Grausame Szenen im Todeskampf
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Angeklagt wegen Mordes: Björn F.
© Quelle: NP
Barsinghausen-Langreder. Was die Zuschauer gestern Nachmittag im Raum 1 H 1 des hannoverschen Landgerichts zu hören bekamen, war so entsetzlich, dass etliche von ihnen nach wenigen Augenblicken den Saal verließen. Zu hören war das Sterben eines Menschen, 21 Minuten lang. Zu hören war der Todeskampf einer 23-jährigen Frau, die von ihrem Freund totgeschlagen wird. Für die fünf Richter, mehrere Rechtsanwälte, Gutachter und die Staatsanwältin blieb es nicht beim Hören: Sie mussten sich die Bilder anschauen, die zum Wimmern, Stöhnen und gurgelnden Atmen gehörten. Sie mussten mitansehen, was der wegen Mordes angeklagte Björn F. aus Barsinghausen-Langreder mit einer Videokamera Ende September 2013 aufgenommen hatte und was nun von einem auf dem Richtertisch stehenden Laptop abgespielt wurde. Der dritte Verhandlungstag dieses aufwühlenden Schwurgerichtsprozesses war bislang der erschütterndste.
Gewöhnlich entspringen nervenzehrende Szenen mit gefolterten Frauen der Fantasie skandinavischer oder amerikanischer Krimiautoren, deren Romane dann auch noch fürs Kino verfilmt werden. Doch die gestern im Landgericht gezeigten Aufnahmen waren echt. Insgesamt sechs Stunden lang soll der 33-jährige Angeklagte die nackte, gefesselte Frau mit Fausthieben, Stockschlägen und Tritten traktiert haben. Allein in den gut 20 Minuten des gezeigten Videos waren Hunderte von Schlägen zu vernehmen, garniert mit weiteren Misshandlungen und vulgären Beschimpfungen, gespickt mit hasserfüllten Sätzen wie „Ich töte dein Leben“ oder einem zynischen „Baby, I love you“. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Wolfgang Rosenbusch, wie lange das Opfer bei Bewusstsein war, sagte ein Rechtsmediziner: „Sie hat noch viel mitgekriegt.“ Erst gegen Ende ihres Martyriums sei die 23-Jährige, die nach einer abgebrochenen Erzieherinnenausbildung als Prostituierte gearbeitet hatte, „bewusstseinsgetrübt“ gewesen.
Auch etliche lang gediente Juristen im Saal waren sichtlich mitgenommen von dem Video. Sie sagten, dass sie so etwas noch nie gesehen hätten. Und Björn F.? Saß ganz weit vornübergebeugt auf der Anklagebank, so tief, dass er hinter der Balustrade verschwand. Sollte er doch so etwas wie Scham verspürt haben?
Am Vormittag hatte eine Frau ausgesagt, die um 2005 herum eine zweijährige Beziehung mit F. führte. Ebenso wie andere Zeuginnen berichtete sie von Kontrollwahn und Eifersuchtsanfällen des Angeklagten, von Prügelattacken und Psychoterror. Auch die 32-Jährige wollte er damals zur Prostitution zwingen, doch sie konnte sich ihm entziehen. Die Angst vor F. stand ihr gestern noch ins Gesicht geschrieben. Wenn dem Mann nicht eine lange Haftstrafe drohen würde, hätte sie ebenso wie etliche andere Frauen wahrscheinlich nicht ausgesagt.
HAZ