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Kino am Raschplatz

Anti-Impf-Film „Vaxxed“ nach Drohung abgesetzt

Schauplatz einer Hasskampagne: Das hannoversche Kino am Raschplatz.

Schauplatz einer Hasskampagne: Das hannoversche Kino am Raschplatz.

Hannover. Soll man seine Kinder gegen Masern impfen lassen oder nicht? Das Thema polarisiert so heftig, dass das Kino am Raschplatz nach massiven Beleidigungen und Drohungen von Impfbefürwortern den umstrittenen Film „Vaxxed“ aus dem Programm genommen hat. „Wir sagen die Veranstaltung wegen Sicherheitsbedenken ab, da ein Mitarbeiter unseres Kinos angegriffen wurde“, sagt Kino-Geschäftsführer Torben Scheller. Der Mitarbeiter sei am Sonntagabend an der Kasse von einem Unbekannten beschimpft und mit Schlägen bedroht worden. Danach sei der Täter so schnell verschwunden, wie er gekommen sei, sagt Scheller.

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Regisseur sollte anwesend sein

„Vaxxed“ handelt vom vermeintlichen Zusammenhang zwischen Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln und Autismus. Regie führte der englische Gastroenterologe Andrew Wakefield, der 1998 in der medizinischen Zeitschrift „Lancet“ eine Studie dazu veröffentlichte. Weil sie sich als zutiefst unseriös erwies, zog die Zeitschrift die Studie zurück. Wakefield wurde 2010 die ärztliche Zulassung entzogen. Der Film hatte 2016 von sich reden gemacht, weil US-Schauspieler Robert De Niro ihn bei seinem New Yorker Tribeca Festival zeigen wollte - und strich, nachdem er sich genauer informiert hatte. De Niros Sohn ist Autist.

Auch auf Facebook hatten Impfbefürworter Hasskommentare gepostet - Scheller sah sich gezwungen, zu handeln. „Ich dachte, wir leben in einer Demokratie, in der auch ein umstrittener Regisseur sich äußern kann“, sagt er. Das Wohl seiner Gäste und Mitarbeiter gehe aber vor. Wakefield sollte bei der Vorführung anwesend sein. Geplant war wohl auch, ihn mit Fachleuten zu konfrontieren. Das habe er aber nicht veröffentlicht, sagt Scheller: „ein Fehler“.

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„Hochemotionale Debatte“

Dem hannoverschen Kinderarzt Thomas Buck zufolge machen Impfgegner sich oft nicht bewusst, dass sie mit einer Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch die Umwelt schützen. Ihm sei vor 16 Jahren ein Kind gestorben - nicht weil es geimpft wurde, sondern weil es sich mit Masern angesteckt hatte, sagt Buck, Obmann im Bezirk Hannover. Das Kind habe wegen Lungenproblemen nicht geimpft werden können. Der prozentuale Anteil von Impfgegnern unter Eltern sei in seiner Praxis gering, die Diskussion werde aber hochemotional geführt, sagt Buck. Dass Eltern heute mehr Angst vor potenziellen Nebenwirkungen hätten als vor den Kinderkrankheiten selbst, habe auch damit zu tun, dass man schwerste Verläufe in seinem Umfeld heute in der Regel nicht mehr erlebe. Masern enden laut Gesundheitsamt der Region Hannover in 10 bis 20 Prozent der Fälle tödlich. 2017 sei noch kein Masernfall bekannt, 2016 seien 18 Masernfälle gemeldet worden, davor 34.

„Dieser Unfug ist nirgendwo auf der Welt belegt“

Interview mit Matthias Stoll (60), Infektiologe an der MHH

Herr Prof. Stoll, kann eine Masernimpfung Autismus auslösen?
Nein, es gibt keinen einzigen Beweis dafür, nur die zutiefst unseriöse Studie des Briten Andrew Wakefield. Nicht genug damit, dass Wakefield dafür lediglich zwölf Kinder untersuchte. Er erfand eine Form von Autismus, die es vorher gar nicht gab – und die mit Lymphknotenvergrößerungen im Darm einhergehen sollte. Er entwickelte dafür einen Test, der diese Form von Autismus angeblich nachweisen konnte. Er verfolgte nachweislich primär eigennützige Motive und wollte mit dem Test Geld verdienen.

Beschäftigen sich auch andere Studien mit dem Zusammenhang von Masernimpfung und Autismus?
Es gibt mittlerweile etliche, große Studien, die sich damit beschäftigt haben. Nirgendwo auf der Welt konnte dieser Unfug belegt werden. Es gibt eine aktuelle Studie aus Schottland, die zeigt, dass die Bereitschaft, Kinder gegen Masern zu impfen, nach Wakefield so stark zurückging, dass für die Kinder das Masernrisiko messbar anstieg.
 
Ist die Wakefield-Diskussion jemals nach Hannover geschwappt?
Es wird in Niedersachsen besser, aber nicht gut genug geimpft. Seit 2001 gab es in Deutschland einige Masernausbrüche, auch in Niedersachsen. Ich erinnere mich an den Fall eines Schülers, dem die Gesundheitsbehörde der Region zum Schutz von kleinen Kindern ohne Impfschutz ein Schulverbot geben wollte. Er wollte sich nicht impfen lassen, klagte, gewann.

HAZ

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