Landgericht Hannover

Frau auf Spielplatz getötet: Zehn Jahre Haft für Vergewaltiger

Der angeklagte Mohamad A. nimmt zum Prozessbeginn auf der Anklagebank Platz.

Der angeklagte Mohamad A. nimmt zum Prozessbeginn auf der Anklagebank Platz.

Hannover. Vor dem Schwurgericht in Hannover ist am Mittwochmorgen der 48-jährige Sudanese Mohamad A. wegen Vergewaltigung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung an der 63-jährigen Susanne M. zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Der Mann hatte am 30. Juli 2018 die Frau nahe einem Spielplatz in der Oststadt zum Sex gezwungen und erwürgt.

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DNA-Spuren am Körper der Toten hatten acht Tage nach der Tat zur Festnahme des Asylbewerbers in Helmstedt geführt. "Es kam dem Angeklagten darauf an, seinen Geschlechtstrieb zu befriedigen. Ihm war bewusst, wie gefährlich seine Handlungen sind", sagte Staatsanwalt Jan Buermann. Er hatte 13 Jahre Haft gefordert. Der Täter habe den Tod der Frau "billigend in Kauf genommen". Die Verteidigung räumte die im Rahmen des Prozesses grausame Tatbeschreibung ein und hatte unter Berücksichtigung der traumatischen Erlebnisse des Täters auf eine Freiheitsstrafe von 11 Jahren plädiert. Richter Wolfgang Rosenbusch erklärte in seinem Urteil, dass die Tat nicht vorsätzlich gewesen sei. "Wir gehen davon aus, das Sie davon ausgegangen sind, das wird schon gut gehen", so Rosenbusch zu dem Angeklagten. "Tut mir leid. Ich möchte eine Therapie machen und Deutsch lernen", sagte Mohamad A. vor der Verkündung des Strafmaßes.

In dieser Ecke zwischen Garagenrückwand und Bolzplatz starb die 63-Jährige

In dieser Ecke zwischen Garagenrückwand und Bolzplatz starb die 63-Jährige.

Im Gerichtssaal anwesend waren auch Freunde und Bekannte von Susanne M., die in einem Frauenhaus in der Oststadt lebte. Sie seien „schockiert“ gewesen, als sie durch eine Vermisstenanzeige der Polizei im Internet von dem Verschwinden erfahren haben. Anders als im Prozess von dem Täter dargestellt, sei ihre Bekannte keine Prostituierte gewesen.

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Grausiger Leichenfund

Mitarbeiter des städtischen Grünflächenamts hatten die entblößte Leiche der Frau am Tag nach der Tat am Rande eines Spiel- und Bolzplatzes an der Gartenstraße entdeckt. Der Unterkörper war nackt und aufgrund der hohen Temperaturen im Hitzesommer bereits mit Insekten besetzt. Zu Beginn des Prozessauftakts am Freitag hatte Verteidiger Clemens Anger ein Geständnis für seinen Mandanten abgegeben. A. hatte bereits in der ersten Vernehmung ausgesagt, die Frau nach einem Streit über die Bezahlung sexueller Dienstleistungen gewürgt zu haben. Diese Aussage widerrief er später mit dem Verweis auf Übersetzungsfehler, offenbar aus Selbstschutz wie im Prozess deutlich wurde. Susanne M. habe bei der Tat „erhebliche Qualen“ leiden müssen, sagte Buermann.

Wie das spätere Opfer der Obdachlosen- und Trinkerszene um den Raschplatz und Weißekreuzplatz angehörig, hätte er die Frau schon länger gekannt und, nach eigenen Angaben, regelmäßig gegen Bezahlung Sex mit ihr gehabt. Zur Tat sei es gekommen, nachdem er versucht hatte an dem ehemaligen Obdachlosen-Schlafplatz in der Oststadt mit der Frau zu schlafen. Als es dazu nicht kam, habe er zuvor gezahlte 30 Euro zurückgefordert. Weil die Frau die Polizei rufen wollte, begann er ihr laut Aussage bei der Untersuchungsrichterin, seine rechte Hand auf Mund, Kinn und Hals zu pressen. Das Opfer hätte noch gezuckt, als er den Tatort verlassen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er stark unter dem Einfluss von Alkohol, Heroin und Kokain gestanden, sagte er der Richterin. Er habe die Frau nicht ermorden wollen.

Traumatisierter Straftäter

In seinem rechts-medizinischen Gutachten skizzierte der Psychiater Ulrich Diekmann die Vorgeschichte des Angeklagten, der die Verhandlung trotz kaum vorhandener Deutschkenntnisse aufmerksam und ruhig verfolgte. Aufgewachsen im Sudan, habe er nie eine Schule besucht. Weil die Eltern verschiedenen Volksstämmen angehörten, sei es früh zu einer Trennung gekommen. In der Folge lebte er bei der Mutter in einem Flüchtlingslager. Vier seiner Brüder seien durch Reiternomaden während eines Bürgerkriegs getötet worden. Als Jugendlicher habe er sich durch Hilfsarbeiten als Wasserträger von Karawanen oder Schäfer durchgeschlagen.

2014 gelangte A. über Italien nach Deutschland. Nach der Verhaftung stellte sich heraus, das er hier über mehrere Ausweispapiere verfügte und mit mindestens fünf verschiedenen Identitäten auftrat. In Hannover war er zwischen 2016 und 2018 mehrfach straffällig geworden. Marihuanabesitz, der Diebstahl des Smartphones eines anderen Obdachlosen und zwei Fälle von sexueller Belästigung gegenüber Frauen in Hannover wurden alle mit Bewährungsstrafen geahndet. Die Staatsanwaltschaften in Hannover und Braunschweig suchten 2018 nach dem Mann.

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Gutachter bezweifelt Drogensucht

Nach Bewertung Diekmanns leide A. unter einer ausgeprägten Alkoholsucht. Dies und die traumatische Vorgeschichte führte Verteidiger Clemens Anger als strafmildernde Gründe an. Die von A. nach der Tat gemachten Angaben zum Missbrauch von Heroin und Kokain, konnte der Gutachter dagegen nicht bestätigen. „Ich habe daran erhebliche Zweifel am Konsum harter Drogen. Es gibt keinen Nachweis darüber“, sagte er. Auch eine Psychose schloss er aus. Die Mitarbeiterin eines sozialpsychiatrischen Frauen-Wohnheims in der Gartenstraße bezweifelte im Prozess wie ihre anwesenden Freunde, dass das Opfer sich jemals freiwillig prostituiert habe. Die klein gebaute und gesundheitlich stark angeschlagene Frau sei eine ruhige Einzelgängerin gewesen, liebenswürdig, freiheitsliebend und sehr gutgläubig.

Sie litt unter einer chronischen Lungenkrankheit, die nach Einschätzung eines Rechtsmediziners allerdings nicht als ursächlich für den Tod anzusehen sei. Den Täter beschrieb ein Sicherheitsmann dagegen als aggressiv und schwierig im Umgang. „Er war dafür bekannt, dass er Ärger macht“, so der Mann.

Von Mario Moers

HAZ

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