In getrennten Betten schlafen: Schadet das der Beziehung?
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Für Paare kann es erholsamer sein, in getrennten Betten zu schlafen.
© Quelle: yi sk/Unsplash
„Make love, not war“, diesen Slogan machten John Lennon und Yoko Ono im Bett liegend berühmt. Der Beatle und die Künstlerin verbrachten 1969 ihre Flitterwochen im Bett eines Amsterdamer Hotelzimmers – und warben für den Weltfrieden. Das Medieninteresse war riesig. Wäre das auch so gewesen, wenn John und Yoko in getrennten Schlafzimmern gesessen hätten? Fraglich.
Dabei könnten getrennte Betten genauso Frieden stiften: Die sogenannte „Schlafscheidung“ (englisch „sleep divorce“) soll jedenfalls schon manche Beziehung gerettet haben. In Zeitungen wie dem „Guardian“, der „New York Times“ oder der „Zeit“ berichten immer mehr Paare, dass sie genug vom klassischen Ehebett haben.
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Frauen schlafen besser ohne Bettpartner
Eines von vier Paaren schlief 2017 in getrennten Betten, wie eine Umfrage der amerikanischen Non-Profit-Organisation National Sleep Foundation ergab. Und es scheinen immer mehr zu werden: 49 Prozent der Paare geben in einer aktuellen US-Umfrage an, sich für die Nacht von ihrem Partner oder ihrer Partnerin trennen zu wollen.
Wie viele Paare in Deutschland ihr gemeinsames Bett aufgegeben haben, ist derzeit nicht bekannt. Dass die Bettpartnerwahl Einfluss auf die eigene Schlafqualität haben kann, schon. Laut dem Schlafforscher Hans-Günter Weeß schlafen vor allem Frauen besser, wenn sie allein sind – zumindest, wenn man im Schlaflabor objektive Kriterien wie Einschlafzeit, Schlafdauer oder nächtliches Aufwachen berücksichtigt. Männer schlafen hingegen meist objektiv besser, wenn sie ihr Bett teilen. Diese Studien im Schlaflabor umfassen oft nur kleine Fallzahlen.
Evolutionsbiologinnen und ‑biologen erklären die Geschlechterunterschiede mit der urzeitlichen Aufgabenteilung: Frauen waren für die Gruppe verantwortlich, Männer vor allem fürs Jagen. Diese Veranlagung finde sich noch heute in unseren Genen. Frauen fühlen sich daher unbewusst für ihre Schlafpartner verantwortlich, sind nachts angespannter und kommen nicht richtig zur Ruhe. Männer mussten ausgeschlafen für die Jagd sein, die in Gruppen erfolgte. Dementsprechend fühlen sie sich auch beim Schlafen in Gruppen oder neben einer Partnerin am entspanntesten und sichersten.
Das Bett teilen: „Ein Gefühl von Intimität, Nähe und Geborgenheit“
Interessant ist, sagt Weeß, dass sich die Ergebnisse aus dem Schlaflabor nicht immer mit dem Empfinden der Testpersonen decken. „Viele Menschen schlafen nach objektiven Kriterien nicht besonders gut, fühlen sich aber am nächsten Morgen topfit und leistungsfähig“, so Weeß. Es gibt aber auch Menschen mit einer hohen Schlafqualität, die sich morgens nur schwer von ihrem Kissen trennen können.
Viele Frauen, die im Schlaflabor allein objektiv besser schlafen, geben bei Befragungen an, dass sie neben ihrem Partner besser schlafen würden. „Mit einer anderen Person in einem Bett zu liegen gibt ein Gefühl von Intimität, Nähe und Geborgenheit“, sagt Weeß.
Auch aus der Wissenschaft gibt es mehrere Belege dafür, dass gemeinsamer Schlaf positiv wirkt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2022 haben Menschen, die sich ihr Bett mit dem Partner oder der Partnerin teilen, niedrigere Depressions-, Angst- und Stresswerte. Sie seien außerdem zufriedener im Leben und in Beziehungen. Schliefen zusätzlich Kinder im gemeinsamen Bett, sorge das allerdings für Stress. Wer allein schläft, zeige höhere Depressionswerte, erhalte weniger soziale Unterstützung und sei mit dem Leben und mit Beziehungen weniger zufrieden.
