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Kommen Sie mit ins Rathaus!

Ein Rundgang durch Hannovers Wahrzeichen

Von außen bekannt, von innen unentdeckt: Hannovers Neues Rathaus.

Von außen bekannt, von innen unentdeckt: Hannovers Neues Rathaus.

Hannover. Alle Wege und Winkel, alle Ecken und Nischen, die kennt selbst er nicht. Obwohl der städtische Personalmanager Harald Härke seit Jahrzehnten im Neuen Rathaus arbeitet und berufsbedingt Kontakte zu etlichen Mitarbeitern pflegt, verbirgt der historische Bau selbst vor ihm noch Geheimnisse. „Da gibt es sicher noch Überraschungen“, verrät er. Es ist noch nicht lang her, als Härke von dem unterirdischen Gang erfuhr, der die Wohnung des Hausmeisters mit dessen Büro verbindet. „Das ist ein lebendes Gebäude“, sagt Härke.

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100 Jahre wird das hannoversche Rathaus jetzt alt. Ein Grund zum Feiern für alle Hannoveraner, denn es handelt sich, wie alle Oberbürgermeister gern betont haben, um ein Haus der Bürger. Tatsächlich darf ein jeder von morgens bis abends durch die große Halle am Trammplatz spazieren, mit dem Bogenaufzug zur Kuppelspitze hinauffahren oder die drei imposanten Stadtmodelle aus verschiedenen Epochen bestaunen. Einmal hatten Stadtverwaltung und Ratspolitik kurz überlegt, ob sie den Zugang beschränken. Das war Ende der neunziger Jahre, als ein geistig Verwirrter nackt zwischen den Minihäusern eines Stadtmodells herumtanzte und erheblichen Schaden verursachte. Doch man verwarf den Gedanken.

Herbert Schmalstieg führt durch sein Rathaus

Hannover, 18. Juni 2013: Das Rathaus wird 100 Jahre alt - und der ehemalige Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg ist einer der langjährigsten Bewohner des Rathauses. HAZ TV hat mit ihm den Prunkbau besucht.

Von den touristischen Attraktionen einmal abgesehen, haben die Hannoveraner kaum einen Grund, das Rathaus aufzusuchen. Denn in dem Verwaltungsbau kann man keinen Personalausweis beantragen, keinen Reisepass verlängern oder sich eine neue Kfz-Zulas­sung besorgen. Lediglich im Bürgerbüro im Erdgeschoss liegen ein paar Flyer aus, weisen etwa auf den „roten Faden“ hin, der an den Sehenswürdigkeiten Hannovers entlangführt. Zwar arbeiten rund 480 Verwaltungsangestellte im Rathaus, doch haben die meisten von ihnen keinen unmittelbaren Kontakt mit den Bürgern. So werden im Rathaus Hannovers Sportstätten und Bäder verwaltet, Wahlen vorbereitet und Statistiken erstellt, die Presse unterrichtet, aber vor allem die Übersicht bewahrt. Das repräsentative Gemäuer am Trammplatz beherbergt selbstverständlich das Büro des Oberbürgermeisters. Das steht derzeit leer, denn nach dem Umzug von Ex-OB Stephan Weil in die Staatskanzlei führt der Erste Stadtrat Hans Mönninghoff die Geschäfte, von seinem eigenen Rathausbüro aus.

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Die Arbeit in einem Baudenkmal ist Segen und Fluch zugleich. Im Sommer, wenn sich die dicken Wände aufgeheizt haben, entstehe eine regelrechte Backofenhitze in den Büros, sagt Hans-Jürgen Jeroschewski, Chef des städtischen Personalrats. „Auch klagen Kollegen immer wieder über Zugluft und undichte Fenster, durch die der Regen tropft“, erzählt er. Mehr als 215 000 Euro gibt die Stadt pro Jahr aus, um das Rathaus mit Fernwärme zu beheizen. In Sachen Wärmedämmung und Energiesparen ist das Rathaus im 21. Jahrhundert längst nicht angekommen. 

