Neue Alben von Jake Bugg, Lorde, Killers, Chrissie Hynde und anderen

Schwört auf die Energiespenderin Sonne: Lordes am 20. August erscheinendes Album heißt „Solar Fire“.

Schwört auf die Energiespenderin Sonne: Lordes am 20. August erscheinendes Album heißt „Solar Fire“.

Jake Bugg, einst die Hoffnung des Rock ’n’ Roll, der neue Dylan und was sonst alles noch – auf „Saturday Night Sunday Morning“ pumpen bei dem Briten die Beats, schluppen die Synthis. Klingt nicht schlecht aber Blues, Rock und Psychedelic kann er auch noch. Martha Wainwright, Schwester von Rufus, bringt eine Traurigkeit in ihren Songs, die von einem nicht verwundenen Lebensbruch herrührt. Und auch das Debütalbum ihres Landsmanns Zach Kleisinger sollte man keinesfalls verpassen und mit ihm wollen wir unsere Albumreview beginnen.

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Zach Kleisinger streichelt zum Abschied ein Queen-Album

Dass man jemanden nicht gehen lassen möchte, der doch schon gegangen ist, und sich an allem festhält, was an den Verschwundenen erinnert, was einem dann aber doch durch die Finger gleiten wird – darum geht es in „Swinging Door“ des kanadischen Songwriters Zach Kleisinger, der seine ganze Untröstlichkeit an einer Schallplatte festmacht. „Ich hab dein Lieblings-‚Queen‘-Album gefunden, Nummer zwei, auf dem die vier einen anschauen wie die Siebzigerjahre.“ Das Cover festhalten, das der vermisste Mensch festgehalten hat, die Songs anhören, die er gehört hat, nur um dann festzustellen: „Nichts macht mehr Sinn.“

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Der Typus Songwriter ist auf breiter Front wiedergekehrt, der Erzähler, der intensiv in die Falten des Menschseins vordringt, statt sich in Ober­flächlichkeiten zu erschöpfen. Das ist sinnvoll in den angespanntesten Zeiten seit Langem, in denen alle einstigen Versprechungen der besseren Zukunft verbrannt und hinweg­gespült werden oder in fliehenden Flugzeugen zu Schande erstarren.

Zu Kleisingers Bezugspunkten zählen laut eigenen Angaben Beatles, Stones, Hendrix und sein Landsmann Leonard Cohen. Auf seinem Debüt „Their Symposium“ sind es aber vor allem Cohen und Gordon Lightfoot, die in den wehmütigen, gitarre- oder piano­dominierten Folksongs aufschimmern, wenn Kleisinger nicht gerade seine Lap-Steel musikalische Regenbögen schlagen lässt oder seine Mundharmonika (etwa in der herzzerreißenden Ballade „Miss You When You’re Leaving“) nicht gerade Springsteen-Momente schafft.

Der Mittzwanziger Kleisinger aus Saskatchewan liefert jedenfalls wunderbare Tristesse, ob er nun in der Dichter­hommage „Song for T. S. Eliot“ zur Schmurgel­orgel seine Lyrik dylanesk verrätselt oder in „Dance for a While“ von einem Heiratsantrag singt, dem auch schon wieder das Ende innewohnt. Unwägbare Zeiten, da ist ein schütteres Versprechen wie „Wir können tanzen, nicht für immer, aber ich denke, für eine Weile schon“ zutiefst aufrichtig.

Zach Kleisinger – „Their Symposium“ (Devil Duck Records)

Chrissie Hynde singt Dylan – aber nicht die Evergreens

Pretenders im Lockdown – per Text-Messages haben Chrissie Hynde und James Walbourne das Album „Standing in the Doorway“ eingespielt. Das Tamburin raschelt folkigst bei „In the Summertime“, das den Neun-Song-Reigen von Bob-Dylan-Coverversionen eröffnet. Zur Untätigkeit verdammt durch die Pandemie­restriktionen, wurde Hynde durch Dylans 17-minütige Amerika-Abrechnung „Murder Most Foul“ mit ihren zahllosen Verweisen auf die Ermordung John F. Kennedys und die Geschichte der Popmusik aus der schlechten Dauerstimmung gerissen. In ihrer Begeisterung über das Songmonster beschloss sie, den Meister aus Minnesota zu ehren. Nicht zum ersten Mal freilich, hat die Sängerin und Gitarristin aus Ohio doch „Forever Young“ in der Pretenders-Live-Jukebox und an Dylans Seite „It’s All Over Now Bany Blue“ gesungen – vor 37 Jahren in Wembley war das.

