Diese Straßen sollen einen anderen Namen tragen
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Platz für neue Namen: In der Hindenburgstraße haben Unbekannte kürzlich Straßenschilder entfernt.
© Quelle: (c) Christan Elsner - HAZ / NP
Hannover. Autobauer Ferdinand Porsche und Nobelpreisträger Konrad Lorenz sind keine würdigen Namensgeber für Hannovers Straßen – zu diesem Schluss kommt jetzt ein Beirat der Stadtverwaltung. Das Gremium hat in den vergangenen Jahren rund 500 Straßennamen sowie Ehrengräber und Schulnamen unter die Lupe genommen. Am Donnerstag hat der Beirat seinen Abschlussbericht vorgelegt, insgesamt 17 Straßen sollten umbenannt werden, rät das Gremium. Zu den zehn bereits vor drei Jahren aufgelisteten Straßen sind sieben neue hinzugekommen. „Wir haben uns die Entscheidungen nicht leicht gemacht“, sagt Stadtsuperintendent Hans-Martin Heinemann, Mitglied des Beirats. Eine Gesellschaft müsse sich ihrer Erinnerungskultur stellen.
Neben dem Konrad-Lorenz-Platz und dem Porscheweg stehen jetzt neu auf der Liste der Marahrensweg, die Pfitznerstraße, der Pontenhof, die General-Wever-Straße und den Wickopweg. Bei allen Straßen handelt es sich um kleinere Nebenstraßen, ausgenommen die General-Wever-Straße zwischen Bothfeld und Sahlkamp. Die lange Durchgangsstraße ist 1938 nach einem Luftwaffenoffizier benannt worden. „Er ist als sogenannter Held von den Nazis verehrt worden“, sagt der ehemalige DGB-Bezirksvorsitzende Hartmut Tölle, ebenfalls Beirats-Mitglied. Zudem sei Wever ein Verfechter der NS-Ideologie gewesen.
Auch Ferdinand Porsche habe während der Nazizeit Schuld auf sich geladen, davon ist der Beirat überzeugt. „Auf Porsches Initiative ist das erste KZ in einem deutschen Rüstungsunternehmen eingerichtet worden“, sagt Karljosef Kreter, Leiter des Bereichs Erinnerungskultur bei der Stadt. Porsche leitete zwischen 1938 und 1945 das VW-Werk in Fallersleben. Unter seiner Leitung waren bis zu 85 Prozent der Belegschaft Zwangsarbeiter und Häftlinge.
Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz eignet sich nach Ansicht des Beirats ebensowenig, einem kleinen Platz im Roderbruch seinen Namen zu geben. Der Wiener Tierpsychologe hat nach dem sogenannten Anschluss Österreichs Karriere gemacht. Lorenz trat in die NSDAP ein und bekam eine Professur in Königsberg. „Seine Karriere ist eng mit der Rassenideologie der Nazis verknüpft“, sagt Kreter. Er habe sich an nationalsozialistischen Propagandabegriffen wie der „Ausmerzung“ und „Auslese“ von Rassen orientiert. Der Konrad-Lorenz-Platz hat erst 1991 seinen Namen bekommen. „Damals wusste man noch nicht um die Fakten“, sagt Kulturdezernentin Konstanze Beckedorf.
Die Stadt nimmt seit einigen Jahren systematisch die hannoverschen Straßennamen unter die Lupe. Dabei werden die Namensgeber vor allem im Hinblick auf ihr Wirken in der NS-Diktatur untersucht. Im Mittelpunkt stehen folglich die Geburtenjahrgänge 1847 bis 1928. Der Beirat empfiehlt immer dann eine Umbenennung, wenn der namensgebenden Person eine „aktive Mitwirkung in einem Unrechtssystem zuzuschreiben ist“.
Den Empfehlungen kann die Stadtpolitik folgen, sie muss es aber nicht. Die Entscheidung darüber, ob eine Straße einen anderen Namen tragen soll, treffen die Bezirksräte. Es sei denn, eine Straße befindet sich in mehreren Bezirken – dann ist der Rat zuständig. Zuletzt hat der Beschluss des Bezirksrats Mitte, die Hindenburgstraße umzubenennen, erheblichen Unmut unter Anwohnern ausgelöst.
Von Andreas Schinkel