Doch Schritt für Schritt will man aufholen. Mit Millionenaufwand hat die Stadt erst kürzlich den gesamten Dachboden gedämmt und zwölf Rauchschutztüren eingesetzt. „Die wirken auch gegen die Zugluft“, sagt Jeroschewski. Im Herbst beginnt die Stadt damit, sämtliche Fenster im Westen des Gebäudes durch besser isolierte Scheiben zu ersetzen. Danach sind die Fenster im Süden und Osten an der Reihe. „Wir tauschen die Fenster im laufenden Betrieb aus. Dazu werden die jeweiligen Büros für vier bis fünf Wochen geräumt“, erklärt Tamara Dietrich, Chefin der Hausverwaltung. Die Mitarbeiter müssen dann kurzfristig in andere Büros einquartiert werden, obwohl das Haus mit seinen 294 Büroräumen eigentlich ausgebucht ist. Im Gegensatz zu einem Neubau müssen alle Veränderungen im Rathaus mit dem Denkmalschutz abgesprochen werden. Das reicht von der Farbe der neuen Fensterrahmen bis hin zum Polster der Stühle im Ratssaal. Selbst bei der Erneuerung des Fahrstuhls im Westen des Hauses wollen Denkmalschützer ein Wörtchen mitreden. „Eine Kabine mit zu viel Chrom und Stahl ist nicht erlaubt“, sagt Dietrich.

Die großen Sanierungsvorhaben sind das eine, die ständigen Reparaturen das andere. Jeden Tag, so berichtet Personalchef Härke, seien Maler damit beschäftigt, Fußabdrücke an Wänden zu übertünchen. Das sei der Preis für ein offenes Rathaus. Und immer falle irgendeine Reparatur an: eine Klinke, die wackelt, ein Schloss, das klemmt, ein Linoleumboden, der Risse bildet. Daher unterhält die Stadt im Keller des Rathauses eigene Werkstätten, darunter eine Tischlerei und eine Schlosserei. „Und die Kollegen dort sind nicht unterbeschäftigt“, sagt Härke. Nur Großaufträge vergebe man an externe Firmen.

Trotz aller Widrigkeiten, trotz Zugluft, Hitze und alter Bausubstanz, sind die meisten Rathausbeschäftigten stolz auf ihren Arbeitsplatz. „Ich habe schon all meine Freunde und Verwandten durchs Gebäude geführt“, sagt Hausverwaltungschefin Dietrich. Sie kenne niemanden, dessen Schreibtisch nicht zugleich eine touristische Attraktion ist. „Die Leute werden richtig neidisch, wenn ich ihnen zeige, wo ich jeden Tag arbeite“, sagt auch Personalvertreter Jeroschewski. Da stören auch die vielen Touristen nicht, die jeden Tag durch die Eingangshalle spazieren, im Gegenteil. „Wenn sich ein Chor auf der großen Treppe im Foyer aufstellt und ein Lied anstimmt, verlassen manche Mitarbeiter ihr Büro und hören einen Augenblick zu“, erzählt Jeroschewski.

Auf diese Weise haben Rathausmitarbeiter und Touristen dann doch mitein­ander zu tun, und letztlich zeigt sich, dass das Rathaus mehr ist als ein Arbeitsplatz oder eine Sehenswürdigkeit: eine Begegnungsstätte der Bürger.

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Der Gartensaal

Das Restaurant Gartensaal hat die schönste Außenterrasse der Stadt. Auf der Südseite des Gebäudes gelegen genießen die Gäste einen Blick ins Idyll des Maschparks. Früher beherbergte der Saal die Stadtkasse, später wurde der Raum als Lager genutzt. Erst zur Expo 2000 kam der Umbruch. Der Gartensaal wurde ausgebaut und in ein Restaurant verwandelt, in dem bis zu 350 Gäste essen können. Bei einem guten Glas Wein lässt sich dann folgende, angeblich wahre Geschichte erzählen: Am Ende des Zweiten Weltkriegs bewahrte ein Pförtner das Rathaus vor dem Untergang. Mehrere stramme Nationalsozialisten trugen kurz vor dem Sieg der Alliierten eine Kiste Dynamit ins Rathaus und waren wild entschlossen, das Gebäude zu sprengen. Der Pförtner beruhigte die Gemüter und lud alle ein, zunächst den hervorragenden Wein im Keller zu kosten. Wäre doch zu schade, ihn explodieren zu lassen. Die Soldaten stimmten zu, und als sich alle zur Weinprobe versammelt hatten, verließ der Pförtner unter einem Vorwand den Keller, warf die Tür zu und drehte den Schlüssel um. asl