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Es ist ein gitarren­schimmerndes Album geworden, dominiert von einer überwältigend schönen Zeitlupen­version des Titelsongs. Mit ihrer kühlen, dunklen Stimme fasst sie den Witz in den Songs des wohl bedeutendsten Storytellers der Popmusik, der diskriminierende Zeilen wie „Weißt du, eine Frau wie du sollte zu Hause sein, / da gehörst du hin“ in „Sweetheart Like You“ gewiss nicht aus Überzeugung geschrieben hat und der, so hoffen wir jedenfalls, auch nicht der Solipsist ist, der die Liebste in „Don’t Fall Apart on Me Tonight“ auffordert, sie solle ihm gefälligst den Zusammenbruch ersparen, er könne das jetzt nicht gebrauchen. Es ist keine Platte, die Klassiker von „Blowin’ in the Wind” bis „Like a Rollin’ Stone” versammelt. Wahre Liebe unter Musikern zeigt sich, wenn man zeigt, welche Juwelen am Rande liegen. Großartig sind der Hynde-Blues von „Blind Willie McTell“ (über Amerikas Geschichte der Sklaverei) und ihr kirchenorgel­geschmücktes „You’re A Big Girl Now“, das wie aus den Stones-Sessions zu „Sticky Fingers“ klingt.

Chrissie Hynde – „Standing in the Doorway – Chrissie Hynde sings Bob Dylan“ (BMG)

Die Killers singen über die Dunkelheit am Rand der Stadt

Die Killers aus Vegas sind Popbomber, haben sich von ihren Rock-’n’-Roll-Anfängen zu einer Band entwickelt, die sich auf pralle Stadionhymnen versteht, die Songs fürs Radio maßschneidert – aber solche, bei denen man nicht sofort weiterzappt zum nächsten Sender. Allein, weil der in Nephi, Utah, aufgewachsene Brandon Flowers einen mit seiner goldenen Schmachtstimme so einlullt wie sonst nur Roy Orbison. Jedes Album lässt sich hören, was als Kompliment gemeint ist. Kommerzpop mit Klasse ist schließlich rar geworden in Zeiten, in denen gefühlt drei Hitformeln totgeritten werden.

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„Pressure Machine“ aber, pandemie­bedingt ihr zweites Album binnen Jahresfrist, ist nun die Gemme im Œuvre der Band. Allein „Runaway Horses“, das introspektive Akustikduett mit der fantastischen Phoebe Bridgers zeigt die neue Songwriter-Klasse, das twangende „In Another Life“ folgt hinterdrein. Von „Stacheldraht­träumen“ singt Flowers (immer noch mit viel Operette in den Stimmbändern), von einem, der in seine Opioide versunken ist, von einem Cop und Ehemann, der – das könnte ein Song von Bruce Springsteens „Dunkles Amerika“-Erzählungen „Nebraska“ sein – den gewalttätigen Ehemann seiner Freundin erschießt.

Noch deutlicher wird dessen Einfluss bei der Akustik­folk­ballade „Terrible Thing“ (das Bruce-Brandon-Duett „Dustland“ fehlt leider). „Cody“, „West Hills“, „Quiet Town“, „In The Car Outside“ sind Geschichten über das Amerika der kleinen Städte, über den Alltag und die Tragödien dort, über die Dunkelheit an ihren Rändern, über die nur die wenigsten hinausfinden. Diese Scheibe voller Geister, Glitzer, Staub und Mundharmonika wird nicht nur Zugang zu unseren Partys finden, wir werden sie auch auflegen, wenn wir allein im Sessel sitzen, nur ein Glas Wein an unserer Seite, und den Wunsch nach ein paar bewegenden Geschichten hegen. Die Killers sind mehr Menschen als Tänzer, wir haben es immer gewusst.

The Killers – „Pressure Machine“ (Island)

Mark Forster und das Wissen um die Kraft des Klaviers

Die Stimme klingt nicht nur auf dem Opener „Ok Now“ immer ein bisschen so, als ob dem Sänger gleich ein Buddy-Holly-Schluckauf bevorstünde. Macht wohl die Liebe, um die es hier – natürlich – von A bis Z geht. Mark Forster schafft auf seinem neuen Album „Musketiere“ neue Lieder fürs Herz der jüngeren unter den Schlagerfans und – natürlich – fürs Radio. Texte über die Liebe, die als persönlich angekündigt werden, aber oft den Erfahrungs­horizont von so ziemlich jedem Hörer abrufen. „Willst du mich?“ (Duett mit der Österreicherin Mathea) ist eine Frage, die sich jede/-r schon mal gestellt hat in seinem Liebesleben, und Phasen, wo man um „Drei Uhr nachts“ (Zwiegesang mit Lea) in Gedanken an den/die Liebste/-n wachgelegen hat, na ja, geschenkt. In „Übermorgen“ ist der Sänger glücklich bei seinen Gedanken an das Jahr 2050. Eine Verszeile wie „Und wenn wir alles vor die die Wand fahr’n / wird jeder sehen, wie es brennt, weil wir es waren“ prägt sich ein, wo es gefühlt schon 2021 keinen Wald mehr ohne Feuer gibt. Davon wiederum lenkt eine Melodie ab, so synthie-süffig, als stamme sie aus den Archiven der Münchner Freiheit.

