice steckt
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Katja Krasavice bei einem Auftritt in Würzburg (Archiv).
© Quelle: picture alliance / HMB Media/ Markus Koeller
Berlin. Ein Internetphänomen ist Katja Krasavice schon lange – ein Phänomen in der Offlinewelt spätestens seit Freitag. Mit dem Album „Eure Mami“ hat es die 24-Jährige Rapperin erneut an die Spitze der Deutschen Albumcharts geschafft, rund ein Jahr nach der ebenso erfolgreichen Platte „Boss Bitch“.
Die Titel der Alben schreien geradezu danach, sich einmal näher mit dem Phänomen Krasavice zu befassen. Denn obwohl die Musikerin inzwischen ähnlich erfolgreich ist wie ihre männlichen Kollegen im Deutschrapgenre, dürfte sich der Erfolg der 24-Jährigen nicht automatisch jedem erschließen. Wer ist diese Katja Krasavice? Was bitte singt sie da? Und überhaupt: Warum hat sie nichts an?
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Schwierige Kindheit
Die Karriere der heute 24-Jährigen lässt sich kurz und knapp so zusammenfassen: Aufgewachsen in schwierigen Verhältnissen, hochgearbeitet zur Sex-Youtuberin und schließlich der Aufstieg zur ernst zu nehmenden Rapkünstlerin mit Major-Vertrag bei Warner Music.
In ihrer Biografie, der „Bitch Bibel“, erzählt Krasavice von ihrer schwierigen Kindheit: Geboren wird sie 1996 in Tschechien, wächst jedoch in Sachsen auf. Im Alter von fünf Jahren verliert sie ihren Bruder an Krebs, mit elf Jahren ihren zweiten Bruder, der sich in einer Gefängniszelle das Leben nimmt. Derweil wird ihr Vater alkoholabhängig und gewalttätig, Krasavice und ihre Mutter ziehen nach Leipzig, wo sie ein Gymnasium besucht, dieses jedoch ohne Abschluss verlässt. Während ihrer Schulzeit ist sie häufig Mobbingattacken ausgesetzt.
2014 eröffnet die damals 17-Jährige ihren Youtube-Kanal und veröffentlicht eine Parodie eines Miley-Cyrus-Songs, der später jedoch aus rechtlichen Gründen von der Plattform entfernt wird. Später widmet sich Krasavice statt der Musik eher Youtube-Vlogs, in denen sie sich schminkt, jedoch vor allem über eines spricht: Sex.
Kritik aus der Youtube-Szene
In der „Bild“-Zeitung erscheint zu dieser Zeit ein Artikel, der Krasavice als „Leipzigs Youtube-Barbie“ bezeichnet. „Katja (18)“ zeige sich in „ihrem Zimmer“ mit „Superdekolleté“, plaudere über „Sex und ihre Nasen-OP“, heißt es weiter. In dem Artikel sind noch Ausschnitte ihrer ersten Videos zu sehen, die heute nicht mehr auf Youtube zu finden sind.
In den folgenden Jahren lässt Krasavice an Brust, Lippen und Nase verschiedene Schönheits-OPs durchführen und etabliert sich schließlich endgültig als Sexvloggerin. Ihre Videos tragen Titel wie „Die Wahrheit über meine Brüste und meine Brust OP“, „Blutspritz?! – Fetisch“, „Für 200€ Titten und Arsch zeigen?“ oder „Heiße Action beim 7 Tage-Führerscheinkurs“.
Während dieser Zeit schafft Krasavice einen interessanten Spagat: Denn obwohl ihre Videos obszön und provokant sind, schafft es die Youtuberin dennoch, immer haarscharf an den Youtube-Jugendschutzrichtlinien vorbeizuschrammen – sehr zum Unmut einiger anderer Youtuber. Immer wieder hagelt es Kritik aus eigenen Reihen – schließlich habe Krasavice vor allem jüngere Zuschauer und sei darum ein Vorbild.
„Es ist nicht mein Job, auf eure Kinder aufzupassen“
Eine Diskussion, auf die sich die Sexvloggerin nicht einlassen will: „Es ist nicht mein Job, darauf zu achten, was sich junge Menschen angucken“, so Krasavice 2018 im Funk-Format „Word Wide Wohnzimmer“. „Mein Content ist mein Content, und es gibt auch Pornos oder irgendwelche abgeschlachteten Menschen im Internet. Es gibt Tiere, die getötet werden. Aber das entscheiden die Eltern, die müssen darauf achten.“
Als Vorbild sehe sie sich manchmal dennoch – vor allem für Frauen. Sie schere sich nicht darum, was andere Leute von ihr denken. „Ich zieh mich an wie ich Bock drauf habe, und das finden auch Weiber cool. Die sagen: ‚Hey, ich habe voll viel Selbstbewusstsein bekommen durch dich‘. In der Hinsicht bin ich ein Vorbild.“
Vielmehr als die Vorbildfunktion liebt Krasavice jedoch die Provokation. Im Interview freut sie sich beinahe diebisch darüber, dass sich Menschen über ihr neuestes Video aufregen, in dem sie obzsön mit Würstchen herumhantiert. „Ich habe mich so gefreut, weil ich wusste, dass Leute damit nicht klarkommen.“
Vom Pin-up-Kalender bis „Promi Big Brother“
Die Provokation hat jedoch auch ihren Preis: Werbeeinblendungen werden auf Krasavices Youtube-Kanal nicht geschaltet – bei Themen wie Sex und Gewalt greift eine Youtube-Regel, die das Ausspielen von Werbebannern automatisch verhindert.
