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Wie DJs Klubs zum Tanzen bringen

Gut aufgelegt

Dance-Liebhaber mit Ambitionen: DJ Territo legt in vielen Klubs auf – bis vor Kurzem auch im Studio 6 am Raschplatz. „Wenn alle die Arme hochreißen, ist das für mich das Geilste“, sagt der 27-Jährige aus Peine.

Dance-Liebhaber mit Ambitionen: DJ Territo legt in vielen Klubs auf – bis vor Kurzem auch im Studio 6 am Raschplatz. „Wenn alle die Arme hochreißen, ist das für mich das Geilste“, sagt der 27-Jährige aus Peine.

Ein Hauch von Ibiza

21.50 Uhr: Während sich im Hauptbahnhof Jugendliche auf dem Weg zur Party sammeln, summt unten auf dem Mainfloor des Studio 6 nur die Lüftung, als DJ Territo sein Reich betritt. Seit zwei Jahren ist der 27-Jährige DJ am Raschplatz. Dance-Musik war schon immer seine Leidenschaft, den DJ-Namen hat er sich bereits als Zwölfjähriger ausgedacht. Die Klubs buchen Territo, weil er gut abliefert – "Mainstream, House, Black Music, Charts" gibt er auf seiner Homepage als Musikrichtungen an. Er versteht sich selbst als Künstler und Dienstleister. Engagiert, um das Publikum gut zu unterhalten. Auch unter der Woche investiert er neben seinem Job als Elektroniker viel Zeit in die Musik. Dann stöbert er im Internet nach neuem Material und probt zu Hause Übergänge und neue Sets. "Das hauptberuflich zu machen wäre natürlich ein Traum", sagt er.

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23.05 Uhr: Die ersten Gäste betreten den Klub. Das Motto heute ist "Würfelabend": Den Eintritt erwürfelt man sich, Mixgetränke kosten nur den halben Preis. Eine kleine Gruppe Teenager beginnt zögerlich und etwas ungeschickt zu tanzen. Die Bewegungen haben sie sich offensichtlich aus Musikvideos abgeguckt. Territo bläst Nebel auf den Dancefloor. Er spielt "Don't Stop the Party" von den Black Eyed Peas, dann eine härtere Dance-Nummer. Das Publikum auf der Tanzfläche zieht sich an die Bar zurück. Territo reagiert schnell, leitet zu "Turn this Club Around" von R.I.O. über. Das kennen sie, der Dancefloor füllt sich wieder. In jahrelanger Arbeit hat Territo seine Songs auf der Festplatte sortiert. Die Schallplatten aus der Anfangszeit hat er digitalisiert und verkauft. Gelernt habe er damals natürlich noch an Plattenspielern, sagt er. Das Wichtigste sei für ihn, dass die Übergänge nahtlos klappen. Wie viele DJs hat er viel Geld in einen digitalen Mixer investiert. Er wählt die Lieder am PC aus, steuert Übergänge und Effekte dann mit der Hand am Mixer.

23.43 Uhr: Auf der Tanzfläche bilden ein paar Mädchen einen Kreis und tanzen um einen Haufen Handtaschen, sie an der Garderobe abzugeben ist keine Option. Und die engen, sexy Outfits haben keine Hosentaschen. Territo probiert einen Mash-up-Song, den er die Woche in einem Webshop entdeckt hat: "Blurred Animals" – ein Mix der beiden Sommerhits "Blurred Lines" von Robin Thicke und "Animals" von Martin Garrix. Mash­ups und Remixe sind Territos Stärke. "Come with Me" von Special D war seine erste Platte – ein echter Autoskooterkracher. Der Song basiert auf Nenas "Nur geträumt" – nur dreimal so schnell und mit einem Dancefloor-Beat versehen. David Guetta und Avicii sind Territos Vorbilder, die Könige der Club- und Dance-Charts.