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Bezogen auf Musik und Arrangements ist Forsters Fünfte seine Beste – heutige Beats, selbst bei Tanzboden­stücken eine meist bewusst karge Instrumentation wie bei Shawn Mendes – das lässt sich hören. Und eine sentimentale Glücksballade vom liebesmäßig Angekommenen wie „Daheim“, das weiß der Vollblut­musiker Forster, braucht ja zu maximaler Wirkung nichts anderes als ein Klavier (zum Finale dann noch einen gospeligen Frauenchor, der rhythmisch in die Hände klatscht). Textmäßig sollen viele eingefangen werden, musikalisch gelingt viel. Zu Zeilen wie „Drei Kids und ein Bauernhof / und du im Kleid in Weiß und Rot“ (im Song „Nur ein Traum“) sind nur auf- und abjagende Bögen auf Streich­instrumenten zu hören. Zu „Monster“ (Humor steht Forster besser als die übermäßige Gefühligkeit) gibt es lange Zeit nur eine Gitarre. „Es ist kein Geheimnis, dass ich nicht perfekt bin“, singt Forster in „Die gute Seite“. Da mag er recht haben, aber er arbeitet daran.

Mark Forster – „Musketiere“ (Sony)

Mit Schwyzer­dütsch singt sich Beatrice Egli auf den Berg

„Persönlich“ ist auch das Wort, mit dem für das neue Album von Beatrice Egli geworben wird – scheinbar das Schlüssel­werbewort für Corona-Jahre-Platten. Hier aber ist der Schlager gleich mal bis in den letzten Winkel ganz klassisch. „Du bist alles, was du brauchst, / aus der Routine raus / dem Herzen entgegen“, das ist schon im Eröffnungs- und Titelsong so was von Routine – jeder kann sich von den Gemeinplätzen zur Selbst­ermächtigung ermutigt fühlen, und sei es, um zum Song auf die Bierbank zu steigen, in die Hände zu klatschen und mitzugrölen. „Es gibt kein Wenn und Aber, / denn ich bin in dich verliebt“, heißt es in „Kein Wenn oder Aber“. Und man wird ermuntert, sich mal wieder in die „Samstagnacht“ zu stürzen, selbstverständlich geht’s dann zu den Stampfbeats in den Musikanten­stadl. Und wenn niemand mitwill zum „La-la-la“? Eglis Vorschlag: „Dann tanz ich halt allein, / dann muss das halt so sa-ha-ha-ha-sein.“ Mitsing­potenzial: „In Granada / fließt die Lebensader“ („Granada“). „Pa-pa-pa-power – zieh einfach los, / bla-bla-bla-blauer wird der Himmel irgendwo” („Power“). Jo mei!

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Festhalten kann man sich bei all dem aalglatten Feelgood und der Plastikmusik allerdings an Eglis Balladen wie „Jedes Mal“ – Piano, Streicher, Stimme und ein wirklich mal persönlich wirkender Text darüber, dass man über alles Erjagen der Zukunft gern mal das Hier und Jetzt vergisst, über Selbstfindung und Selbst­akzeptanz. Oder „Leise Lieder“ – Piano, Sprechgesang, (sentimentale) Beobachtungen darüber, wie ein Junge die Gewalt in seiner Familie auszublenden versucht. Und natürlich am Reggae „Matterhorn“, auf dem Egli in Schwyzerdütsch ihre eigene Erfahrung einer Bergbesteigung besingt. Es geht bergauf, Beatrice!

