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Drei Jahre Café Anna Blume

Auch hinter dem Tresen: Ute Wrede springt gelegentlich für ihre Mitarbeiterinnen ein.

Auch hinter dem Tresen: Ute Wrede springt gelegentlich für ihre Mitarbeiterinnen ein.

Stöcken. Gemütliches Kaffeetrinken in einer ehemaligen Leichenhalle – für Ute Wrede bestand in dieser Idee von Beginn an kein Widerspruch. Vor drei Jahren hat Wrede das Café Anna Blume am Stöckener Friedhof eröffnet und damit den einzigen Inklusionsbetrieb in der Region Hannover geschaffen. Im Anna Blume arbeiten drei feste Mitarbeiterinnen ohne und drei mit Handicap.

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Auf die Idee, ein inklusives Café zu eröffnen, ist Wrede durch ihre behinderte Tochter gekommen. „Transparente Lohnverhältnisse und eine gewisse Eigenständigkeit sind für Menschen mit Behinderungen in ihrem Arbeitsalltag nicht selbstverständlich“, erklärt Wrede. Sie wollte Arbeitsplätze schaffen, die Personen mit Handicap genau das bieten.

Alles hausgemacht

Alles hausgemacht: Das Kuchenangebot besteht aus Familienrezepten und Eigenkreationen.

„Viele Arbeitgeber haben immer noch Angst, Personen einzustellen, die eine Behinderung haben“, sagt Wrede. „Das habe ich selbst bereits in Gesprächen gespiegelt bekommen.“ Unverständlich findet die Geschäftsführerin des Inklusionsbetriebes diese Sorgen nicht. „Auch unser Café ist auf Mitarbeiter angewiesen, die sich Tischnummern und die Inhaltsstoffe der Kuchen merken können“, sagt Wrede. „Aber um herauszufinden, ob eine behinderte Person diese Fähigkeiten mitbringt, gibt es eine dreimonatige Probefrist.“

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Dass die Zusammenarbeit von Personen mit und ohne Behinderung funktionieren kann, beweist das Café Anna Blume nun seit drei Jahren. Mittlerweile organisiert das Stöckener Café Geburtstags- und Trauerfeiern und veranstaltet Konzerte. Zuletzt fand in dem Café ein Benefizkonzert mit dem Motto „Klassik gegen rechts“ statt. Insgesamt spendeten die Besucher 700 Euro für geflüchtete Menschen. Das Café rundete den Betrag auf 1000 Euro auf. „In unserem Café geht es um Demokratie und Menschlichkeit und nicht darum, eine bestimmte Klientel zu bedienen“, sagt Wrede. Sich gegen rechte Strömungen einzusetzen, ist für sie Teil der nachhaltigen Aufgabe des Betriebs.

Hinterm Thresen statt im Büro

Hinterm Thresen statt im Büro: Ute Wrede springt gelegentlich auch für ihre Mitarbeiterinnen ein.

Die nachhaltige und soziale Gesinnung des Cafés Anna Blume gab Dunja Rielk vor drei Jahren den Anreiz, sich um eine Stelle zu bewerben. „Klar, kann die Zusammenarbeit auch mal anstrengend sein, wenn man Arbeitsanweisungen mehrfach wiederholen muss“, erklärt die Köchin, die vor ihrer Arbeit im Café 14 Jahre im Partyservice tätig war. „Aber das sind Herausforderungen, die wir immer wieder gemeinsam meistern.“

Den Namen Anna Blume verdankt das Café dem gleichnamigen Gedicht von Kurt Schwitters, das vor 100 Jahren veröffentlicht wurde. Wer das Jubiläum des Gedichts und den dreijährigen Geburtstag des Cafés an der Stöckener Straße 68 feiern möchte, kann am 9. Februar an der Auftaktveranstaltung des Inklusiven Kulturcafés teilnehmen. Ab 15 Uhr findet eine Lesung von Ulrich Krempel statt. Begleitet wird er von Annie Chojnackie am Klavier. Der Eintritt kostet 15 Euro, ermäßigt 12 Euro.

Kommentar: Erfolgsgeschichte am Friedhof

Wie ungewöhnliche Ideen sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickeln, dafür gibt es einige gute Beispiele in den nördlichen Stadtteilen. Besonders verblüffend ist vielleicht die Entwicklung, die das Café Anna Blume genommen hat. Mit gelungenen Kuchen- und Tortenkreationen locken die Mitarbeiterinnen ihre Gäste seit drei Jahren auf den Stöckener Friedhof. Vor dem Start der Gastronomie in einer ehemaligen Leichenhalle fehlte es nicht an skeptischen Stimmen. Wer will dort seinen Kaffee genießen? Wird die angesichts der Gräber gebotene Pietät gewahrt? Droht nun Halligalli in Nachbarschaft der Verstorbenen? Im Gegenteil. Nun sind viele Trauernde froh, wenn sie nach dem Friedhofsbesuch noch einen ruhigen Ort zum Reden finden. Trauergesellschaften suchen das Café nach der Beerdigung auf, sonntags läuft häufig ein Kulturprogramm. Das Café, in dem mehrere Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung entstanden sind, passt mit seinem dezenten Ambiente und der einfühlsamen Crew perfekt an diese Stelle. Es ist ein Gewinn – für Gäste und Mitarbeiter.

Von Nina Hoffmann

HAZ

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