Faust-Gelände

So tanzt man seit 25 Jahren im Tango Milieu

Tango zum Mittanzen: Im großen Saal von Tango Milieu zeigen die Paare, was sie können.

Tango zum Mittanzen: Im großen Saal von Tango Milieu zeigen die Paare, was sie können.

Linden-Nord. Schulterfreies Top, enger Rock, hochhackige Sandaletten – für winterliche Temperaturen ist die Garderobe von Gabi Paul nicht geeignet. Doch für das, was sie an diesem Abend vorhat, passt alles perfekt. Die Südstädterin tanzt Tango. Mit gekonnten Bewegungen, geschlossenen Augen und großer Begeisterung. „Das ist wie eine Sucht“, sagt sie in einer kurzen Pause auf dem Parkett. Auch ihr Lebenspartner Oliver Meyer ist tangosüchtig. Die beiden kommen mindestens zweimal pro Woche an den Ort, wo sie den Tanz erlernt haben und ihn nun im wahrsten Wortsinn Schritt für Schritt perfektionieren. Sie kommen ins Tango Milieu.

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Vor gut fünf Jahren haben die Optikerin und der Modekaufmann den Tango Argentino in der Tanzschule auf dem Faust-Gelände für sich entdeckt. Die Möglichkeit, diese besondere, weil authentische Form des in Argentinien entstandenen Tanzes zu erlernen, gibt es mitten in Linden indes schon seit einem Vierteljahrhundert. So lange ist es her, dass Joachim Knust, von allen nur Josch genannt, sein Tango Milieu eröffnet hat. Längst ist Hannovers älteste Tangoschule zu einer Institution weit über den Stadtteil hinaus geworden. Die Tänzerinnen und Tänzer kommen aus der gesamten Region Hannover, manche auch aus Hildesheim, Hameln oder sogar Braunschweig. Zwischen 50 und 60 besuchen regelmäßig die Kurse und die offenen Tanzabende, die sogenannten Milongas, die nach dem gleichnamigen Tango-Vorläufer benannt sind.

Kurse und Tanzabende

Die Tanzschule Tango Milieu bietet Grundkurse (montags ab 20.30 Uhr – hier sind noch Plätze frei, Mittelstufenkurse (dienstags um 19 Uhr, mittwochs um 20.30 Uhr) sowie Oberstufenkurse (montags, mittwochs, freitags ab 19 Uhr, dienstags ab 20.30 Uhr). Geleitet werden die Kurse von Joachim Knust und Martina Meyer, die seit 1996 dabei ist. Sie kosten 130 Euro pro Person, ermäßigt 100 Euro. Außerdem gibt es immer am Sonntag ab 15 Uhr ein Tango-Café für alle Tänzer sowie eine Schnupperstunde, an der Interessierte für 5 Euro teilnehmen können. Zweimal pro Woche, am Mittwoch und am Freitag, läuft ab 20.30 Uhr der Tango-Salon mit offenen Tanzabenden. Mehr Infos unter Telefon 44 02 02 und www.tango-milieu.de. jk

Sie lieben nicht nur das Tanzen, sie lieben auch das Ambiente in dem 180 Quadratmeter großen Saal mit seiner edel-rustikalen Mischung aus Backstein und Spiegelfront, robustem Parkett und glitzernden Kronleuchtern unter der Decke. Ergänzt durch eine Sammung von unzähligen Tangoplakaten an den Wänden des geräumigen Bar-Foyers, von dem aus die Tanzenden gut im Blick zu behalten sind. Nichts erinnert mehr daran, dass dort, wo sich an diesem Abend die Paare mit eleganten Drehungen und durchaus sinnlichen Umarmungen der Musik hingeben, früher der Waschraum für die Arbeiter der Bettfedernfabrik Werner & Ehlers war.

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„Das sah hier aus, man glaubt es nicht“, erinnert sich Knust. Die Scheiben waren eingeschlagen, Obdachlose übernachteten in dem Gemäuer, Strom und fließend Wasser gab es nicht. Doch Knust, leidenschaftlicher Tänzer und als gelernter Rundfunk- und Fernsehtechniker zudem praktisch veranlagt, konnte sich vorstellen, in diesen Räumen seine erste eigene Tanzschule zu eröffnen. Seine Liebe zum argentinischen Tango – ohne feste Schrittfolgen, aber dafür mit umso mehr Gefühl und Improvisation – hatte er Mitte der Achtzigerjahre in einem Hamburger Szenetreff entdeckt. Als Pionier brachte der gebürtige Berliner den „echten“ Tango 1991 nach Hannover. Erst gab er Kurse in einer Kneipe im Bismarckbahnhof („die hieß ganz zufällig auch noch Tango“), dann in der Bürgerschule. Und schließlich kam der Tipp, es mal auf dem Faust-Gelände zu versuchen.

Dreimal hat Knust seine Tanzschule in den vergangenen 25 Jahren umgebaut und erweitert. Dem einmal eingeschlagenen Stil ist er dabei stets treu geblieben. Auch seine Begeisterung für den Tango ist ungebrochen. „Er ist nicht ohne Grund als Weltkulturerbe der Unesco anerkannt“, schwärmt Knust, der schon oft im Heimatland des Tanzes war. „Dort ist Tango ein Lebensgefühl.“

Knuts Emphase überträgt sich offenbar auf seine Schüler. Bei einem Schnupperkurs sind Andrea und Peter Loos auf den Geschmack gekommen – und seit acht Jahren beständige und begeisterte Tänzer. Die beiden mögen die große Vielfalt und die freien Kombinationen beim Tango Argentino. Da gibt es zum Beispiel den Vals, der wie der Wiener Walzer im Dreivierteltakt getanzt wird, oder den Tango-Vorläufer Milonga, der sehr viel temporeicher ist. „Aber eines gilt immer: Die Frau lässt sich führen“, sagt die 61-Jährige und lacht ihren Partner vielsagend an.

Auch Heike Kreipe und Peter Simon genießen die Improvisation auf dem Parkett. „Tango ist intellektuell“, findet Simon. Auf den Geschmack gekommen sind die beiden bei den sommerlichen Tangonächten auf dem Ballhof, die Knust seit mehreren Jahren mit der Altstadt-Initiative veranstaltet. „Man muss sich immer etwas Neues einfallen lassen“, sagt er. Denn im letzten Vierteljahrhundert ist doch die eine oder andere Tangoschule in Hannover dazugekommen.

Gabi Paul und Oliver Meyer bleiben beim Tango Milieu. Zugleich legen sie für ihren Lieblingstanz aber auch sehr weite Wege zurück. „Wir waren schon in so verschiedenen Städten wie Buenos Aires, Lissabon, Barcelona, Florenz und Brügge“, zählt Meyer auf. Dort sucht der 54-Jährige mit seiner Tanz- und Lebenspartnerin gezielt nach Milongas, an denen jeder teilnehmen kann. „Das ist das Schöne: Überall auf der Welt wird Tango getanzt.“ Berührungsängste haben die beiden nicht. „Es macht Spaß, zusammen mit anderen zu tanzen“, meint die 55-Jährige. Und es macht süchtig.

Von Juliane Kaune

HAZ

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