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HAZ-Kiosktag

Ist das die Zukunft der Kioske in Hannover?

Ngoc Duc Nguyen setzt auf Craft Beer und gute Nachbarschaft. Zum Kiosktag lädt er zur Lesung in seinen Kiosk namens „ProBierBude“.

Ngoc Duc Nguyen setzt auf Craft Beer und gute Nachbarschaft. Zum Kiosktag lädt er zur Lesung in seinen Kiosk namens „ProBierBude“.

Hannover. Ngoc Duc Nguyen ist mit bunten Tüten aufgewachsen. In Linden geboren kennt und schätzt der 30-Jährige die Kioskdichte und Kioskkultur seit Jahren. Und doch entdeckte er erst in Hamburg, dass manche Kioskbetreiber mehr bieten, als Getränke im Durchreicheverkauf. „Ich wollte eine Dose Whiskey-Cola kaufen, da fragte mich der Besitzer, ob ich nicht einen richtigen Longdrink haben wolle.“ Der Besitzer verschwand kurz im Hinterzimmer und kehrte mit einem Cocktail zurück. Der Wirtschaftsinformatiker war beeindruckt – und musste an seinen Bruder denken, der in einem eher in die Jahre gekommenen Kiosk an der Limmerstraße 105 jobbte.

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„Nicht jede Modernisierung ist schlecht“

„Die Lindener Kioske haben eine lange Tradition, aber man könnte über ein neues Design und Angebot nachdenken. Nicht jede Modernisierung ist schlecht.“ Nguyen ließ der Gedanke nicht los. Er sparte Geld, kaufte den Kiosk, in dem sein Bruder arbeitete, investierte einen fünfstelligen Betrag und eröffnete nach mehr als zehn Monaten Umbau seine „ProBierBude“, ein durchaus ernst gemeintes Wortspiel. Fast 100 unterschiedliche Biersorten bietet sein Kiosk. „Künftig möchte ich gern 105 Sorten für unsere Hausnummer an der Limmerstraße verkaufen.“

Nguyen hat sehr viel Zeit und Geld in seinen Kiosk investiert. In Zusammenarbeit mit einem Schnapshersteller ließ er Wände mit Holz vertäfeln, baute aus lackierten Paletten Sitzmöbel, bestellte einen Schriftzug aus Aluminiumbuchstaben in den USA und befestigte Glühbirnen, die auch nachts auf den Kiosk hinweisen. Besonders stolz ist er auf seinen Tresen. „Ich habe eine Schanklizenz erworben und kann Cocktails mixen.“

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Anlaufstelle für die ganze Nachbarschaft

Der Kiosk mit seinen 25 Quadratmetern ist also auch Bar. Bei der Ausstattung half ein Nachbar. „Ich fand es gut, wie sich der Kiosk von anderen unterscheidet. Man trifft Leute, kommt ins Gespräch, da wollte ich helfen“, sagt Nachbar Sascha Graf, der einen neuen Boden verlegte. Die Nachbarschaft kennt Nguyen fast vollständig mit Namen. Viele kommen auf einen Kaffee vorbei. „Manche feiern hier auch ihren Geburtstag.“

HAZ-Kiosktag

HAZ-Kiosktag: Besitzer Ngoc Duc Nguyen stellt seine "ProBierBude" vor.

Nguyen glaubt an das Konzept Kiosk – nicht nur, weil die Verlegung der Haltestelle Ungerstraße als neuer Hochbahnsteig direkt vor seine „ProBierBude“ für neue Kundschaft sorgen dürfte. „Ich bin für die Nachbarn da. Und in Zeiten der Digitalisierung müssen sich alle Branchen anpassen, auch die Kioske.“ Darum biete er ein anderes Konzept mit Produkten, die nicht in jedem Supermarkt zu finden sind. Und am vergangenen Sonnabend spielte sogar ein DJ am Verkaufstresen.

Konzept auch für andere Kioske?

Sein Studium setzt Nguyen trotz Vollzeitstelle fort. Der Laptop steht dafür im Kiosk. Eines Tages möchte er dessen Konzept in andere Stadtteile übertragen. „Nur bin ich skeptisch, denn man verbindet mich natürlich mit dem Laden.“ Also konzentriert er sich erstmal auf die nächsten Veranstaltungen. Beim Kiosktag am 28. Juli lädt er zum Beispiel zur ersten Lesung. Auf den Palettenmöbeln nehmen dann Jan Fischer und Martin Spieß Platz.

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Die Künstler präsentieren um 20 Uhr witzige, gewagte und mitunter andächtige Geschichten. Fischer liest aus der halbautobiographische Erzählung „Audrey und Ariane. Eine Disneyland-Vampirgeschichte“, Spieß trägt aus seinem Short-Story-Band „Ich dreh mich lieber noch mal um und bin weit, weit weg“ und aus seinem Wendland- Roman „Und bis es soweit ist, gibt es Eiscreme.“  vor. Dazu stellt Spieß das Indierock-Soloprojekt Vorband vor. Künstler Fischer schreibt zum ungewöhnlichen Kioskkulturabend: „Kioske sind magische Orte, in denen es alles gibt und die uns mehr als einmal durch die Nacht geholfen haben.“ Nguyen dürfte für den Auftritt für die passende Verpflegung sorgen.

Das ist der HAZ-Kiosktag

Am Sonnabend, 28. Juli, wird die hannoversche Kioskkultur mit dem ersten Kiosktag vielfältig gefeiert. Die HAZ-Redaktion und das Kulturbüro der Stadt möchten die typischen Treffpunkte in der Nachbarschaft und Einzelhandelstrukturen stärken - und den Kiosk schillernd zum Mittelpunkt des Geschehens machen. Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und Verkostungen in diversen Kiosken sind in Planung. So laden die Künstler Jan Fischer und Martin Spieß zur Lesung in die „ProBierBude“ an der Limmerstraße 105 ein. Das Apollo-Kino und das Kino Lodderbast zeigen auf das Thema abgestimmte Filme wie „Neben den Gleisen“. Das Kulturzentrum Faust hat ein Kulturkiosk-Bühne im Rahmen des „Slam City“-Festival angekündigt. Und auch das Kulturhauptstadtbüro wird einen Kiosk künstlerisch gestalten. Weitere Kioskbeteiber und Künstler sind aufgerufen, sich bei der Premiere zu beteiligen und Ideen einbringen. Brettspielabende, Chor-Auftritte, Single-Partys, Hannover 96-Fantreffen, Mini-Flohmärkte: der Kiosk wird Bühne für die Ideen ihrer Nutzer. Die HAZ hilft gern bei der Koordination per Mail an jan.sedelies@haz.de und stellt im Vorfeld die unterschiedlichen Aktionen vor.

Von Jan Sedelies

HAZ

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