Zukunftsunterricht und Konsumschutz
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Marc-Uwe Kling liest aus seinem Roman "QualityLand".
© Quelle: Heidrich
Hannover. Ein kommunistisches Känguru machte Marc-Uwe Kling zum Bestseller-Autoren. Zwar hatte der junge Berliner zuvor schon zweimal die deutschen Meisterschaften im Poetry-Slam für sich entscheiden können, doch so richtig schrieb und las er sich erst mit seinen skurrilen Geschichten über den tierischen Mitbewohner in die Herzen seiner Generation. Die Figur erlaubte es dem Theaterwissenschaftler und Soziologen Kling, große gesellschaftliche Themen auf Küchentischmaßstab zu reduzieren. Wie erfolgreich er mit dieser Methode ist, zeigt sich auf seiner aktuellen Lesereise. In Hannover musste das Kulturzentrum Pavillon sogar auf das Theater am Aegi ausweichen, um dem Ansturm gerecht zu werden – und auch das war schließlich ausverkauft.
Dabei geht es gar nicht um das Känguru. Kling stellt vielmehr seinen ersten Roman vor, der vor drei Wochen erschien. „QualityLand“ spielt in einer nahen Zukunft: Eine Werbeagentur hat als Reaktion auf die Krisen der Welt ein neues Profil für Deutschland entwickelt, eine Country Identity, inklusive neuer Kultur. Kling denkt aktuelle Entwicklungen der digitalen Welt geschickt weiter: Nicht in fremdartige Science-Fiction-Szenarien, sondern gerade so weit, dass die Dinge noch vorstellbar erscheinen, fast vertraut. Es gibt zwar Androiden in QualityLand, doch die Kellner sind immer noch Menschen: „Androiden kriegt man nicht für Trinkgeld.“
Seinen Humor entfaltet Kling entlang wohl dosierter Kontextverschiebungen. Er verkettet kleinste Beobachtungen und Szenarien zu hochamüsanten Absurditäten und bringt sein Publikum mit gut gesetzten Kalauern und trockenen Nachsätzen zum Lachen. Dabei zeichnet „QualityLand“ bei aller Komik ein düsteres Bild der zu erwartenden Zukunft. Geschichtsunterricht wird durch technikgläubigen Zukunftsunterricht ersetzt, das gesamte Leben ist durchdrungen von Bewertungen und Einstufungen. Ein Konsumschutzgesetz verbietet Reparaturen und die Bürger nehmen eine totale Alltagsüberwachung schulterzuckend als ungewollten Service hin.
Dass es Kling ernst ist mit seinem kritischen Blick auf die Gesellschaft, zeigt er in der Pause: Seine Gäste können auf Stimmzetteln mitentscheiden, an welche gemeinnützigen Organisationen er die Hälfte aller Einnahmen spendet. „Es war schließlich bis vor Kurzem noch euer Geld“, scherzt Kling, dem die Ausmaße seines Erfolgs selbst ein wenig unheimlich zu sein scheinen. Den nächsten Schritt wird er mit „QualityLand“ übrigens in Hannover gehen – die Uraufführung der Bühnenfassung findet am 9. März 2018 im Jungen Schauspiel im Ballhof statt.
Von Thomas Kaestle
HAZ