Beatrice Egli – „Alles, was du brauchst“ (Universal) – erscheint am 27. August

Martha Wainwright möchte ein Regenbogen sein

Es ist lange her, seit wir zuletzt von Martha Wainwright hörten. 2016 erschien “Goodnight City“, aber das letzte Album, das durch die Bank eigenes Material enthielt, war „Come Home to Mama“ vor neun Jahren. In dieser Zeit wurde Wainwright geschieden, und die elf Songs auf „Love Will Be Reborn“ zeigen auch die Narben dieser schmerzlichen Trennung. Die Lieder, die die Kanadierin im Keller ihres Cafés in Montreal aufnahm, sind persönlich nicht per Aneignung oder weil sich hinter der Rüstung austauschbarer Worte ein Kern echten Schmerzes versteckt. Wenn sie zu Beginn des Titelstücks erzählt, sie habe heute nur eine Träne „für uns“ vergossen, „und ich will sie wegwischen, bevor der Tag anbricht“, dann klingt die Traurigkeit echt und erlebt. Der Schlüssel zu ihrer Liebe, von der sie zutiefst erfüllt sei, ist in den Schnee gefallen. So warte sie geduldig auf den Frühling, um ihr Herz aufzuschließen – „and love will be reborn“. Es geht ihr nicht so gut, aber auch nicht mehr ganz schlecht.

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Die Stimme der Sängerin, die auch Klavier und Gitarre spielt, hebt meist sacht und scheu an, wird aber kraftvoll, schmerzensreich und schließlich exaltiert und theatralisch, die Melodien sind süß, die Stimmungen der Musik zwischen Folk und Rock. Es sind Lieder, aus den Abgründen des Lebens geronnen, die für Nachtcafés taugen und für jene Radiosender, die mitternachts wieder zum Leben erwachen und dann auch mal gute Lieder spielen. In dem Stehblues „Report Card“ ist die Verzweiflung groß, in „Body and Soul“ tanzen die Albträume. „Rainbow“ klingt nur vom Titel her optimistisch, stellt Wainwright doch die Frage, warum sie nicht ein schöner, jung sterbender Regenbogen sein kann, sondern weitermachen muss. Es gibt keine Liederordnung von Depression zum Licht. Der letzte, weitgehend französisch gesungene Klavierwalzer „Falaise de Malaise“ erzählt vom Hass auf den, der die Liebe verraten hat. Die Stille danach ist wie ein Beben.

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Martha Wainwright – „Love Will Be Reborn“ (Pheromone/Cooking Vinyl)

Storyteller James McMurtry bekommt ein Schulterklopfen von Stephen King

Der Sohn des jüngst verstorbenen Pulitzerpreis­trägers Larry McMurtry ist nicht weit vom Stamm gefallen – Stephen King nennt den 59-jährigen Texaner James McMurtry den „wahrhaftigsten und leidenschaftlichsten Geschichten­erzähler seiner Generation. Einer, dem man zuhört, wenn sein Protagonist etwa im Sprechgesang von „Ft. Walton Wake-up-Call“ auf einem Airport festsitzt und dann über Nebenstraßen nach Atlanta fahren muss, weil seine Frau keine Highways mag. Ein alter Mann, der über die Errungenschaften seiner Gegenwart zetert, die für ihn immer unerreichbare Zukunft bleiben werden. Schlimmer ist für ihn nur noch, dass er ständig die Brille verlegt. Oder wenn weit finsterer – nach einer Kurzgeschichte von Wendell Berry – ein Farmer, dessen Land keine Ernte mehr abwirft, seinen besten Freund totschießt: „Wegen der Ungerechtigkeit und überhaupt / musste was sterben.“

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Produziert hat Ross Hogarth, der Ende der Achtzigerjahre bei McMurtrys ersten beiden Alben am Regiepult saß. Auf „Canola Fields“, einer impressions­reichen Erinnerung an die Liebe in den Sechzigerjahren und das Älterwerden, spielt John McFee Banjo und Bob Dylans langjähriger Tourgefährte Charlie Sexton spielt Gitarre. Zwischen Balladen wie „Jackie“ und Midtempo-Rock-’n’-Roll wie „Operation Never Mind“ pendelt McMurtrys Americana. In Letztgenanntem wird er politisch. „Wir werden die Kameras nicht so nah ans Kämpfen lassen“, singt er, „wir wollen kein weiteres Vietnam haben.“ Das Lied zur Stunde: Die Kameras in Kabul waren dann doch wieder ganz nah dran, und die Scham und die Schande – nur diesmal auf mehrere Schultern verteilt – waren am Flughafen von Kabul an den ersten Tagen der Machtergreifung der Taliban so zum Greifen nah wie damals, 1975, in Saigon.