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0.36 Uhr: Es ist und bleibt ziemlich leer im Klub. Territo leitet mit "Thrift Shop" von Macklemore zu den Hits über. Die seien gerade an Abenden wie heute wichtig, an denen es schwer ist, die wenigen Leute bei Laune zu halten. Der Song funktioniert. Die Mädchen wackeln mit den Hüften, und die Typen rücken vom Rande der Tanzfläche näher an sie heran. Territo macht ihnen mit Jason Derulos "Talk Dirty" Mut weiterzugehen. Zwei Mädchen tanzen an einer Stange. Territo wechselt zu Sean Paul und Usher. "Wenn alle feiern, mitsingen und die Hände nach oben reißen, das ist für mich das Geilste als DJ", sagt Territo.

1.24 Uhr: Es ist einfach nichts los heute Abend im Studio 6. Doch auch solche Abende gehören für den DJ dazu. Im Nachbarraum macht DJ Mike das Licht an und die Musik aus. Es lohnt sich nicht, für die wenigen Gästen beide Räume zu unterhalten. Territo freut sich über das zusätzliche Publikum, DJ Mike hat früher Feierabend.

3 Uhr: Im Laufe der Nacht folgen nach und nach noch mehr Gäste, doch so richtig eng wird es nicht mehr. Um 5 Uhr ist Schluss. Ein paar Wochen später wird das Studio 6 geschlossen. Für Territo geht's weiter. Die Referenzliste mit Klubs, in denen er aufgelegt hat, ist seitenlang. Seit drei Jahren legt er jeden Sommer eine Woche lang im Klub Punta Arabi auf Ibiza auf und bastelt im Studio an einer eigenen Single. Sich als Dance-DJ einen Namen zu machen, das ist sein Ziel. Irgendwann möchte er auf dem "Tomorrowland"-Festival in Belgien auflegen, dem Olymp der Dance-Musik. Jetzt geht es erst mal zurück nach Peine. Dann wird er in Ruhe frühstücken und ins Bett gehen. Vielleicht träumt er dann von Ibiza – da ist sicher auch mehr los.

Seit 20 Jahren eine Institution: DJ Stefan legt seit 1993 jeden Monat bei „Faust Gold“ in der 60er-Jahre-Halle auf. Einiger der Hits, die dort besonders gut funktionieren, sind sogar noch etwas älter.

Seit 20 Jahren eine Institution: DJ Stefan legt seit 1993 jeden Monat bei „Faust Gold“ in der 60er-Jahre-Halle auf. Einiger der Hits, die dort besonders gut funktionieren, sind sogar noch etwas älter.

Klassiker mit Tanzgarantie

21.45 Uhr: Der Hof vor der 60er-Jahre-Halle auf dem Faust-Gelände ist menschenleer. In ein paar Stunden sollen hier Hunderte Menschen feiern. Hinter einer dicken Stahltür, im Inneren der ehemaligen Fabrik, wird die Partynacht vorbereitet. DJ Stefan testet das Mischpult. "Als ich hier angefangen hab', da stand ein wackliger Tisch mit zwei Plattenspielern mitten auf der Tanzfläche. Wenn's geruckelt hat, war die Musik weg", erinnert er sich. Jeden letzten Sonnabend im Monat legt er hier bei "Faust Gold" auf – seit 20 Jahren. Stefan, heute 51 Jahre alt, legt seit den frühen Achtzigern auf – damals noch in der "Röhre" und dem Nachfolger "Eternity" in der Odeonstraße, im "Backstage" im Capitol und dem "Zombies" in Wennigsen. Meistens unter dem simplen Titel "Party mit Stefan".

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23 Uhr: "Stefan, mach mal die Mucke an, die Gäste stehen hier Schlange", ruft einer der Angestellten zum DJ-Pult. Nebenan fand ein Konzert statt, die Besucher wollen jetzt weiterfeiern. Das Licht geht aus, und Stefan fährt die erste CD ab: "Willst du mit mir Drogen nehmen" von Alligathoa. "Wenn ich das später spiele, singen die alle mit", sagt er. Als Rock-DJ ist seine Ausrüstung  übersichtlich, sein Aufgabenfeld einfach: Song aussuchen, abspielen, nächster Song. Kopfhörer, Laptop und zwei Koffer voller CDs hat er dabei, viele davon selbst gebrannt. Auf den Hüllen steht dann etwa "Faust Mix – Funk" oder "Faust Party 2001".

