Unterm Strich

Engagement für Obdachlose – aber nicht aus dem Rathaus

Rinas Jutta

Rinas Jutta

Hannover. Am Ende hat dem Obdachlosen, der in Hannover am Montag einen Kältetod sterben musste, nichts geholfen. Nicht die Tatsache, dass es in seiner Nähe in der U-Bahnstation Kröpcke geschützte Schlafplätze gab. Nicht, dass ein Passant alles richtig machte, als er den Mann am „Mövenpick“ fand. Er rief den Rettungsdienst, nachdem er festgestellt hatte, dass der Mann nicht mehr ansprechbar war. Er tat, was Hilfsorganisationen empfehlen, wenn Bürger bei Minustemperaturen helfen wollen: Ansprechen, Kontakt aufnehmen, und, falls die Person nicht mehr „Herr ihrer Sinne“ ist, Polizei oder Rettungsdienst rufen.

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Für jenen Mann, den Bekannte offenbar „Tommi“ nannten, kam diese Hilfe zu spät. In Hannover soll es in diesem Winter überdies um 30 Prozent mehr Obdachlose auf der Straße geben. Das macht die Frage umso drängender: Was kann man tun? Die gute Nachricht ist: In Hannover suchen bemerkenswert viele Initiativen nach Antwort. Die Niedergerke-Stiftung, die Johann Jobst Wagenersche Stiftung, viele andere. Freiwillige sammeln Kleiderspenden, schenken Suppen aus, die Marktkirche öffnet ihre Tore. Die Armut hat zugenommen, die Hilfsbereitschaft auch. Man kennt das aus Hannover, von der Flüchtlingskrise, auch von der HAZ-Weihnachtshilfe.

Dazu macht ein neuer Hilfsansatz, „Housing first“, von sich reden. „Housing first“ bedeutet, man gibt Obdachlosen ein Dach über dem Kopf, bevor man sich um anderes kümmert. In anderen Städten ist dieser Ansatz erfolgreich. In Hannover hat die evangelische Landeskirche ihm folgend ein Mini-Modulhaus (Tiny House) gebaut. Vom Verein Little Home stammt eine spartanischere Variante. Auch die neue Stiftung „Ein Zuhause“, ein Bündnis sozialer Einrichtungen mit vielen Freunden in der Politik, will Wohnraum für Obdachlose kaufen, selber bauen. Man hofft auf Spenden, Vermächtnisse von Häusern, Wohnungen. „Es gibt eine große Bereitschaft in der Gesellschaft, die Notlücke auf dem Wohnungsmarkt zu erkennen“, heißt es dort.

Nur die Bereitschaft der Verwaltung, solche Konzepte zu stützen, fehlt bislang. Stattdessen wird gemauert, werden Ideen einfach abgeschmettert, wie unlängst im Sozialausschuss der Auftrag des Mehrheitsbündnisses, ein Pilotprojekt „Housing first“ zu entwickeln. Statt einen einzigen konstruktiven Gedanken zu entwickeln, wurde in einer Drucksache seitenweise der Status quo durchdekliniert, beim Vortrag der Dezernentin herrschte zeitweilig eisiges Schweigen auf Seiten der Politik. Nun ist „Housing first“ sicher nicht die Lösung aller Probleme. Es steht aber für das Engagement und die Kreativität, die Hannovers Bürgerschaft im Kampf gegen Armut auszeichnen. In der Verwaltung fehlt beides schmerzlich. Dabei wird es genau darauf in Zukunft bei der Not auf dem Wohnungsmarkt ankommen. Denn die Obdachlosigkeit steigt –und damit das Elend dieser Menschen. Der furchtbare Kältetod des Obdachlosen Tommi macht das nur auf besonders tragische Weise deutlich.

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Von Jutta Rinas

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