So war die Verleihung des NDR-Sachbuchpreises
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Preisträger Daniel Ziblatt (rechts) bei der Verleihung des NDR-Kultur-Sachbuchpreises durch NDR-Programmdirektor Joachim Knuth im Schloss Herrenhausen.
© Quelle: Tim Schaarschmidt
Es ist das Buch der Stunde. Und sicher auch des Tages und des Jahres: „Wie Demokratien sterben“ von Steven Levitsky und Daniel Ziblatt ist gestern im Rahmen einer großen Gala im Schloss Herrenhausen mit dem NDR-Kultur-Sachbuchpreis 2018 ausgezeichnet worden. Es ist das zehnte Mal, dass NDR-Kultur mit diesem Preis das Sachbuch fördert. Entsprechend festlich war die Gala.
Als Ehrengast war Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eingeladen. Er hielt die Festrede. Schäuble sprach über das Thema des ausgezeichneten Buches: die Möglichkeit, dass Demokratien zugrunde gehen können. Er wies auf die Notwendigkeit „eines gemeinsamen Bodens, eines Grundkonsens über die Wirklichkeit“ im politischen Diskurs hin.
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Die Notwendigkeit eines offenen Diskurses betonte auch NDR-Programmdirektor Joachim Knuth. Er sagte: „Eine Gesellschaft, die ihrer selbst sicher sein will, muss mit sich selbst im Gespräch bleiben – auf zuträgliche Weise“. Die dafür nötigen Informationen würden Qualitätsmedien liefern und auch „gut recherchierte, aus exzellenter Forschung gespeiste, glänzend geschriebene Sachbücher“.
Joachim Knuth, Programmdirektor Hörfunk des NDR
Joachim Knuth, Programmdirektor Hörfunk des NDR
Nachwuchspreis geht an "Das Aquarium"
Die Laudatio zur Verleihung des mit 15. 000 Euro dotierten Sachbuchpreises an Steven Levitsky und Daniel Ziblat, beide Professoren an der Universität Harvard, hielt Wilhelm Krull, der Generalsekretär der Volkswagenstiftung. Die Volkswagenstiftung vergibt im Rahmen der Sachbuchgala auch ihren eigenen Preis, den Opus Primum-Förderpreis für die beste wissenschaftliche Nachwuchspublikation des Jahres. Der mit 10 .000 Euro dotierte Opus Primum ging an die Kulturwissenschaftlerin Mareike Vennen, die sich in ihrem Buch „Das Aquarium“ mit der Geschichte des Aquariums auseinandergesetzt hat. Dabei hat sie allerlei Wunderlichkeiten aus der Geschichte der maritimen Wohnzimmerunterhaltung zusammengetragen (Glasbruch, Fische, die per Post transportiert werden, das Schlammproblem) und beschreibt das Aquarium als Ort der Wissensproduktion.
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„Überaus preiswürdig“
Dem Opus Primum gilt traditionellerweise der zweite Teil der Festveranstaltung. Im ersten Teil des von Ulrich Kühn moderierten Abends ging es um etwas, das uns alle betrifft: die Gefährdung der Demokratie. Davon handelt „Wie Demokratien sterben“, das mittlerweile in 15 Sprachen übersetzt wurde. „Auf schmerzliche Weise brandaktuell“ nannte Laudator Wilhelm Krull das Buch. Levitsky und Ziblatt weisen nach, dass Demokratien heute kaum noch mit einem lauten Knall, etwa durch eine Revolution oder einen Putsch zu Grunde gehen. Demokratien sterben heute leise.
Krull bezeichnete das Buch als „ein überaus preiswürdiges Werk“. Es sei relevant, originell und sehr gut lesbar („ein elegant formulierter Text, der einen weiten Leserkreis erreichen kann“) und erfülle damit die wesentlichen Kriterien des NDR-Kultur-Sachbuchpreises. Ob das Buch auch dem Kriterium der Nachhaltigkeit genügen würde, also über den Tag und das Jahr hinaus Beachtung findet, ließe sich, so Krull nur schwer beurteilen.
„Die weichen Leitplanken der Demokratie“
Levitsky und Ziblatt weisen in ihrem Buch auf die Wichtigkeit der „die weichen Leitplanken der Demokratie“ hin. Das sind gegenseitige Achtung, Toleranz und Zurückhaltung. Wenn die schwinden, so ihre These, es auch die Demokratie schwer. Um die Krise der Diskurskultur und wie man sie überwinden könnte, ging es in der Talkrunde, die auf die Preisverleihung folgte.
Die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler, der niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne und die beiden Chefredakteure Bascha Mika („Frankfurter Rundschau“) und Hendrik Brandt (HAZ) beantworteten die Fragen des nie um ein treffendes Zitat verlegenen Moderators Ulrich Kühn.
Was also tun, um die Krise der Diskurskultur zu überwinden? Emotionen ernst nehmen, meinte Bascha Mika. „Wir haben zu stark so getan, als ginge es in der Politik nur um Vernunft“, sagte sie. Die Literaturwissenschaftlerin Münkler, die Forschungen zur Geschichte der Invektiven betreibt, wies darauf hin, dass wichtige politische Fragen oft am falschen Ort diskutiert werden würden – nämlich in Talkshows, die stets die Polarisierung begünstigen würden.
Mit Rechten reden? Niedersachsens Kultusminister Tonne sprach sich für ein gewisses Entgegenkommen in Richtung des politischen Gegners aus – solange die Demokratie dabei nicht in Frage gestellt werde. HAZ-Chefredakteur Brandt forderte, dass Politiker die Existenz der sozialen Medien nicht ignorieren sollten. Beim politischen Diskurs im Netz wiederum gelte: „die Nerven behalten und das eine oder andere auch an sich vorbeirauschen lassen“. Hitzig war die Diskussion nicht, was vielleicht auch etwas mit der Temperatur im anscheinend kaum beheizten Saal zu tun hatte.
Ronald Meyer-Arlt
HAZ