Als Forscher in Berlin brachte der Sexualwissenschaftler Helmut Kentler Pflegekinder bei Pädophilen unter. Danach lehrte er 20 Jahre in Hannover. Was dort geschah, ist unklar.
Hannover. Es begann perfiderweise in dem Moment, als Marco Vertrauen fasste. Rund ein halbes Jahr lebte der Junge Ende der Sechzigerjahre bei seinem Pflegevater in Berlin. „Papa“, „Paps“, nannte er ihn jetzt, so wie sein vom Jugendamt Schöneberg bestellter Vater es forderte. Da fing das an, was „Papa“ kuscheln nannte: der sexuelle Missbrauch eines gerade einmal Siebenjährigen durch einen 40 Jahre älteren Mann. Nicht nur mit oraler Befriedigung, sogar mit Analverkehr gingen die Übergriffe einher. Das Ganze endete erst rund zehn Jahre später – als Marco fast erwachsen war.
Marco heißt in Wirklichkeit nicht so – und er hat seine Geschichte jetzt erstmals öffentlich erzählt: im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Der Mann, der für sein Leid maßgeblich mit verantwortlich ist, wirkte viele Jahre in Hannover: Helmut Kentler, renommierter Sexualwissenschaftler, Gerichtsgutachter und 20 Jahre lang – von 1976 bis 1996 – Professor für Sozialpädagogik am Institut für Berufspädagogik der Universität Hannover. Erst auf Nachfrage der HAZ distanzieren sich Hochschulleitung und philosophische Fakultät „in aller Deutlichkeit“ von dem Mann, der sich „in einer aus heutiger Sicht inakzeptablen Weise wissenschaftlich geäußert beziehungsweise seine Forschungen betrieben hat“.