Medizinische Hochschule

Lebens-Lotterie mit ungewissem Ausgang

Sie lesen „Die Unmöglichen“: Matthias Koeberlin (v.l.), Jan Josef Liefers, Thomas Loibl, Claudia Michelsen, Ronald Zehrfeld und Meret Becker.

Sie lesen „Die Unmöglichen“: Matthias Koeberlin (v.l.), Jan Josef Liefers, Thomas Loibl, Claudia Michelsen, Ronald Zehrfeld und Meret Becker.

Hannover. Das Thema (Präimplantationsdiagnostik und Designerbabys): sperrig. Der Veranstaltungsort (ein Hörsaal der MHH): nüchtern. Die Vorleser des auf dem Hörspiel von Paul Plamper und Julian Kamphausen basierenden Familiendramas: sechs mehr oder weniger bekannte deutsche Schauspieler. 500 Zuhörer sind am Samstagabend in den schon lange ausverkauften Hochschulsaal gekommen, haben je 45 Euro bezahlt, um ihre Neugier an dem befremdlich anmutenden Mix zu stillen. Am Ende einer szenischen Lesung, die ein wenig zäh beginnt und nur 70 Minuten währt, sind die Leute begeistert: standing ovations, Johlen, Bravo-Rufe.

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Zehn Jahre alt ist die Vorlage zu „Die Unmöglichen“, die keinen Deut an Aktualität und Brisanz eingebüßt hat. Ist es erstrebenswert und moralisch erlaubt, per Gencheck als „problematisch“ identifiziertes Leben zu verhindern? Tausende von Merkmalen für Behinderungen und Krankheiten kann die Präimplantationsdiagnostik inzwischen bestimmen – darf man es Eltern zum Vorwurf machen, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch erwägen oder im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation selektieren? Wenn sie sich für den – scheinbar – bestmöglichen Embryo entscheiden? Was aber ist das eigentlich: lebenswert?

Die zweifelnden Eltern

Die zweifelnden Eltern: Thomas Loibl spielt Vater Gregor Wendt, Claudia Michelsen seine Frau Hannah.

Mutter Hannah Wendt (Claudia Michelsen) und Vater Gregor (Thomas Loibl) spielen die Eltern, die am Vorabend der Lebens-Lotterie in einer englischen Klinik bangen und hoffen. „Ich kann mir nicht vorstellen, ein behindertes Kind großzuziehen“, grübelt Vater Wendt. Doch genau das passiert in einem der drei fiktiven Szenarien, die das folgende Bühnenspiel auffächert. Tochter Amelie (Meret Becker) ist ein Kind mit Down-Syndrom, Sohn Fabian (Ronald Zehrfeld) entpuppt sich als Wunderkind am Klavier, Sohn Max (Matthias Koeberlin) entwickelt sich zum großspurigen Kotzbrocken. Als – sehr zurückhaltend agierender – Erzähler hält Jan Josef Liefers die Fäden der drei auseinander driftenden Eltern-Kind-Dramen in der Hand.

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Zu Anfang noch wirkt es etwas steif, wie die Schauspieler ihre Texte vom Blatt ablesen. Doch Meret Becker ist die Vorreiterin, die das Szenische der Lesung immer mehr in den Vordergrund rückt – als Downie Amelie und in verschiedenen Nebenrollen. Die komischen Momente häufen sich, Zuschauer und Vorleser haben ihren Spaß, irgendwann hauen sich Koeberlin, Loibl und Liefers, dass es allen eine Freude ist.

 Ronald Zehrfeld spielt das Wunderkind Fabian, Meret Becker die Downie-Tochter Amelie

Ronald Zehrfeld spielt das Wunderkind Fabian, Meret Becker die Downie-Tochter Amelie.

Es sind ja nicht nur die Kinder, die völlig unterschiedlich geraten sind, nein, auch die Eltern entwickeln sich in diesem Stück zu gänzlich anderen Menschen. Die fröhlich-freche Amelie schweißt Hannah und Gregor zusammen, der Unfalltod des grüblerischen Fabian lässt die Ehe des vollständig auf ihn fixierten Paars zerbrechen, und die Eltern des erfolgreichen Geschäftsmanns Max werden zu Hanswurst und Alkoholikerin. Zum Glück vermeiden es die Autoren, die Geschichten allzu eindimensional zu entwickeln: Auch Amelie kann nerven, und ihr lebensbedrohlicher Herzfehler schwebt wie ein Damoklesschwert über dem fragilen Familienglück. Welcher Embryo der Mutter in England eingepflanzt wird und welches Schicksal die Wendts tatsächlich erwartet – das bleibt am Ende offen.

Die hannoversche Kulturmanagerin Simone Henke hat ein brisantes Thema sowie prominente Vorleser zusammengebracht und damit einen Volltreffer gelandet. Sie habe schon Anfragen von anderen Theatern erhalten, erzählt die 51-Jährige nach der Vorstellung. Vielleicht gehen „Die Unmöglichen“ Anfang 2019 auf eine kleine Tournee – aber dazu müssen noch viele Terminkalender abgeglichen werden.

Von Michael Zgoll

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