Gemeinsame Schlafstätten schon im Mittelalter üblich
Schon im Mittelalter war es üblich, in gemeinsamen Schlafstätten, auch mit Tieren, zu nächtigen. „Schlafen war eine gemeinsame, öffentliche Angelegenheit“, erklärt Weeß. Gemeinsamer Schlaf war überlebenswichtig: Er bot Schutz und sorgte für Wärme. Teils schliefen die Menschen nackt nebeneinander, um sich noch besser zu wärmen. Nach und nach und mit zunehmendem Wohlstand wurden einzelne Schlafstätten für alle Familienmitglieder eingerichtet. „In den vergangenen zwei bis drei Jahrhunderten hat Schlaf an Intimität gewonnen“, sagt Weeß.
Das gemeinsame Bett von Paaren stand dabei immer wieder zur Diskussion. Die Wissenschaftlerin Hilary Hinds schreibt, dass Paaren zwischen 1870 und 1970 häufig zu sogenannten Twin-Beds geraten wurde: zwei Einzelbetten, die mit Abstand im gemeinsamen Schlafzimmer standen. Für ihr Buch wertete sie unter anderem Werbung, Filme und Eheratgeber aus. Viele Ärzte verwiesen darin auf weniger Infektionskrankheiten und eine insgesamt bessere Schlafhygiene in Twin-Beds. Ab den 1920er-Jahren waren sie laut Hinds aber auch mit Ideen des Fortschritts, der Freiheit, Gleichheit und ehelichen Unabhängigkeit verknüpft. Die Twin-Beds brachen mit Konventionen – und waren so manchen Eheratgebern ein Dorn im Auge.
Schlafforscher: Getrennte Betten müssen kein Beziehungskiller sein
Zu den vorherrschenden romantischen Vorstellungen über Partnerschaft passen getrennte Schlafstätten nämlich nicht. Sie werden oft mit Lieblosigkeit, Distanz, weniger Nähe und Sex gleichgesetzt. Manche Studien kommen auch zu dem Ergebnis, dass sich Paare, die getrennt voneinander schlafen, einsamer fühlen. Doch getrennte Betten müssen kein Beziehungskiller sein, sagt Schlafforscher Weeß. Man könne einander vor dem Einschlafen besuchen und neue Rituale finden. „Die räumliche Distanz kann die Spannung und Anziehung sogar erhöhen.“
Ob Paare gemeinsam oder in getrennten Schlafzimmern zufriedener sind, ist immer von verschiedenen Faktoren abhängig, sagt der Schlafforscher. Haben Paare gegenläufige Schlafgewohnheiten – zum Beispiel, weil sie unterschiedliche Arbeitszeiten, Schlafrhythmen und ‑rituale haben oder sich bei der optimalen Temperatur im Schlafzimmer nicht einig werden –, sollten sie getrennten Schlafzimmern eine Chance geben.
Auch wenn ein Partner oder eine Partnerin schlafwandelt, schnarcht oder im Schlaf spricht, ist die „Schlafscheidung“ sinnvoll. Manche Eltern von Kleinkindern entscheiden sich bewusst dazu, sich nachts mit der Betreuung abzuwechseln: So kann immer ein Elternteil durchschlafen. Nicht zuletzt kann es auch vom Bindungsstil in einer Partnerschaft abhängen. „Es gibt Paare, die sehr aufeinander bezogen sind“, sagt Weeß. „Die haben eine sehr viel höhere Tendenz, gemeinsamen Schlaf als angenehm zu empfinden, als Paare, die unabhängiger voneinander sind.“ Sich ein zusätzliches Schlafzimmer leisten zu können, habe aber auch mit Luxus zu tun. Nicht alle Menschen haben einen Extraraum zur Verfügung.
„Bevor man sich wechselseitig den Schlaf raubt, würde ich immer zu getrennten Schlafzimmern raten“, sagt Weeß. „Denn Schlaf ist das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm, das der Mensch hat. Es kommt auf jede Minute an.“