Spitzen in der Spitzenküche: Drei Sterneköchinnen erzählen von Vorurteilen
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Ausgezeichnet: Sigi Schelling ist Chefin im Münchner Werneckhof.
© Quelle: Volker Debus
Der Kochberuf erfordert ermüdende Arbeit, der nur ein Mann gewachsen ist. Das ist zumindest die Ansicht von Chatillon-Plessis, Autor des 1894 erschienenen Buchs „Das Leben bei Tisch“. Einzelfall war diese Meinung nicht. In England wurden lange keine Frauen in die Kochzunft aufgenommen. Noch vor hundert Jahren schrieb der Gastrosof Karl Friedrich von Rumohr in seinem Werk „Der Geist der Kochkunst“: „Köchinnen fehlt es vollends an der Gründlichkeit der Bildung.“
Was denkt man heute als Köchin, wenn man solche Sätze hört? „Altmodisch. Aber es gibt auch heute noch Leute, die nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind“, sagt Sigi Schelling lachend. Die 46-Jährige ist frisch gekürte Sterneköchin im Münchner Werneckhof. 14 Jahre hat sie als Souschefin von Hans Haas im legendären Tantris gearbeitet. Im vergangenen Sommer wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit.
„Ehrgeiz ist kein männliches Attribut“
Die gebürtige Österreicherin wuchs auf einem Bauernhof mit Milchwirtschaft auf, mit zwei Schwestern und drei Brüdern. „Wir wurden als Mädchen nicht bevorteilt, wir mussten früh Verantwortung übernehmen. Schwimmbad gab es im Sommer nicht. Ich habe gekocht und gebacken. Wir mussten Heu einbringen, uns auf der Alm um die Tiere kümmern. Da ging es handfest zu, von daher hatte ich auch in Profiküchen nie Probleme, mich durchzusetzen“, sagt sie.
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Liegt es etwa am Durchsetzungsvermögen, dass der Frauenanteil in der Spitzengastronomie immer noch niedrig ist? Schließlich stehen nur 17 deutsche Sterneköchinnen 301 Sterneköchen gegenüber. „Man braucht sicher Ehrgeiz in dem Beruf, aber das ist ja kein männliches Attribut“, sagt Sigi Schelling.
Jüngste Sterneköchin Deutschlands
Das bestätigt auch ein Blick in die Kölner Restaurants Sahila und Yu*lia von Julia Komp. Dort bräuchte es eine Männerquote: In ihrer Küche arbeiten aktuell sieben Köchinnen und zwei Köche. Das sei kein Kalkül, betont Komp. Sie bekommt offenbar viele Anfragen von Bewerberinnen. Im Jahr 2016 wurde sie zur jüngsten Sterneköchin Deutschlands gekürt. Komp schlug sich bei Meisterschaften, war Jurorin in Kochshows – bringt das Frausein in dieser Männerdomäne heute sogar Vorteile? „Ich glaube schon, aber letztlich muss die Leistung stimmen. Und gleiche Leistung muss gleich honoriert werden“, sagt die 33-Jährige.
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Beschäftigt viele Frauen: Julia Komp.
© Quelle: Melanie Bauer Photodesign
Besondere mediale Aufmerksamkeit wurde auch ihrer einjährigen kulinarischen Bildungsreise geschenkt. Weltweit absolvierte Komp Praktika. In Marokko etwa, Indien oder Thailand. Oft seien in den Küchen mehr Frauen als Männer beschäftigt gewesen, erzählt sie. Vorbehalte wegen ihres Geschlechts hat sie bisher nur einmal in ihrer Karriere erlebt – und zwar in Deutschland. Ein Betrieb erklärte auf ihre Bewerbung hin, es würden keine Köchinnen eingestellt. Komp ließ sich nicht beirren, fragte nach einem Praktikum. Der Betrieb sagte zu, revidierte nach der ersten Praktikumswoche seine Meinung über Köchinnen und stellte sie fest ein.
Respekt erarbeiten statt Krawall machen
Erfahrung mit Vorbehalten gegen Frauen in der Spitzenküche hat auch Douce Steiner. Mit zwei Sternen ist sie die derzeit höchstbewertete Köchin Deutschlands. In den Achtzigern machte sie eine Kochlehre, mit dem Ziel, später einmal den elterlichen Hotel- und Restaurantbetrieb Hirschen in Sulzburg zu übernehmen.
Sie bewarb sich danach bei allerhand Kochgrößen. Einmal erhielt sie eine Absage mit der Begründung, es würden grundsätzlich keine Frauen eingestellt. Bei einer Station in Frankreich bekam sie von Kollegen sogar zu hören, dass Frauen nichts in einer Profiküche zu suchen hätten und an den häuslichen Herd gehörten. „Da habe ich gelernt, mich zu wehren“, sagt Douce Steiner.
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Die derzeit einzige Zwei-Sterne-Köchin Deutschlands: Douce Steiner mit ihrem Mann Udo Weiler, der Teil ihres Teams im Hirschen ist.
© Quelle: Michael Wissing
Womit die 50-Jährige nun nicht meint, dass sie Krawall gesucht hätte. Steiner erarbeitete sich Respekt über die Qualität ihrer Gerichte. Das sei auch heute ihr maßgebliches Einstellungskriterium. In ihrem neunköpfigen Team im Hirschen, das sie 2008 von ihrem Vater Hans-Paul Steiner übernahm, sind derzeit drei Frauen beschäftigt. „Mir ist der Mix wichtig, auch hinsichtlich des Alters. Ich achte aber auch darauf, dass der Charakter zum Team passt.“
Kochkarriere und Familie? Eher schwierig
Andere Menschen mit der eigenen Arbeit glücklich zu machen, die Lust auf das Kochhandwerk und die Teamarbeit: Wenngleich Steiner, Komp und Schelling aus unterschiedlichen Gründen den Kochberuf erlernten, sind alle gleichermaßen davon überzeugt, dass vor allem die Familiengestaltung einer Karriere in der Spitzengastronomie mit ihren Arbeitszeiten und Überstunden im Weg steht. Sigi Schelling hat keine Kinder und ist unverheiratet. Julia Komp will irgendwann Mutter werden, aktuell fehlt ihr jedoch die Zeit, denn erst im vergangenen Dezember hat sie sich selbstständig gemacht: „Dazu braucht es ein erfahrenes Team im Rücken.“
Bestes Beispiel dafür ist Douce Steiner. Mit 27 Jahren wurde sie Mutter einer Tochter. Damals arbeitete sie im elterlichen Betrieb. Die Eltern und ihr Ehemann Udo Weiler, mit dem sie auch heute die Küche leitet, unterstützten sie bei der Kinderbetreuung. Ab und an stand der Maxi-Cosi am Küchenpass. „Um so etwas muss man nicht immer so ein Theater machen. Wir waren immer für unsere Tochter da, das ist wichtig“, sagt Steiner, die auch in ihrer Freizeit eher umtriebig ist.
Mittags geht sie gerne joggen, auch hin und wieder mit ihrer Tochter, die mittlerweile erwachsen ist und selbst eine gastronomische Ausbildung durchlaufen hat. Zweimal in der Woche fährt Steiner nach Frankreich, um Waren für ihr Restaurant einzukaufen. Nachts schreibt sie am Küchentisch Kochbücher. Fünf hat sie mittlerweile veröffentlicht. Eines ist sicher: Chatillon-Plessis und Rumohr würden sich wundern.
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