Der Hodlersaal

Er gilt als der schönste Saal des Rathauses mit seinen Holztischen, dem Glasdach und vor allem dem 15 Meter breiten Gemälde „Einmütigkeit“ von Ferdinand Hodler. Es stellt die überwältigende Zustimmung zur Reformation dar. Im Hodlersaal tagen Ausschüsse des Rates, die die Entscheidungen der Ratsversammlung vorbereiten. Das war nicht immer so. In den sechziger und siebziger Jahren war der Saal eine Rumpelkammer. Oberstadtdirektor Martin Neuffer wollte den Raum immer renovieren lassen, doch in der Stadtkasse fehlte das Geld. 1979 schrieb der damalige OB Herbert Schmalstieg einen Brief an die Fraktionschefs im Rat. So könne es mit dem Hodlersaal nicht weitergehen! Tatsächlich genehmigte der Rat anschließend das Geld für die Bauarbeiten. asl

Die Eingangshalle

Auf Ameisengröße scheinen Besucher zu schrumpfen, wenn sie die riesige Eingangshalle des Rathauses betreten. Angesichts der beeindruckenden Pracht mit Verzierungen, Fresken und Figuren bleiben nicht wenige Touristen staunend stehen. Mehr als 30 Meter misst die Halle in der Höhe. Wer nach oben schaut, blickt aber nicht direkt ins Gewölbe der Rathauskuppel. Kaum einer weiß, dass dort oben ein Zwischenboden eingezogen wurde, sodass unterhalb der Kuppel ein Raum entstand. Dieser wurde in früheren Zeiten als Festsaal genutzt, heute steht er leer. In luftiger Höhe hängt unterhalb der Kuppel ein Leuchter. Wenn eine Glühlampe defekt ist, kann der Leuchter mit einer Kurbel heruntergelassen werden. Hausmeister Michael Hoburg muss also nicht eine meterhohe Leiter aufbauen.

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Das Büro des Chefs

Wer das Chefbüro betreten will, muss erst an Herbert Schmalstieg vorbei. Das Porträt des langjährigen OB hängt seit kurzer Zeit gleich neben der Tür. Das Bürozimmer selbst ist sehr geräumig, einen Blickfang bildet der schwere Holzschreibtisch, an dem bereits Stadtdirektor Heinrich Tramm gearbeitet hatte. Schmalstiegs Nachfolger Stephan Weil, inzwischen niedersächsischer Ministerpräsident, stöberte das gute Stück auf einem Dachboden des Rathauses auf. Leer und verlassen wirkt das Zimmer. Auch am Konferenztisch, an dem Berühmtheiten wie Anna Netrebko und Helmut Schmidt saßen, hat schon seit vielen Wochen niemand mehr Platz genommen. Das Büro ist verwaist, weil Hannover derzeit keinen Oberbürgermeister hat. Weil wechselte Anfang Februar in die Staatskanzlei, ihr nächstes Stadtoberhaupt wählen die Hannoveraner am 22. September.

Der Ratssaal

Während Schmuckstücke wie Hodlersaal und Mosaiksaal den Charme alter Zeiten bewahrt haben, dominiert im Ratssaal die Ästhetik der fünfziger Jahre. Das sieht man vor allem an den Stühlen mit ihren gelb-orangen Polstern, die sich in einem Oval durch den Raum ziehen. In der Mitte zeigt ein Marmormosaik die Stadtkarte Hannovers.

64 Volksvertreter plus Oberbürgermeister haben eine Stimme im Rat, dem höchsten Gremium der Stadt Hannover. Während der Ratsvorsitzende Bernd Strauch heutzutage nur selten die Kommunalpolitiker zur Ordnung rufen muss, ging es früher hoch her im Saal. Es durfte noch getrunken werden während der Sitzungen, zum Teil fand sich Hochprozentiges in den Gläsern, was nicht selten die Stimmung überkochen ließ. Manches Mal, so erinnert sich Alt-OB Herbert Schmalstieg, habe er die Polizei rufen müssen. Doch oft reichte es aus, dass er in ein Megafon donnerte, das noch immer in einer Ecke des Saals hängt. asl

