Streit um „Layla“: Sollten Behörden Musik canceln?
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Auf dem Kiliani-Volksfest in Würzburg soll „Layla“ nicht mehr gespielt werden.
© Quelle: picture alliance / imageBROKER
Würzburg. Was waren das doch für entspannte Zeiten, als wir im Sommer noch unbeschwert „Macarena“, „Bella Ciao“ oder irgendwas Fragwürdiges von Eminem gesungen haben – den Text hat ja eh niemand verstanden. In diesem Jahr jedoch ist alles anders: Diesmal kommt der Sommerhit des Jahres aus Deutschland, von deutschsprachigen Ballermannsängern – und ist inzwischen zu einem Politikum geworden.
Es geht um „Layla“. Die ist bekanntlich „schöner, jünger, geiler“, wie es im Songtext heißt – und sie steht seit inzwischen drei Wochen auf Platz eins der deutschen Charts. Der Song von DJ Robin und Schürze ist ein Massenphänomen: Er läuft auf Abibällen, in Bierzelten in der Straßenbahn und auf Stadtfesten – nur in Würzburg, da soll er künftig nicht mehr laufen. Die Stadt hat die Bands auf dem Kiliani-Volksfest angehalten, das Lied nicht mehr zu spielen. Der Grund: zu niveaulos, zu sexistisch.
Die Entscheidung hat eine Debatte ausgelöst: In den sozialen Netzwerken tobt der Kampf zwischen denjenigen, die die Entscheidung befürworten – und denjenigen, die die Kunstfreiheit gefährdet sehen oder eine Debatte um die sogenannte „Cancel Culture“ – also den gezielten Ausschluss von Kulturerzeugnissen oder Personen – vom Zaun brechen.
Inzwischen diskutiert sogar die Politik: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) etwa twitterte: „Man muss Schlagertexte nicht mögen. Man kann sie sogar doof oder geschmacklos finden. Sie aber behördlich zu verbieten, finde ich, ist eins zu viel“. Grünen-Politiker Konstantin von Notz schließt sich an: „Liebe Leute, #layla könnt Ihr ätzend, nervig, billig, unterirdisch und prollig finden. Bitte schön. Aber #verbieten? #Würzburg Ernsthaft?! Das muss man in einer freien Gesellschaft aushalten. Erinnert mich an die Debatten um Falcos #Jeanny. #Kunstfreiheit“
Was ist von der Debatte zu halten?
Ganz dünnes Eis
Zunächst einmal vielleicht, dass sie ein wenig in die Irre führt. Denn „behördlich verboten“, wie etwa Marco Buschmann suggeriert, wurde „Layla“ gar nicht. Der Song darf auch weiterhin gesungen, gegrölt und aufgeführt werden, niemand wird dafür bestraft oder eingesperrt – nur die Bands auf dem Würzbürger Volksfest sollen das gefälligst unterlassen. Das hat die Stadt als Veranstalter des Volksfestes so entschieden – und agiert damit grundsätzlich wie jeder andere Veranstalter auch. Auch die Betreiber eines Festivals oder eines Konzerts haben das Recht zu entscheiden, was auf ihren Bühnen dargeboten wird und was nicht.
Dünnes Eis ist all das aber trotzdem. Denn zum einen entscheiden Veranstalter in der Regel nicht über die Songauswahl von Bands und DJs – und sie quatschen ihnen auch nicht in ihre Kunst rein. Kein Festivalveranstalter wird einem Rapper wie Cro verbieten, bestimmte Songs auf der Bühne zu spielen, auch wenn diese in Teilen sexistisch sind. Wenn überhaupt wird Cro erst gar nicht eingeladen – oder wieder ausgeladen. Diskussionen über ein solches Szenario hatte es vor einigen Jahren mal auf einer Univeranstaltung in Ostwestfalen gegeben.
Zum anderen ist die Stadt Würzburg eben nicht der Studierendenausschuss der Uni Bielefeld. Die Stadt ist kein privater Veranstalter, keine linke Studentenvereinigung, auch kein Schützenverein – sondern eine staatliche Behörde. Eine Behörde, die ein Volksfest für die gesamte Bevölkerung der Stadt organisiert, für die der Sommerhit des Jahres ganz offensichtlich zu ihrer Veranstaltung dazugehört – und sei er noch so platt.
