Ehemals beste Freunde
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Nur noch ein weißer Fleck: Freundschaften verblassen aus verschiedenen Gründen.
© Quelle: Foto: Eberstein, Montage: Llorens
Plötzlich endete eine langjährige Freundschaft. Fünf Minuten schrien Julia* und Johanna sich an. Erst ging es um Geld für Pizza. Am Schluss wusste keine mehr, was der Grund für den Streit war. Das war vor vier Jahren. Seitdem reden sie kein Wort mehr miteinander. Ruhiger verlief das Freundschaftsende von Jens und Lukas. Ohne es zu merken, verabredeten sie sich seltener. Bis sie gar keinen Kontakt mehr hatten.
„Ein Mensch verliert in seinem Leben mehr Freundschaften, als er hält“ sagt der Psychologe Dr. Horst Heidbrink von der Fernuniversität Hagen. Selten kommt es dabei zu einem Streit wie bei Johanna und Julia. Oft enden Freundschaften schleichend. Wie bei Jens und Lukas. Sie verloren den Kontakt, als Jens sein Biologiestudium aufnahm und mehr mit seinen Kommilitonen machte. „Ändert sich die Lebenssituation eines Menschen, verändern sich oft auch seine Interessen“, sagt Heidbrink. „Für eine Freundschaft sind Gemeinsamkeiten aber wichtig. Fallen sie weg, entwickelt man sich auseinander.“
Auch die Freundschaft zwischen meiner Freundin Lena und mir ging kaputt. In den ersten Uni-Semestern trafen wir uns oft. Wir trugen ähnliche Klamotten und lachten über den gleichen Quatsch. Bis mir auffiel, dass es immer nur nach ihr ging. Wir sprachen über ihre Probleme und feierten da, wo sie wollte. Das bemerkte ich erst spät – als hätte ein Verliebter seine sprichwörtliche rosarote Brille verloren.
Freundschaften und Liebesbeziehungen sind Verhältnisse, die auf Sympathie und Vertrauen beruhen. Wären Lena und ich ein Paar, hätte ich Schluss gemacht. Doch das ist in Freundschaften nicht üblich. „Eine Freundschaft muss nicht zulasten einer neuen gekündigt werden. Da besteht im Gegensatz zu Liebesbeziehungen kein Anspruch auf Exklusivität“, sagt Heidbrink. „Es ist unproblematisch, mehrere Freunde zu haben.“
Den Button „Als FreundIn entfernen“ gibt es im echten Leben nicht – aber in sozialen Netzwerken wie Facebook. Den zu klicken fällt dennoch nicht leicht. Viele haben deshalb eine Liste mit Bekannten, die nicht alles sehen können, was man postet. „Die kann man leicht löschen. Richtige Freunde entfreundet man auch bei Facebook nicht“, sagt Heidbrink. Die Anzahl der Facebook-Freunde sagt also nichts über wahre Freunde aus. Offensichtlich: Facebook-Freunde sind Julia und Johanna immer noch. Wer weiß: Vielleicht vertragen sie sich wieder. Auch das kommt ja in Freundschaften vor.
Maike Brülls
Liebe Nena*,
als wir uns mit sieben Jahren beim Turnen kennenlernten, konntest du nirgendwo ohne deine Eltern übernachten. Ab 20 Uhr sind die Tränen gekullert – wie auch auf Klassenfahrt in der 6. Klasse. Jeden Abend haben wir dich getröstet. Als du ein paar Jahre später erzählt hast, dass du die 11. Klasse in Honduras verbringen willst, war mein erster Gedanke, dich davon abbringen zu müssen. Wer soll dich abends vom anderen Ende der Welt abholen? Doch der Abschied kam, und wieder flossen Tränen – diesmal bei mir, denn du warst eine meiner besten Freundinnen.
Niemals hätte ich gedacht, dass die meiste unserer gemeinsamen Zeit da bereits hinter uns lag. Doch als du wiederkamst, hatte dich die Lust auf Neues gepackt. Unsere Schule war dir zu klein geworden. Also bist du auf eine größere gewechselt, und wir haben uns nur noch selten gesehen. Das tut mir im Nachhinein leid. Vielleicht hätte ich öfter schreiben oder anrufen sollen.
Nach einem Jahr in Indien bist du nun auf Weltreise – und schwer zu erreichen. Das ist schade. Vor allem, weil ich viel von dir gelernt habe: dass Tiere leiden und man auf ihr Fleisch verzichten kann, dass die Welt größer als Europa ist und Eltern nicht immer recht haben. Dafür bin ich dir sehr dankbar und umso trauriger, dass wir nur selten etwas voneinander hören. Und wahrscheinlich wirst du diesen Brief nicht mal lesen, weil du wieder im Flieger sitzt.
