Kolumne „Auf der Couch“

Warum Sie Emotionen besser beim Namen nennen

Negative Gefühle sollten beim Namen genannt werden.

Negative Gefühle sollten beim Namen genannt werden.

Was bei vielen Menschen zu kurz kommt, ist der Kontakt zu den eigenen negativen Gefühlen und das Benennen der jeweiligen Gefühle. Manche glauben, dass es nicht sehr hilfreich sei, Emotionen mit entsprechenden Worten wie „Ich bin wütend, traurig oder ängstlich“ zu beschreiben. Sie befürchten gar, dass das Aussprechen die Gefühlslage noch verschlimmern würde. Doch das Gegenteil ist der Fall. Werden unangenehme Gefühle ausgeblendet oder weggeschoben, werden sie stärker.

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Gefühle haben auch eine Hinweis- oder Schutzfunktion. Und wenn man das jeweilige Gefühl verdrängt oder nicht wahrnimmt, wird es eher lauter. Wenn das nicht reicht, kommt gegebenenfalls unser Organismus zur Verstärkung und meldet sich mit körperlichen Symptomen. Es ist also hilfreich, Gefühle anzunehmen und zu versuchen, die Botschaft zu entschlüsseln.

Unangenehme Gefühle weisen auf einen Mangel hin

Der Psychologe und Mediator Marshall Rosenberg (1934–2015) fasste es treffend zusammen: „Gefühle sind die Duftspuren zu unseren Bedürfnissen.“ Unangenehme Gefühle weisen auf im Mangel befindliche Bedürfnisse hin. Wenn es uns mit dieser Orientierung gelingt, diese Bedürfnisse zu erkennen und zu nähren, dann trägt das offensichtlich zu unserem Wohlergehen bei.

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Der persische Mystiker und Dichter Rumi (1207–1273) zeigt uns mit seinem wunderschönen Gedicht „Das Gasthaus“ einen gleichen Weg: „Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus. Jeden Morgen ein neuer Gast. Freude, Depression und Niedertracht – auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit kommen als unverhoffte Besucher. Begrüße und bewirte sie alle! Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist, die gewaltsam dein Haus seiner Möbel entledigt. Selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll, vielleicht reinigt er dich ja für neue Wonnen. Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit – begegne ihnen lachend an der Tür und lade sie zu dir ein. Sei dankbar für jeden, der kommt, denn alle sind zu deiner Führung geschickt worden aus einer anderen Welt.“ Die Erfahrung zeigt, dass allein das Benennen von Gefühlen bei der Bewältigung schwieriger emotionaler Erfahrungen helfen kann. Wenn man klar in Worte fasst, wie es einem geht, dämpft das die Belastung.

Gefühle in Worte übersetzen

Der Neurowissenschaftler Matthew Liebermann von der University of California in Los Angeles und sein Team haben es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Wirkungsmechanismus des „Affect Labeling“, also des „Benennens der Gefühle“, zu entschlüsseln. So konnten sie nachweisen, dass dies dazu führt, dass die Amygdala ihre Aktivität verringert. Die Amygdala oder der Mandelkern spielt eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung und Speicherung von Emotionen, vor allem von Angst.

Die Amygdala „beobachtet“ alle Eindrücke und reagiert bei vermeintlicher Gefahr mit entsprechenden Emotionen. Und wenn sie durch das Benennen der Gefühle erkennt, dass die Gefühle wahrgenommen wurden, kann sie die Emotionen wieder zurückfahren. Studien haben zum Beispiel eine verbesserte Prüfungsleistung bei Schülern gezeigt, die vorher über ihre Ängste geschrieben haben.

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Wir alle können uns selbst helfen, unsere emotionale Reaktivität mit einem einfachen Schritt zu reduzieren: durch die Übersetzung der emotionalen Erfahrung in Worte.

Helmut Nowak ist Coach und Lehrer für Achtsamkeit und Stressbewältigung und schildert hier regelmäßig, wie man lernt, bewusster zu leben. Der Autor ist zu erreichen unter www.achtsamkeit-und-co.de.

In der Kolumne „Auf der Couch“ schreiben wechselnde Experten zu den Themen Partnerschaft, Achtsamkeit, Karriere und Gesundheit.

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