James McMurtry – „The Houses and the Hounds“ (New West Records/Pias)

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Jake Bugg kann auch Beats und Elektro – lässt die Gitarre aber nicht zu Hause

Wer war 2011 der Retter der Rockmusik? Jake Bugg. Vom neuen Dylan war zu lesen – wohl der Stimme wegen. Solche Proklamationen gibt’s freilich alle naselang. Man kann sich die Namen kaum noch merken, und man muss den Marktschreiern der Poppropaganda dieses eigennützige Lobhudeln auch nicht immer abkaufen. Bugg selbst schien der Hype kaltzulassen. „Die Charts sind die Charts“, meinte der junge Mann mit dem stets ausweichenden Blick. Und dass er dort nichts finden könne, was „exciting“ wäre. Eine typisch britische Haltung des Vonobenherabs auf alles Überbewertete.

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Aber das Zeug von Bugg – Hut ab! – war auch gut. Sein Aufstieg indes kam zur Unzeit, gerade als sich die Hitparaden eigentlich elektronischen, tanzbaren Dingsbums-featuring-Bumsdings-Projekten zugewendet hatten. Sie machten es ihm nicht leicht. Mal sehen, was aus „Saturday Night, Saturday Morning“ werden wird, der Fünften des nunmehr 27-Jährigen, deren erste Single „Kiss Like the Sun“, ein Akustik-meets-Slidegitarren-Psychedelic-Blues, schon im November 2020 veröffentlicht wurde.

Der Mann geht neue Wege, so viel steht fest. Der Albumstarter „All I Need“ zeigt ihn synthpoppiger denn je (freilich mit Gospelchor im Refrain), bei „Lost“ traut er sich eine dunkle, chartskompatible Elektronummer – „Night Fever 2021“. Apropos: „About Last Night“ bezeugt per gelegentlichem Falsett Buggs Liebe zu den Bee Gees. Anbiederei an den Tanzpop? Oder künstlerische Erneuerung? Na ja, Bugg geht auch noch seine alten Wege: „Screaming“ rockt, und die Gitarre in „Scene“ weint so zärtlich, dass man in der Nacht darauf glatt von bärtigen Beatles träumt.

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Jake Bugg – „Saturday Night, Sunday Morning“ (RCA)

Lorde und der Sommer­nachts­traum

Wenn man mal den guten alten Mungo-Jerry-Sommer heraufbeschwören will, die Jahreszeit, „when the wheather is fine“, und nicht die, bei der alles lichterloh brennt, dann ist „Solar Power“, das neue Album der Neuseeländerin Lorde, durchaus Inspiration. Auf dem Cover steht die Neuseeländerin im Bikini, die erste Auskopplung war der Titelsong, in dem Lorde den Winter als lähmend schmähte und den Sommer rühmte. Das Beachgirl Lorde tanzt im Video über den Strand, singt mit verführerisch sanfter Stimme zu einlullenden Backingvocals und einer luftig geschrappten Akustikgitarre, bevor sich im letzten Drittel eine Art hawaiianische Psychedelic-plus-Beatles-Trompeten Bahn brechen. „Solar Power“ war Lordes erster Sommerhit 2021. „Mood Ring“, die zweite Single, war der zweite Streich – ein Song aus gleichem Holze, von der kargen Pracht wie damals Fleetwood Macs warme, fließend weiche Coverversion des Beach-Boys-Songs „Farmer’s Daughter“, das sie als einzigen Studiosong ans Ende ihres Livedoppel­albums klebten.

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Lorde besingt im Opener „The Path“ die zerstörerische Kraft der Kameras und flüchtet vor dem Ruhm auf die einsame Insel. Sie schilt Reichtum in der Ballade „The Man with the Axe“ als nichtswürdig, wieso braucht man eigentlich Hunderte Abendkleider? Die Abneigung gegen Materialismus, Luxus, Stargehabe zieht sich ja durch das bisherige Werk der 24-Jährigen aus Auckland. Aber die Düsternis, die Melancholie der Teenagerrebellion von Lordes früheren Gesängen, die derzeit angesagte Nachfolgerinnen wie Billie Eilish oder jüngst Olivia Rodrigo inspirierte, ist einer erwachseneren Nachdenklichkeit gewichen.

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Die erneut wunderbare Phoebe Bridgers ist eine von Lordes Begleiterinnen bei „Stoned at the Nail Salon“, einem den Hörer lull und lall machenden Sinnieren über das, was man verpasst, wenn man das Leben eines Popstars lebt wie Lorde. Eines auch über die Flüchtigkeit von Jugend und Schönheit, über die Vergänglichkeit von Lieblings­bands und dass man aus all der Musik, die man mit 16 so liebte, herauswächst. Lorde freilich bleibt einem erhalten, weil ihre Musik mit ihr und ihren Hörern mitgewachsen ist.

Lorde – „Solar Power“ (Univeral)

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