Lehr-Meister berühmter Künstler

Klavierpädagoge Karl-Heinz Kämmerling ist tot

Foto: Er wies den Weg über 88 Tasten: Karl-Heinz Kämmerling.

Er wies den Weg über 88 Tasten: Karl-Heinz Kämmerling.

Hannover. Es gibt Überschriften, die so häufig wiederverwendet werden, dass man sie in die Computer-Schublade für Vielbenutztes legt. „Kämmerling-Schüler siegt“ ist ein solcher Dauerbrenner.

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Zuletzt stand diese kleine Schlagzeile vor genau einem Vierteljahr in dieser Zeitung. Da hatte der 23-jährige Brite Jamie Bergin den Europäischen Klavierwettbewerb Bremen gewonnen. Im vergangenen Herbst hatten gleich zwei Kämmerling-Schüler beim noch prestigeträchtigeren ARD-Klavierwettbewerb abgeräumt. Weil zwischen dem Sieger Alexey Gorlatsch und dem Dritten, Da Sol Kim, noch ein weiterer Student aus Hannover auf dem Siegertreppchen stand (Tori Huang studiert beim Professoren-Kollegen Arie Vardi), war dies ein Triumph für die Klavierstadt Hannover. Die aber ist ohne Karl-Heinz Kämmerling so nicht denkbar, auch wenn der gebürtige Dessauer ebenso am Mozarteum in Salzburg und als Gastprofessor in Zagreb wirkte.

Seit 1963 lehrte Kämmerling in Hannover. Und in Hannover ist er vorgestern auch gestorben, im Alter von 82 Jahren. Ruhestand gab es für ihn nicht, er machte weiter. „Freiwillig und ohne Honorar, weil es mir Spaß macht“, wie er im Gespräch sein Tun erklärte. Fast unübersehbar ist die Zahl seiner Studenten, die bei den bedeutendsten Wettbewerben der Klavierwelt siegten oder ganz weit vorne lagen. Allein 21 seiner Absolventen sind selbst Professoren im deutschsprachigen Raum geworden.

Es gab das Klischee des vermeintlich typischen Kämmerling-Schülers, und danach sollte der ein bestens trainierter, sportiver Typ sein. Doch ein Blick auf die Pianisten, die aus seiner Schule kamen, belegt schnell, dass das so nicht stimmt. Viel zu unterschiedlich sind Musikercharaktere wie Konstanze Eickhorst oder Lars Vogt, Ragna Schirmer oder Alice Sara Ott, Sheila Arnold oder Bernd Goetzke. Der war als damals Zwölfjähriger einer der ersten Schüler Kämmerlings in Hannover. Mittlerweile ist Goetzke Direktor des IFF, des Instituts zur Früh-Förderung musikalisch Hochbegabter. In dessen Vorstand natürlich Kämmerling auch saß. Kämmerling engagierte sich in der Hochschularbeit und in Fachorganisationen: Die „European Piano Teachers Association Deutschland“ gründete und führte er, die von ihm 1979 mitinitiierte Internationale Musikakademie für Solisten leitete er bis zu seinem 80. Geburtstag.

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Der wurde vor zwei Jahren an der hiesigen Musikhochschule denn auch gebührend gefeiert. Hochschul-Präsidentin Susanne Rode-Breymann pries den „gedankenreichen Musiker“. Und ihr Vorgänger Richard Jakoby nannte Kämmerlings Berufung einen „Glücksfall“ für Hannover und rühmte die „begnadete pädagogische Begabung“ des Jubilars. Der hatte kurz nach seiner Berufung nach Hannover die eigene Konzertkarriere beendet und sich ganz auf das Lehren konzentriert. „Das Unterrichten ist ein Dienen“, war seine Devise.

Kämmerling hatte nicht nur ein treffliches Gespür bei der Auswahl seiner Schüler, er wusste auch die künstlerischen Persönlichkeiten zu formen: „Was zwischen den Klängen geschieht, ist das Wesentliche.“ Natürlich trainierte er auch die Technik, aber er registrierte aufmerksam, dass das technische Niveau bei den jungen Musikern rapide gestiegen sei, doch „an echten Persönlichkeiten ein großer Mangel herrsche“.

Es gibt von seiner Lehrtätigkeit kaum Dokumente, aber Erzählungen seiner Schüler, die von seiner Begeisterungsfähigkeit schwärmen. Als Fazit darf gelten, wie Kämmerling seine Klavier-Schule beschrieb: „Es ist wohl eine Art von Nährboden, ein künstlerisches Klima, das in meinem Unterricht entsteht.“ Wie seine Saat aufging, hörte er sich bis zuletzt gerne an. Meist im Hintergrund mit einem zufriedenen Lächeln. Und gelegentlich mit einem dezenten Stolz.

Wenn jetzt alle erfolgreichen Kämmerling-Eleven im Gedenken an ihren Lehr-Meister einen kleinen Trauermarsch anstimmen, dann müsste ihr Lehrer auf Klangwolken schweben.

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