Kajalstift für die Fledermaus: Robert Pattinson als düsterer „The Batman“
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Nachtaktive Fledermaus: Bruce Wayne (Robert Pattinson) in Arbeitskleidung in einer Szene des Films „The Batman“.
© Quelle: Jonathan Olley/DC Comics /Warne
Dauerregen über Gotham City. Nur schemenhaft hebt sich das an den Himmel projizierte Fledermauszeichen gegen die Wolkenfetzen ab. Dabei soll es doch die Verbrecher in permanente Unruhe versetzen. Richtig hell wird es in dem bis ins Mark verkommenen Moloch kaum, der an Manhattan erinnert.
Bei dieser Düsternis kann man depressiv werden – oder verloddern. Der Typ, der hier Nacht für Nacht durch Pfützen stapft, ist unrasiert, hat strähnig-graues Haar und verschmierten Kajal um die Augen, als sei er beim letzten Gothic-Festival übrig geblieben. Er sei zum „nachtaktiven Tier“ mutiert, raunt der Ungepflegte aus dem Off.
Und dieser Kerl soll sich in den berühmt-berüchtigten „The Batman“ verwandeln, wie dieses Werk reichlich anmaßend betitelt ist? Also in jenen Rächer im Fledermauskostüm, der seit seiner Erfindung 1939 durch Comiczeichner Bob Kane für Recht und Ordnung im Sündenpfuhl Gotham City sorgt?
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Regisseur Matt Reeves (verantwortlich für die beiden „Planet der Affen“-Filme von 2014 und 2017) hat seinem Batman (Robert Pattinson) Glanz und Glamour ausgetrieben. Als George Clooney, Christian Bale, Michael Keaton oder Ben Affleck – die beiden Letztgenannten sind noch aktiv in der Rolle – den Milliardär Bruce Wayne spielten, durfte die menschliche Fledermaus auf einen gepflegten Look setzen. Die Rüstung glänzte edel matt. Und ab und an war ein entspannter Abend im Smoking drin.
Darauf sollte Robert Pattinson nicht hoffen. „Die Stadt verschlingt sich selbst“, kommentiert der schwer Überarbeitete. Er kann nicht überall sein. Pattinson hat seit der „Twilight“-Saga (2008–2012) danach gestrebt, sich von seiner Vergangenheit als romantischer Vampir zu befreien. Wer diese Neuerfindung eines Schauspielers verpasst hat: Mit diesem Blockbuster ist sie endgültig abgeschlossen.
Hier wird Batman beinahe zum Freak. Obwohl – wieso beinahe? Was anderes als ein Freak ist ein Typ, der als maskierter Outlaw herumläuft, als würde er ewig Fasching feiern? Hier steht er mehr denn je in der Gefahr, auf die böse Seite der Macht abzudriften.
„Ich bin die Vergeltung“
Seltsamerweise fragt kaum ein Bürger Gothams mal danach, wer wohl unter der Verkleidung steckt. Die Maske ist Wayne zur eigentlichen Identität geworden – und seine sozialen Kompetenzen sind drauf und dran, zu verkümmern. „Ich bin die Vergeltung“, verkündet er, als er im ersten Einsatz seine Gegner zusammenschlägt.
Er wird noch lernen, dass Rachegefühle nicht unbedingt dabei helfen, sich seiner Dämonen zu entledigen. Dabei dient ihm auch die unbändige Catwoman (Zoë Kravitz) als widerborstig-abschreckendes Beispiel, die mehr noch als er selbst in ihrem privaten Zorn gefangen ist. Die Romanze zwischen beiden wirkt wenig überzeugend.
Die Runderneuerung der Comicfigur aber war unabdingbar. Regisseur Reeves muss es mit Christopher Nolans hochgelobter „The Dark Knight“-Trilogie (2005–2012) aufnehmen, in der der Joker der zerstörerischen Gier des Kapitalismus seine Fratze lieh.
Bei Reeves ist Batman in einem überkandidelten Noir-Krimi unterwegs. An seiner Seite: Polizist James Gordon (Jeffrey Wright), einer der letzten Unkorrumpierbaren. Das Duo jagt einen psychopathischen Serienkiller – und macht bei seiner Puzzlejagd Anleihen bei David Finchers „Sieben“ (1995), Zugaben aus dem Horrorgenre inklusive.
Die Honoratioren der Stadt sind sich ihres Lebens nicht mehr sicher. Der Riddler (Paul Dano), Maskenträger auch er, mordet mit sadistischer Lust bis hinauf zum Bürgermeister. Er will nach eigenem Bekunden die Schuldigen zur Strecke bringen, die er für Gothams moralischen Niedergang verantwortlich macht – und weiß, sich dabei der sozialen Medien zu bedienen. Der Mann ist auf der Höhe der Zeit. Die Spur führt zu Bösewichten wie Oswald Cobblepot alias Pinguin (Colin Farrell) und Mafiaboss Carmine Falcone (John Turturro).
Mörderische Rätsel
An den Tatorten hinterlässt der Riddler mörderische Rätsel, adressiert an Batman. Kein Zweifel: Hier geht es um Persönliches. Die Sache muss begonnen haben, als sich Waynes Vater 20 Jahre zuvor für die Stadtspitze bewarb. Dann wurde das Ehepaar Wayne ermordet, Sohn Bruce zum Waisen.
Drei Kinostunden dauern die Ermittlungen im bombastisch-verkommenen Setting – und damit zu lange. Gesellschaftlichen Subtext findet man: Gotham ist als perverse Trump-Welt zu erkennen. Wenn Batman von etwas träumt, dann ist es, allen Enttäuschungen zum Trotz, das Vertrauen in die demokratischen Institutionen zu erwecken.
Kann es ein gesellschaftliches Mit- statt Gegeneinander geben? Glaubt Batman wirklich daran? Und wird er sich noch zu einer echten Identifikationsfigur entwickeln, die auch mal lächeln darf? Abwarten.
Die Wiederkehr der Fledermaus ist auf drei Filme angelegt. Schwerverbrecher im Knast von Gotham als potenzielle Gegner gibt es genug für ihn, wie am Ende angedeutet wird – und Resozialisierung steht kaum auf der Agenda.
„The Batman“, Regie: Matt Reeves, mit Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Jeffrey Wright, Paul Dano, Colin Farrell, John Turturro, 176 Minuten, FSK 12