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Mit dem Sportboot durch Hannover

Kanal ahoi!

Foto: HAZ-Redakteurin Juliane Kaune bei ihrer Fahrt im Sportboot durch Hannovers schöne Wasserstraße.

HAZ-Redakteurin Juliane Kaune bei ihrer Fahrt im Sportboot durch Hannovers schöne Wasserstraße.

Hannover. Ruhig dümpeln sie vor sich hin. Die großen Jachten am Lister Hafen scheinen sich noch eine Pause zu gönnen, bevor die Saison richtig losgeht. Hier und da macht sich einer der Bootseigner an Deck zu schaffen. Doch weitgehend herrscht Ruhe vor. Rüdiger Stoll-Hencke ist dagegen voller Tatendrang. Er hat seine „Nordstern“ längst flottgemacht. Selber steuern will der versierte Skipper die Jacht aber nicht. Das kleinste Boot im Hafen hat er zu anderen Zwecken angeschafft. Der 53-Jährige hat einen neuen Bootsverleih gegründet, der Minijachten mit 15 PS vermietet, die jeder, der mindestens 16 Jahre alt ist, auch ohne Bootsführerschein fahren kann. Und das, so verspricht er, lässt sich binnen kurzer Zeit erlernen.

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Auch auf absolute Anfänger wirkt Stoll-Hencke rundum Vertrauen erweckend. Er ist der erste Vorsitzende der „Marinekameradschaft“, des Bootsvereins, der im Jachthafen ansässig ist. Mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung und gleich drei verschiedene Sportbootführerscheine kann er vorweisen. So habe ich kaum Bedenken, mich hinter das Steuer der 5,20 Meter kurzen und 1,85 Meter schmalen „Nordstern“ zu setzen, die am Hafenanleger bereitsteht und mich bis zum Misburger Stichkanal bringen soll.

„Das ist einfacher als Auto fahren“, gibt mir Stoll-Hencke zu verstehen. Immer schön rechts halten, und dem Frachtverkehr nicht die Vorfahrt nehmen – mehr Spielregeln sind nicht zu beachten. Den Außenbordmotor wirft der Fachmann aber lieber selber an. Danach spielt der Schalt- und Gashebel direkt neben dem Steuer die tragende Rolle. Nach vorne gedrückt, geht es schneller voran, legt man ihn nach hinten um, wird das Boot langsamer.

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Erst mal ganz vorsichtig versuchen. Die „Nordstern“ setzt sich in Bewegung. „Ruhig ein bisschen mutiger“, ermuntert Stoll-Hencke. Ich habe mich entschieden, ihn als Beifahrer an Bord zu behalten. Eigentlich überlässt er seinen Gästen die Jacht für eine mindestens zweistündige Ausflugstour auf dem Kanal komplett. Wer nicht ganz so sorglos an die Sache herangeht, darf ihn aber gern als Begleitkapitän dazubuchen.

Mutig gebe ich mehr Gas – und steuere sogleich auf die Spundwand am Ufer zu. Stoll-Hencke greift ins Steuerrad. „Alles okay“, beruhigt er. „Passiert eben.“ Doch nach diesem Ausrutscher bekomme ich schnell ein Gefühl für das schwimmende Fortbewegungsmittel. Und bei einer Spitzengeschwindigkeit von 13 Stundenkilometern ist es wirklich nicht folgenreich, übermütig zu werden.

Immer nach vorn schauen. Doch je sicherer ich mich fühle, desto mehr öffnet sich der Blick für die Schönheiten des Kanals zu beiden Seiten der Strecke. Mit gutem Recht gilt die Wasserstraße gerade in diesem Bereich als beliebtes Naherholungsgebiet in Hannovers Osten. Spaziergänger, Jogger und Radfahrer sind an den Ufern unterwegs. Auch Gänsefamilien und einige Schwäne machen einen Ausflug, meist quer durchs Schilf, manchmal aber auch mitten auf dem Kanal. Von wegen immer schön rechts halten!

Also muss ich gegensteuern. Gut, dass der Verkehr sich ansonsten in Grenzen hält. „Ist heute wirklich nicht viel los. Da haben Sie den Kanal schön für sich allein“, sagt Stoll-Hencke. Als ein tonnenschweres Frachtschiff mit dem beunruhigenden Namen „Tsunami“ der kleinen „Nordstern“ entgegenkommt, umklammere ich reflexartig das Lenkrad. Der Wellengang wird deutlich stärker, als der Schwergewichtige vorbeizieht. Aber alles geht gut.