Die ersten Gäste stehen noch in den Ecken. Vor halb eins komme ja heute kaum einer, sagt Stefan. „Ich erinnere mich an die Nächte im Gun Club am Steintor. Die haben erst um drei aufgemacht. Dann sind da regelmäßig Zuhälter und Rocker gekommen und haben den Laden aufgemischt. Die wollten nicht, dass die Kids da sind und dann ihre Väter treffen.“

0.06 Uhr: Langsam füllt sich die Halle. Zum Grunge-Hit "Cats in the Cradle" von Ugly Kid Joe schwoft ein Mädchen alleine. Als das Intro zum One-Hit-Wonder "Lemontree" von Fools Garden folgt, stürmt eine Gruppe Mädchen kreischend die Tanzfläche. Eine Stunde später ist der Laden voll. Das Publikum setzt sich zusammen aus Schülern, Studenten und ein paar alten Hasen. Das musikalische Programm erinnert an Radio 21, gepaart mit ein bisschen Indie-Festivalsommer.

0.50 Uhr: Die Halle tanzt nun eng an eng. Ab und zu packt auch mal wer die Luftgitarre aus. Zwischen den Hits der letzten 50 Jahre streut Stefan immer auch ganz neue Stücke ein. "Milky Chance, das ist so ein Songwriter aus Kassel, der kommt gerade groß raus", sagt er und spielt die Single "Stolen Dance". Einige Besucher singen euphorisch mit. Stefans Trefferquote ist hoch. Zur Belohnung holt sich der DJ schnell ein Bier.

2.30 Uhr: Vor der Tür tummeln sich noch einmal so viele Gäste wie in der proppenvollen Halle: Raucher, Pizzahungrige und Sparsame, die warten, bis um vier Uhr die Kasse schließt. Den Eintritt regeln zwei Freundinnen von Stefan. Dass DJ Stefan über all die Jahre so beliebt sei, das habe viel damit zu tun, dass er für das Publikum auflege, sagen sie. Andere DJs hassen es, wenn ihr ausgewähltes Programm durch Songwünsche infrage gestellt wird. Stefan ist dankbar für die Anregung. "Solange es ins Programm passt, spiele ich das gerne", sagt er. Hinten bei seinen CDs hat er einen ganzen Stapel Wunschzettel aufgehoben. "Wenn ich doch mal ins Stocken komme, gucke ich da einfach mal drauf", erklärt er. Darauf stehen viele Klassiker wie Die Ärzte oder System Of A Down. Die stehen auch heute wieder hoch im Kurs – genau wie jüngere Hits von Mumford and Sons, Macklemore, Seeed und den Killers.

3 Uhr: Star-Sichtung. Man munkelt, Casper sei auch auf der Party. "Der dort oben mit der Mütze", raunt ein Fotograf hinter Stefan und zeigt in Richtung Tresen. Der spielt gerade einen Guns-N'-Roses-Klassiker und zeigt sich erst mal unbeeindruckt. Aber natürlich freut es ihn, dass auch mal ein Star vorbeischaut. Die Party läuft, der Routinier Stefan beherrscht sein Handwerk.

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6 Uhr: Schluss. 650 Gäste waren da. Guter Durchschnitt für eine Party mit Stefan. Jetzt nach Hause. Tagsüber leitet er eine Krankenhausstation, außerdem hat er eine 16-jährige Tochter. Mit dem Alter werden die langen Nächte schon anstrengender, das merkt er. Er habe aber noch nie daran gedacht aufzuhören. Und auch nächsten Monat ist in Linden wieder "Party mit Stefan".

Von Mario Moers

HAZ

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