Alternative Bestattungsformen: Gibt es eine Trendwende in Deutschland?
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Wald statt Friedhof: Bestattungen im Friedhorst werden immer beliebter – aber es gibt noch weitere Alternativen und Veränderungen in der Bestattungswelt.
© Quelle: DPA7Robert Michael
Düsseldorf. Elke Herrnberger (57) ist Sprecherin des Deutschen Bestatterverbandes. Im Interview spricht sie über alternative Bestattungsformen und den Gesellschaftswandel, der auch die Bestattungswelt verändert.
Frau Herrnberger, gibt es eine Trendwende in der deutschen Bestattungskultur?
Erstmal müssen wir festhalten: Waren vor 20 Jahren noch der Großteil Erdbestattungen, sind es heute 73 bis 99 Prozent Feuerbestattungen je nach Region. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten - und diese verändern die Bestattungskultur.
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Elke Herrnberger, Pressesprecherin Deutscher Bestatterverband
© Quelle: Bundesverband Deutscher Bestatter e.V.
Sie meinen mit neuen Möglichkeiten Baumbestattungen und Seebestattungen?
Genau. Es gibt aber auch Ballon-Bestattungen, Weltraum-Bestattungen, das Pressen der Asche in einen Diamanten und und und – nur in Deutschland ist das alles nicht erlaubt.
Warum eigentlich nicht?
Weil wir eine Friedhofspflicht haben. Das Bestattungswesen in Deutschland wird durch das Bestattungsgesetz geregelt und die Friedhofspflicht ist eine der tragenden Säulen dieser Ordnung. Aber jedes Bundesland hat nochmals ein eigenes Gesetz - und jeder Friedhof seine eigene Satzung. Das grenzt die Freiheit der Alternativen natürlich ein. Was aber auch sein Gutes hat.
Was ist der Vorteil?
Die Bestattungsgesetze sichern auch den würdevollen Umgang mit den Verstorbenen, wo, wie und von wem ein Mensch bestattet und beigesetzt wird. Die meisten Bestattungsinstitute in Deutschland sind Familienunternehmen, die ihr Handwerk beherrschen. In anderen Ländern teilen sich den Markt ein paar große Player, individuelle Betreuung gibt es da nicht mehr. Und die ist bei Todesfällen doch so wichtig. Auch in Deutschland entdecken Investoren mittlerweile die Branche für sich, das bereitet mir Sorge.
Der Todeskult ferner Länder
Mexiko: Das südamerikanische Land ist bekannt für seinen „Dias de Muertos“, der Tag der Toten – einer der wichtigsten Feiertage der Mexikaner. Sie glauben daran, dass ihre Seelen vom 31. Oktober bis zum 2. November zu ihren Familien zurückkehren. Ihnen zu Ehren wird ein Fest errichtet: Die Angehörigen schmücken die Straßen mit bunten Blumen, stellen Todessymbole wie Schädel und persönliche Erinnerungen auf Altären und schminken sich selber Totenmasken – die es inzwischen zum internationalen Halloween-Kult geschafft haben. Afrika: Eine afrikanische Tradition ist es, eine neuntägige Totenwache zu halten. Diese Zeit braucht dem Glauben nach der Geist, um den Körper des Verstorbenen zu verlassen – ansonsten könnte er auch noch nach dem Tod rumspuken. In dieser Zeit bekommen die wachehaltenden Angehörigen Besuch von Freunden und Verwandten, sie trauern gemeinsam. In der neunten Nacht – aber erst ab Mitternacht – gibt es ein großes Fest mit Essen, Tanz und Gesang. Das Leben des Verstorbenen wird zelebriert. Die Jamaikaner haben diese Tradition übernommen, sie nennen das Ritual „Nine-Night“. Indien: Der hinduistische Glauben besagt, dass die Seele durch das Waschen des Körpers gereinigt wird – und damit auf die Reise ins Jenseits vorbereitet ist. Der Schädel des Leichnams wird zerschlagen, damit sich die Seele entfalten kann. Die eigentliche Beisetzung erfolgt durch das Verbrennen des Leichnams auf einem Scheiterhaufen, der an einem öffentlichen Platz steht. Bevor das Feuer mit einer heiligen Feuerquelle aus einem Tempels entfacht wird, umranden die Angehörigen den toten Körper fünf Mal – für jedes Element eine Runde. Drei Tage später verstreuen sie die Asche im Ganges oder anderen heiligen Gewässern. Indonesien: Eine Trauerfeier kann hier zwei Jahre lang dauern. Der Verstorbene wird einbalsamiert und konserviert, im Haus aufgebahrt und wie ein Schlafender behandelt. Ist dann die Zeit der eigentlichen Beisetzung gekommen, werden Wasserbüffel geopfert, sie stehen in dieser Kultur für Macht und Reichtum. Je höher das Ansehen des Verstorbenen, desto mehr Büffel und desto größer die Feier – die Tage andauern kann. Dabei wird der Tod als Höhepunkt des Lebens betrachtet und in ausgelassener Stimmung zelebriert, inklusive Gejubel und Gelächter. Auch Touristen können der Zeremonie beiwohnen – wenn sie Geschenke mitbringen. In das Grab – meist in einer Höhle oder hängend an einer Felswand – kommen Köstlichkeiten und Habseligkeiten, die der Verstorbene dem Glauben nach mit ins Jenseits nehmen kann. Einmal im Jahr werden die Toten exhumiert, neu bekleidet und durch das Dorf geführt.
