Der HAZ-Kiosktag trotzt dem Regen
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Schilderwald zum HAZ-Kiosktag: Die Künstlerinnen Anna Morawek (r.) und Laura Kettler (l.) eröffneten eine Kiosk-Kunst-Ausstellung auf dem Küchengartenplatz.
© Quelle: Tim Schaarschmidt
Linden/Badenstedt/Ahlem. Schon um 5 Uhr morgens haben Anna Morawek und Laura Kettler am Sonnabend begonnen, ihre Ausstellung „Kioskkult(ur)“ aufzubauen. Auf dem Küchengartenplatz platzierten sie mit zahlreichen Helfern fast 150 Klappschilder, die man sonst eher direkt vor den Kiosken findet. Die Künstlerinnen von der Muthesius Kunsthochschule Kiel und der Leibniz-Universität Hannover stellten darauf Hannovers Kioske mit großformatigen Fotos vor.
Der eng gestellte Schilderwald sollte die enorme Kioskdichte Hannovers symbolisieren.„Für viele Menschen sind Kioske soziale Treffpunkte“, erklärte Morawek bei der Ausstellungseröffnung. Besucher wie Tobias Jungnickel begannen da gleich, direkt vor Ort nach ihrem Stammkiosk zu suchen. Möglich gemacht hatten die Ausstellung das Kulturbüro, die Privatbrauerei Herrenhausen und das Historische Museum.
Vielfältige Aktionen in der ganzen Stadt
Die Schilderschau war nur eine von etwa 25 Aktionen des ersten HAZ-Kiosktags. An und in den Kiosken der Stadt gab es Lesungen, Konzerte und Bierverkostungen. Der Badenstedter Kulturtreff Plantage eröffnete zum Beispiel für einen Tag eine Galerie mit Café im Atelier auf Zeit im 5-Sterne-Kiosk in Ahlem. In Linden-Nord zeigte das Apollo-Kino den thematisch passenden Film „Neben den Gleisen“. Ganz in der Nähe, am Pfarrlandplatz, feierten mehr als 1000 Fans den Auftritt der Band Liedfett direkt am Kiosk. Beim Kulturzentrum Faust spielte die Band Prada Meinhoff auf der Kulturkiosk-Bühne. Und an der ProBierbude an der Limmerstraße lasen Martin Spieß und Jan Fischer Kurzgeschichten.
Als das Gewitter kam, zogen Künstler und fast 50 Zuhörer schnell in die Räume einer benachbarten Bar. Kioskbetreiber Ngoc Duc Nguyen plant dort demnächst eine neue Gastronomie. „Das wird gut“, sagte der umtriebige Kioskchef. Auch die Planungen für einen HAZ-Kiosktag 2019 haben bereits begonnen.
Kommentar: Zuhause ist, wo der Kiosk steht
Berlin hat seine Spätis. Das Rheinland seine Büdchen. Und Hannover verweist oft nicht ohne Stolz auf seine Kioske und Kioskdichte. Denn oft geht es an Hannovers Ecken und Plätzen um viel mehr als das Feierabendbier und bunte Tüten. Kioske sind die erste Anlaufstelle für Besorgungen und Begegnungen. Hier trifft man den Nachbarn, den Arbeitskollegen, manchmal sogar den Lebenspartner. Es sind Begegnungen über Herkunft, Schichten und Altersgrenzen hinweg, die erfolgreiche Nachbarschaft und Gesprächskultur entstehen lassen.
Es sind kleine Begegnungen, die das Leben und Zusammenleben in einer großen Stadt ausmachen – auch darum möchte nun sogar das Kulturhauptstadtbüro die Kioskkultur für den Bewerbungsprozess nutzen. Trotzdem sind immer mehr Kioske in ihrer Existenz bedroht. Supermärkte erweitern ihre Öffnungszeiten, die Mieten im Szenekiez steigen, immer wieder gibt es Beschwerden über Lärm an den Kiosken. Es sind die typischen Probleme einer sich verdichtenden Großstadt. Berliner und Rheinländer kennen das – und feiern trotzdem ihre Büdchen und Spätis wie die Hannoveraner nun ihre Kioske. Weil Kioske neben der sozialen Wärme zum kalten Getränk auch ein Gefühl von Identifikation bieten, ein Gefühl von Zuhause – auch wenn es da manchmal etwas lauter wird.
Von Jan Sedelies
Von Jan Sedelies
HAZ