Der Mosaiksaal

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Der Mosaiksaal ist am schönsten, wenn er leer ist und keine Stühle den Blick aufs Parkett verstellen. Dann er ist mit seinen namensgebenden Mosaiken einer der repräsentativsten Räume des Rathauses. Zur Expo gaben sich hier Staatsoberhäupter die Klinke in die Hand. Nur der spanische König Juan Carlos wollte nicht zum Händeschütteln in den Mosaiksaal. Seine Sicherheitsexperten hatten angesichts der langen Fensterfront Bedenken. Im Alltagsgeschäft tagen in dem Saal Ratsgremien, und die Dezernenten setzen sich hier zusammen. Aber auch heutzutage finden im Mosaiksaal Empfänge statt, zuletzt feierte hier Ex-OB Herbert Schmalstieg seinen 70. Geburtstag.

Die Werkstätten

In einem historischen Gebäude wie dem Rathaus fällt im Grunde jeden Tag eine Reparatur an. Bei rund 700 Räumen, 26 Balkonen, 750 Fenstern und 52 Toiletten kein Wunder. Daher unterhält die Stadt im Keller des Rathauses zwei gut ausgestattete Werkstätten, eine Tischlerei und eine Schlosserei. „Alles, was mit Metall zu tun hat, repariere ich“, sagt Schlosser Nikolaus Nalmpantis (Bild). Seit 13 Jahren arbeitet er nun schon in den Katakomben des Rathauses. Allerdings vergibt die Stadt Großaufträge an externe Firmen, etwa wenn es um die Herstellung einer neuen Treppe geht. Dennoch hat sich Nalmpantis mit einem eigenen Werk im Rathaus verewigt. Zusammen mit seinem Tischlerkollegen hat er die Weihnachtskrippe gebaut, die jedes Jahr im Advent neben dem Pförtnerhäuschen im Foyer aufgebaut wird. „Die Figuren haben wir nach Feierabend gebaut“, sagt Nalmpantis.

Der Balkon

Auf dem Balkon des Rathauses stehen, den begeisterten Massen auf dem Trammplatz unten zuwinken, solche Momente waren in der Geschichte des Rathauses selten. Viele werden sich noch an die Spieler von Hannover 96 erinnern, die 1992 in Mannschaftsstärke auf dem Balkon standen und den DFB-Pokal in die Höhe reckten. Und dann gibt es da noch den Staatspräsidenten der Mongolei, der zu Expo-Zeiten auf den Balkon trat und von Zehntausenden frenetisch gefeiert wurde. Der damalige OB Herbert Schmalstieg empfing den honorigen Gast just am Himmelfahrtstag, als auf dem Trammplatz das Jazz-Festival tobte. Organisator Mike Gehrke stoppte auf Schmalstiegs Geheiß das Musikprogramm für einen Moment und wies die Zuhörer per Mikrofon auf den Staatsgast auf dem Balkon hin. „Der Präsident hatte den Eindruck, dass all die Menschen seinetwegen zum Rathaus gekommen waren“, erinnert sich Schmalstieg.

Die Ratsstube

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Dunkle, ehrfurchtgebietende Bücherregale türmen sich an der Wand der Ratsstube. Die Klassiker in edlen Ausgaben sind hier versammelt, Goethe und Wieland. Die Wände sind mit Holz vertäfelt, ein langer Konferenztisch dominiert den Raum, für den der Begriff "Stube" eigentlich nicht angemessen ist. Hier werden Journalisten die bedeutendsten Vorhaben der Stadtverwaltung verkündet. Meist betritt der Oberbürgermeister die Ratsstube durch eine gedämmte Doppeltür zwischen den Bücherregalen – ein direkter Zugang zum benachbarten OB-Büro. Falls er sich vom Volk feiern lassen will, kann er sogleich abbiegen und von der Ratsstube auf den Jubelbalkon hinaustreten.
In den siebziger Jahren schenkte der Staatschef des afrikanischen Landes Malawi Hannover ein Zebrafell. Man dachte nicht weiter nach und nagelte das Schmuckstück an die Wand der Ratsstube. Als der Raum Mitte der Neunziger renoviert werden sollte und das Fell abgenommen wurde, staunten die Rathausmitarbeiter nicht schlecht. Ein Abdruck hatte sich auf der Wand gebildet. asl 

HAZ

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