Justizminister Buschmann bremst Aufregung um Partyhit „Layla“
Nun untersagt auch die größte Kirmes am Rhein den umstrittenen Nummer-eins-Hit „Layla“. Selbst ein Bundesminister schaltet sich in die Debatte ein.
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Wenn Behörden über Geschmack entscheiden
Dass nun genau diese Behörde ihren Bürgerinnen und Bürgern in den Musikgeschmack reinquatscht, wirkt unangemessen.
Als würden Beamte Berechtigungsscheine ausstellen für Musik, die der Norm entspricht – oder Formulare ablehnen, weil jemand etwas Freches gesungen hat. In Behördengebäuden sollen Menschen über Kunst entscheiden, die am wenigsten von ihr verstehen – wo fängt das an und wo hört das auf?
Und man könnte all das sogar noch verstehen, würde es sich bei „Layla“ tatsächlich um um verfassungsfeindliche Inhalte und strafrechtlich relevante Texte handeln. Aber „Layla“ ist all das nicht. Der Song mag geschmacklos sein – aber er ist eben auch nicht mehr als ein billiges Sauflied.
Plötzlich gelten Doppelstandards
Besonders bizarr wirkt der Schritt, da ein Verbot für andere Chartsongs augenscheinlich nicht gilt. Ein Blick in die Deutschrapszene würde genügen, um Textzeilen zu finden, die weitaus fragwürdiger, frauenverachtender, brutaler sind als eben dieser Saufsong „Layla“. Vermutlich laufen auch sie gelegentlich am Autoscooter.
Auch englischsprachige Songs sind voll von Sexismen und anderen fragwürdigen Inhalten. Ein (inzwischen nicht mehr ganz so relevanter) Alltime-Klassiker dürfte wohl der Song „Blurred Lines“ von Robin Thicke aus dem Jahr 2013 sein, dessen Lyrics schwer nach Vergewaltigungsfantasien klingen. Auch er durfte damals auf keiner Party, in keinem Bierzelt fehlen.
Der Unterschied zu „Layla“: Songs wie diese sind kein Massenphänomen – oder sie werden aufgrund ihrer Sprache gar nicht erst verstanden. Also misst man nun hier mit zweierlei Maß – und bringt sich damit in Teufelsküche.
Das Publikum hat entschieden
Gegenüber dem NDR begründet ein Sprecher der Stadt die Entscheidung so: Es gehe um die Rolle, die man als Veranstalter eines Familienvolksfestes einnehme. „Es ist einfach ein geschmackloses Lied für uns. Wir wollen es auf der Bühne nicht aktiv anspielen.“ Und man kann diese Argumentation durchaus verstehen: Auf dem Stadtfest toben viele Kinder, die nach einem Song wie „Layla“ sicher viele Fragen haben werden – zum Beispiel, was denn eigentlich eine „Puffmama“ ist. Und sicherlich wird sich auch der ein oder andere Erwachsene von dem Songtext gestört fühlen.
All das wird man aber nicht durch ein Verbot verhindern. Ein angemessener Schritte wäre gewesen, die Bands und Schausteller auf dem Fest grundsätzlich dafür zu sensibilisieren, dass man bitte während der Familienzeiten keine Lieder spiele, die für das entsprechende Publikum ungeeignet sein könnten. Ein Verbot für einen einzigen Song allerdings geht weit über den Einfluss hinaus, den eine Behörde im Kulturbetrieb haben sollte.
Und abends im Bierzelt dann, wenn alle Kinder schlafen, kann man den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt auch zumuten, selbst zu entscheiden, zu welchen Songs sie feiern wollen und zu welchen nicht. Das tun sie im Übrigen sowieso. Im Netz geistern inzwischen Videos aus den Festzelten des Kiliani herum. Da singt der ganze Saal aus Protest ein Lied: „Layla“. Verbieten kann es ihnen niemand.