Geld verdient Krasavice dennoch mit ihrem Kanal: Sie kooperiert mit Videospielen und Dating-Apps, die sie in ihren Videos nennt. Auf der Plattform „Younow“ erstellt sie einen Kanal, für den Nutzer Geld bezahlen müssen, um die Inhalte zu sehen. Außerdem kündigt sie ihren Snapchat-Account „Snap Centro“ an, auf dem sie laut eigener Aussage noch explizitere Inhalte postet als auf ihrem regulären Profil. Um die Bilder zu sehen, müssen Fans 15 Euro im Monat zahlen. 2018 wird ein Pin-up-Kalender mit Krasavice veröffentlicht, im selben Jahr nimmt sie an der sechsten Staffel „Promi Big Brother“ teil. Auch als Unternehmerin wird sie tätig: Mit „KA“ bringt Krasavice ein eigenes Parfüm heraus, ihre Autobiografie, „Die Bitch Bibel“ schafft es in die Bestsellerlisten.
Die Musikkarriere von Katja Krasavice beginnt derweil im Jahr 2017. Auf Youtube lädt sie ihren ersten eigenen Song „Doggy“ hoch. Der vielversprechende Songtext: „Gib’s mir doggy, gib’s mir doggy, gib’s mir doggy. Du weißt genau, ich werde schwach, wenn du’s mir von hinten machst.“ Im Musikvideo zum Song ist zu sehen, wie Krasavice einen übergewichtigen Pizzaboten verführt. 32 Millionen-mal wurde der Clip bis heute angespielt.
Heute spottet niemand mehr
Die Youtube-Szene ist mit Krasavices Karriereschritt sichtlich überfordert. Der Song erscheint nur kurz nach dem missglückten Gesangsversuch ihrer Youtube-Kollegin Bianca Claßen (“Bibis Beauty Palace“), die mit ihrem Song „How it is (wap bap)“ einen Dislike-Rekord von inzwischen 3,2 Millionen „Daumen runter“ aufstellte. Jetzt singt auch noch die Sexvloggerin? Kann ja nix werden.
Auch bei Krasavice hagelt es viele Dislikes - bei „Doggy“ steht das Verhältnis 400.000 „Daumen hoch“ zu 500.000 „Daumen runter“. In den Kommentarspalten von Youtube und in den sozialen Netzwerken hagelt es Häme und Spott. Dabei ist ihr Musikversuch überraschenderweise erstaunlich gut produziert und schafft es immerhin bis auf Platz sieben der deutschen Singlecharts.
Heute, rund vier Jahre später, spottet niemand mehr. Nach „Doggy“ und weiteren vielsagenden Songs wie „Dicke Lippen“ und „Sex-Tape“ unterschreibt Krasavice 2019 einen Deal mit dem Major-Label Warner Music. Die erste gemeinsame Single „Gucci Girl“ ist etwas weniger anstößig und eine Anlehnung an den Aqua-Song „Barbie Girl“ aus den Neunzigerjahren. „Ich bin ein Gucci-Girl in meiner Gucci-World. Boobs aus Plastik, ich weiß, du hasst mich.“ Das dazugehörige Album „Boss Bitch“ steigt kurz darauf auf Platz eins der deutschen Albumcharts ein.
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Abrechnung mit den Hatern
Heute arbeitet Krasavice nicht nur mit etablierten Hip-Hop-Produzenten zusammen, sondern auch mit namhaften Genregrößen. Auf ihrem neuen Nummer-eins-Album „Eure Mami“ rappt beispielsweise Fler: „Wenn ein Baby mit mir datet, ist es Update, denn ich esse ihre Pussy wie ein‘ Cupcake“. Beim Song „Highway“ bekommt Krasavice Unterstützung von Sängerin Elif.
Im Song „Stottert die Bitch“ zieht Krasavice ihre einigsten Hater einmal quer durch die Manege. „Album auf eins, sie betteln für Likes und wollen ein Feature (Haha). Rap, seit wann macht ein Youtuber Rap? (Seit wann?) Respekt (Respekt), Bitch, zeig mir bisschen Respekt (Yup). Wack (Nope), sie sagen, Youtuber sind wack. Aber donnerstags vor null Uhr lutschen sie für Trends (Ihh).“
Interessant: Krasavices einst provokanten Texte sind auf dem aktuellen Album nur noch die Ausnahme. „Highway“ beispielsweise ist vielmehr ein weichgespülter Popsong und kommt gänzlich ohne sexuelle Anspielungen aus: „Ich bin wieder viel zu schnell auf dem Highway, und ich spüre den Wind, denn nur so fühlt es sich an, als ob ich frei bin“, heißt es darin.
Mainstreampop ohne Anzüglichkeiten
Konkret ist auf den Streamingdiensten nur ein einziges Lied des Albums als „Explizit“ gekennzeichnet, und das ist ausgerechnet die Kooperation mit Fler. Der Rest ist nahezu Mainstreampop, der auch im Radio laufen könnte, ohne dass ein Jugendschützer hellhörig werden würde.
Ihre Youtube-Karriere hat Krasavice derweil übrigens weitestgehend an den Nagel gehängt. Der letzte Sexvlog der heutigen Rapperin erschien vor über einem Jahr.
Fast scheint es so, als hätte sich ein lukrativeres Geschäftsmodell gefunden. Und nichts deutet darauf hin, dass es mit der Musikkarriere so schnell vorbei sein dürfte. Die Songs des Albums „Eure Mami“ haben allein auf Spotify nach etwas mehr als einer Woche Streamingzahlen im zweistelligen Millionenbereich.