Was verändert sich dadurch?
Bestattungen werden online gebucht und der Bestatter führt am Ende nur noch aus. Dabei sind Bestatter mehr als die Personen, die Verstorbene beisetzen. Sie sind in Trauerpsychologie ausgebildet und eine wichtige Stütze für die Angehörigen in einer so schwierigen Zeit - und können dafür sorgen, den Abschied individuell und persönlich zu machen. Vermutlich üben deshalb immer mehr Frauen den Beruf aus.
Tod aus der dunklen Ecke holen
Es gibt einen Geschlechterwandel in dem Berufsbild?
Unter den Auszubildenden zählen wir mittlerweile 53 Prozent Frauen, das sah vor zehn Jahren noch ganz anders aus. Der Beruf bedeutet sehr viel Kommunikation, Feingefühl und Empathie, aber auch die ästhetische Ausgestaltung von Feiern mit Deko, Blumen und Kerzen. Auch die weibliche Sicht verändert die Bestattungskultur. Das begrüßen wir.
Sie sind also offen für Veränderungen?
Ja - solange die Würde des Menschen weiter geschützt wird. Aber wir bemühen uns, den Tod aus der dunklen Ecke rauszuholen und zum gesellschaftlichen Thema zu machen. In Deutschland tun wir uns damit schwer. Was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass Trauerfeiern lange mit hochgeistlichen, elaborierten Reden abgehalten wurden - distanziert und weit weg von der Realität und Moderne. Heute gibt es viele Trauerredner, sowohl konfessionelle als auch freie, die sehr persönliche Reden abhalten. Das macht alles nahbarer. Auch die Friedhöfe haben verstanden, dass sie sich öffnen müssen.
Kolumbarien werden immer beliebter
Wie verändern sich die Friedhöfe?
Es gibt inzwischen sogar Themenfriedhöfe. In Hamburg zum Beispiel den HSV-Friedhof. Oder Gemeinschaftsgräber für Mensch und Tier. Ein tolles Beispiel ist der Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf - da gibt es alles. Aber auch Kolumbarien werden immer beliebter.
Das sind quasi Regale, in deren Fächer Urnen stehen, richtig?
Richtig, abgeleitet vom Wort Taubenschlag. Es gibt sie mittlerweile sogar angegliedert an Bestattungsinstitute - wo sich Angehörige sogar auf einen Kaffee treffen und über ihre geliebten Verstorbenen reden können.
Warum erfreuen sich Kolumbarien steigender Beliebtheit?
Sie sind pflegefrei. Viele Menschen leben mittlerweile nicht mehr auf dem Land bei ihren Familien, sondern in Städten, wo sie arbeiten. Stirbt ein Angehöriger in der Heimat, ist es schwer, das Grab zu pflegen. Ein Kolumbarium oder etwa Gemeinschaftspflegeanlagen bieten eine pflegeleichte Alternative - und spiegeln den Wandel unserer Gesellschaft. So wie eben auch die Bestattungskultur.
Von Josina Kelz