Ich vermisse dich, Sarah
Lieber Jakob,
du bist derjenige, an dem ich alle anderen messe. Ich hab noch nie jemanden gefunden, der mich so gut versteht, der mich ganz genau so nimmt, wie ich bin. Kennengelernt haben wir uns vor drei Jahren, du gingst für ein ganzes, ich für ein halbes Jahr nach Uruguay. Gemeinsam standen wir Heimweh und Sprachkrisen durch. Und das, obwohl wir drei Busstunden voneinander entfernt wohnten. Nach zwei Monaten trafen wir uns das zweite Mal. Als es draußen stürmte und wir zu Bob Marley Pfannkuchen backten, verliebte ich mich in dich. Wir haben viel zusammen gelacht, aber auch tiefe Gespräche geführt. Ich merkte, dass ich jemanden gefunden hatte, der die Menschen so sieht wie ich. Der meine größte Leidenschaft, das Reisen, teilt.
Heute weiß ich, dass du für mich nicht das gleiche empfandest, aber damals war mir dasnoch nicht klar. Ich interpretierte zu viel in deine Nachrichten, und wir stritten uns bald wegen jeder Kleinigkeit. Du schriebst mir immer weniger und bald gar nicht mehr. Als wir nach Deutschland zurückkamen, brach der Kontakt ab.
Anderthalb Jahre später, nach dem ersten schmerzhaften Liebeskummer meines Lebens, traute ich mich, dir zu sagen, was ich so lange für dich fühlte. Ich erklärte dir, wie es mir damals ging und wie verletzt ich nach jedem Streit war. Doch trotz meines Geständnisses haben wir seitdem kaum noch Kontakt gehabt. Irgendwie klappt es wohl nicht mehr, obwohl ich dich sehr vermisse. Als Kumpel.
Anonym
Liebe Nike,
im Nachhinein frage ich mich, was genau uns verbunden hat, unsere Ansichten liegen weit auseinander. Trotzdem haben wir uns auf Anhieb in der Ersti-Woche vom Studium angefreundet. Vielleicht, weil du als angehende Literaturwissenschaftlerin noch andere Themen im Kopf hattest als nur Bücher. Oder weil du der einzige mir bekannte Mensch bist, der betrunken einen Stuhl von der Uni-Party hat mitgehen lassen und dafür ein eigenes Taxi rufen wollte. Für solche verrückten Aktionen habe ich dich geliebt! Weniger amüsant waren die Anrufe mitten in der Nacht, um mir zum zehnten Mal an einem Tag dein Herz auszuschütten. Oder wenn du dein Mundwerk mal wieder nicht im Zaum halten konntest und dabei dich selbst – und mich manchmal dazu – vor anderen bloßgestellt hast.
Drei Jahre ging das gut, dann fing für uns beide ein neuer Lebensabschnitt an: erster Job, fester Partner. Du sagtest immer häufiger Treffen ab – ich sagte dir die Meinung. Möglich, dass ich mich im Ton vergriffen habe, aber deine einzige Antwort darauf war Ignoranz. Mag sein, dass du einfach nicht anders kannst, weil du so sehr in deiner Beziehung aufgehst, dass da kein Platz mehr für weitere Dinge ist – tief enttäuscht hat es mich trotzdem.
Aber hey, mein Leben ist seitdem viel entspannter! Nur manchmal vermisse ich das Mädchen, das mir um den Hals fällt und kreischt: „Du bist meine beste Freundin! Wir dürfen uns nie verlieren!“
Deine Rany
Lieber Mark,
oft haben wir Dinge unternommen, die sonst vielleicht eher Pärchen machen: Wir fuhren an den See, chillten an unserer Kieskuhle und beobachteten dort manchmal noch bis in die Nacht hinein die Sterne und Satelliten am Himmel. Sogar meinen ersten Discobesuch erlebte ich damals mit dir. Doch das zwischen uns war immer freundschaftlich. Das wussten wir, und so war es auch gut.
Und dann hast du mir irgendwann zum ersten Mal von den Drogen erzählt. Dass du es manchmal mit dem Alkohol übertreibst, wusste ich. Wir saßen gerade an unserer Kieskuhle, als du plötzlich eine Tüte mit Tabak zum Vorschein brachtest und dir einen Joint drehtest. Musste das sein? Ob ich auch mal ziehen wollte, hattest du gefragt. Ich wollte nichts damit zu tun haben. Irgendwann nahmst du auch Pilze und Ecstasy.
Seitdem hast du dich immer seltener bei mir und deinen anderen Freunden gemeldet. Ich bekam dich kaum noch zu Gesicht, vermisste die Unterhaltungen mit dir und machte mir Sorgen. Doch auf meinen Rat, einen Gang zurückzuschalten, wolltest du nicht hören. Ab und zu berichten mir andere von dem, was du gerade so treibst. Oft finde ich das nicht gut. Die Freundschaft mit dir fehlt mir und du mir auch – aber: Solange dein Leben außer Kontrolle ist, halte ich mich besser von dir fern.
Anonym
*Alle Namen von der Redaktion geändert
HAZ