Also, wieder etwas Sightseeing. Auch architektonisch haben die Kanalufer viel Sehenswertes zu bieten. Idyllische Einfamilienhäuser älteren Baujahrs wechseln sich ab mit markant-schlichten Neubauten. Wohnen am Wasser. Und immer wieder geht es unter einer der vielen Kanalbrücken hindurch, die seit dem Expo-Jahr 2000 eine architektonische Freiluftausstellung der besonderen Art bilden. Da stört die Lärmschutzwand des Schnellwegs in Höhe Lahe die Optik deutlich. Vorbei an der schmucken Buchholzer Mühle nahe des Oststadtkrankenhauses kommt auch schon bald der Misburger Stichkanal.

Zeit, die Rückfahrt anzutreten. Weit und breit ist kein anderes Schiff zu sehen. Also reiße ich beherzt das Ruder rum. Auf einer Wasserstraße ist ein solches Wendemanöver erlaubt. Und Platz genug ist ja. Schön gemächlich schippert die „Nordstern“ nun wieder in Richtung Heimathafen. Ab und zu würde ich mir doch wünschen, ein bisschen mehr durchstarten zu können. Doch selbst Boote mit mehr PS würden nicht schneller vorankommen: Auf dem Kanal ist für Sportboote maximal Tempo 15 erlaubt.

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Gut anderthalb Stunden sitze ich mittlerweile hinter dem Steuer und fühle mich durchaus wohl als Aushilfskapitänin. Stoll-Hencke hat recht behalten: Es war wirklich nicht schwer, und es macht sogar richtig Spaß, die kleine Jacht zu steuern. Obendrein hat es, anders als bei den üblichen Ausflugsfahrten auf Hannovers Wasserstraßen, einen ganz besonderen Reiz, selbst den Kurs vorzugeben.

Der Lister Yachthafen taucht in Sichtweite auf. Nun kommt noch eine neue Herausforderung auf mich zu – das Anlegen. Wieder die Wende machen und dann das Gas wegnehmen. Zu dumm, dass ausgerechnet jetzt ein dicker Schlepper aus der Gegenrichtung naht. Doch die Wogen glätten sich schnell wieder. Und mit etwas Unterstützung meines Beifahrers dockt die „Nordstern“ wieder unversehrt am Liegeplatz an.

Zwei Stunden kosten 55 Euro

Längst nicht jeder kann sich eine eigene Jacht leisten. Wer aber gern mal eine Miniausgabe steuern möchte, kann jetzt eines von drei Booten mieten, die im Lister Yachthafen in der Werftstraße vor Anker liegen. Die kleinen Jachten namens „Nordstern“, „Mieke“ und „Sprotte“ sind 5,20 Meter lang und 1,85 breit; sie haben einen Außenbordmotor mit 15 PS. Sportboote dieser Kategorie dürfen seit Januar vergangenen Jahres ohne Bootsführerschein gefahren werden. Das brachte Rüdiger Stoll-Hencke auf die Idee, einen Verleih zu gründen, der auf diese Boote spezialisiert ist.

Seit dem Osterwochenende bietet der selbstständige Kaufmann seine drei Minijachten für jedermann an. Für einen Zeitraum ab zwei Stunden kann man sie für eine Tour auf dem Mittellandkanal mieten, das kostet 55 Euro. Jede weitere Stunde wird mit 45 Euro berechnet. Wer einen ganzen Tag unterwegs sein will, zahlt 240 Euro. Die Boote sind mit einem sparsamen Motor ausgestattet (der Verbrauch liegt bei 2,5 Litern Benzin pro Stunde). Der verbrauchte Treibstoff wird am Ende des Törns ermittelt und dem Mieter in Rechnung gestellt. Zwei der Jachten, auf denen bis zu fünf Personen Platz haben, verfügen über eine kleine Kajüte. Sie sind damit auch für Wochenendausflüge (der Tarif liegt bei 390 Euro) mit Übernachtung an Bord geeignet – allerdings gibt es keine Toilette. Bei jeder Vermietung muss zuvor eine Kaution von 200 Euro hinterlegt werden. Im Preis inbegriffen ist eine Einführung in die Bootstechnik.

Im Angebot sind verschiedene Routen auf dem Kanal, die die Gäste nach eigenen Vorstellungen variieren können. Eine zwei- bis dreistündige „Schnuppertour“ führt zum Beispiel vom Lister Yachthafen zur Anderter Schleuse. Eine Tagestour sollte man einplanen, um den in Seelze beginnenden Stichkanal, den dortigen Yachthafen, den Leineabstiegskanal in Limmer und den Lindener Hafen zu besuchen. Auch bis nach Minden fahren die Boote, dafür müssen Freizeitkapitäne aber ein ganzes Wochenende veranschlagen.

Mehr Informationen gibt es unter www.bootsverleih-hannover.de.     

HAZ

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