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Vegane Ernährung

"Klar bleiben": Ein Leben ohne Rausch

Salami und Mortadella ohne Fleisch, Käse ohne Milch: Die 30-jährige Lena Suhr lebt vegan. Beim Frühstück greift sie auf fleischlose Alternativen zurück.

Salami und Mortadella ohne Fleisch, Käse ohne Milch: Die 30-jährige Lena Suhr lebt vegan. Beim Frühstück greift sie auf fleischlose Alternativen zurück.

Hannover. Lena Suhr liebt gutes Essen, besonders mexikanisches. Tacos, Salsa, Guacamole, Frijole und ähnliche Gerichte. Es gibt kaum ein Gewürz, das nicht auf dem Holzregal in ihrer Küche in der Südstadt thront. Getrocknetes Bohnenkraut, Epazote (Gänsefuß), Mexminze und Koriander. Alles ist in Einweckgläser abgefüllt und fein säuberlich etikettiert. Lena Suhr zelebriert das Kochen. Davon zeugt auch ihr Blog im Internet, auf dem sie regelmäßig Bilder und Rezepte von ihren Kreationen veröffentlicht.

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Es gibt allerdings eine Seite der mexikanischen Küche, für die sich Suhr gar nicht begeistern kann. Frühstückstortillas mit Ei zum Beispiel, den Milchkuchen Tres Leches oder Chimichanga, die mexikanische Version der Frühlingsrolle mit Hühnchen. All das würde sie nie anrühren. Davon kündet eine Tätowierung auf der Innenseite ihrer Unterlippe. „XHCX“ steht dort. Das Zeichen bedeutet „Straight Edge Hardcorepunk“. Das schwarze X ist das Erkennungszeichen einer kleinen Gruppe von Punkmusikern, die den Exzess ablehnen. So wie Suhr.

Kein Alkohol, keine Zigarette, keine Drogen, keine tierischen Produkte

Sie trinkt keinen Alkohol, raucht keine Zigaretten, konsumiert keine Drogen. Und: Sie lebt vegan, verzichtet also auf sämtliche tierische Produkte, weil sie den Tieren eine Stimme geben will, wie sie sagt. Eier, Milch und Joghurt sind für sie genauso ein Tabu wie Tequila. Für die meisten Straight Edger gehört die vegane Ernährungsweise zu ihrer Lebenseinstellung. Was für sie Alltag ist, klingt für viele lebensverneinend, nach einem Leben ohne Genuss. Manche werfen Menschen ihr vor, Gesundheitsfanatiker zu sein.

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Wie ein typischer Öko aber sieht Lena Suhr nicht aus. Sie trägt einen kurzen Jeansrock, hat rosarot lackierte Fingernägel. Ihre Wimpern sind schwarz getuscht, ein feiner Kajalstrich umrahmt ihre Augen. Auf den Lippen trägt sie durchsichtigen Lipgloss. Ihrer französischen Bulldogge Wilma hat sie ein Nietenhalsband angelegt. Der Hund weicht kaum von ihrer Seite.

Kompromissloser Lebensstil

Das schwarze X auf der Innenseite ihrer Lippe aber ist ein Bekenntnis für einen vergleichsweise kompromisslosen Lebensstil. Eigentlich gehört das schwarze X in die achtziger Jahre, als Punk groß und wichtig war. Damals malten sich die Hardcorepunker der Band Minor Threat das X auf die Hände und funktionierten so das Zeichen um, das Türsteher früher amerikanischen Jugendlichen verpassten, um sie vom Alkoholausschank auszuschließen. Die Hardcorepunker sangen sogar ein Lied darüber: „Don’t drink, don’t smoke“, hieß es da, und dann folgten noch weitere Aufforderungen in weniger salonfähigem Vokabular. Damit haben sie eine neue, asketische Jugendbewegung begründet. Mehr als 30 Jahre ist das her.

In ihrer Wohnung in der Südstadt hält sich Suhr an das Credo der Hardcorepunker. Sie trinkt nicht, sie raucht nicht, weil sie klar bleiben will, wie sie sagt. Einen Spirituosenschrank, eine Kiste Bier, ein Weinregal sucht man in ihren vier Wänden vergebens. Selbst den veganen, alkoholfreien Rotwein, den Suhr von einer Freundin zum Geburtstag geschenkt bekam, hat sie nicht angerührt. An ihren Geburtstagen stößt sie mit Brause an. Aufgetischt wird Pflanzliches. Selbst ihre Bulldogge Wilma ernährt Suhr vegan. Das Futter auf Getreidebasis reichert sie mit Bananen, Möhren und Algen an.

Angebot für Veganer wird immer größer

Mit der veganen Lebensweise ist Suhr längst kein Exot mehr. Die Zahl der Vegetarier liegt hierzulande laut Vegetarierbund bei etwa sechs Millionen, die der Veganer bei 60.0000. Das Angebot für Vegetarier und Veganer ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Auch in Hannover. Veganes Eis isst Suhr am liebsten auf der Limmerstraße im Café Bohne. Wenn sie mit ihrem Freund schick essen gehen will, zieht es sie in das syrische Restaurant „Al Dar“ in die Königsstraße. Wenn es schnell gehen soll, steuert sie das vegane Fast-Food-Restaurant Loving Hut in der Calenberger Straße an. Und die Auswahl für Veganer soll noch umfangreicher werden: 2015 will der vegane Supermarkt Veganz eine Filiale in Hannover eröffnen. Deutschlandweit hat Veganz mittlerweile drei Filialen - zwei in Berlin, eine in Frankfurt. Weitere neun sollen in drei Jahren verteilt über Deutschland eröffnen. Die Branche expandiert.

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Suhrs Einstellung zum Alkohol war nicht immer so strikt. Die 30-Jährige kommt aus Warburg, einer Kleinstadt zwischen Kassel und Paderborn in Nordrhein-Westfalen. Klubs oder Discotheken gab es dort nur wenige, Livemusik kaum. Manchmal trat im örtlichen Veranstaltungszentrum eine Band aus der Gegend auf. Wenn sie ausnahmsweise einmal Hardcorepunk spielte, war Suhr dabei. Meist aber kam die Musik aus einem tragbaren Radiorekorder. Und das Bier aus der Dose. In Hamburg dann, wo Suhr für ihr BWL-Studium hinzog, kamen Reeperbahn, Klubs und Bars hinzu und für Suhr endlich mehr Möglichkeiten Hardcorepunk zu hören. Vieles änderte sich damals in Hamburg. Besonders ihre Einstellung zum Alkohol.

Verzicht als Zugewinn

An einem Abend vor sechs Jahren auf dem Kiez ließ sie das Bier das erste Mal stehen. „Ich wollte klar bleiben.“ Sie hat sich seither dran gehalten. Der Abend in Hamburg läutete auch eine neue Lebensphase ein: Sie brach ihr BWL-Studium ab, zog nach Hannover. Heute studiert sie Soziale Arbeit in Kleefeld. Suhr engagiert sich für die Grünen im Bezirksrat Südstadt-Bult. Ihre Themen: Schule, Bildung und Soziales. „Ich will meine Stimme einbringen“, sagt sie.

Verzicht ist für Suhr auch ein Zugewinn. In einer Welt, in der scheinbar alles immer verfügbar ist, macht die Verknappung kreativ. Statt als Geschmacksträger für Soßen Sahne und Käse zu wählen, verfeinert sie ihre Mahlzeiten mit Gewürzen und frischen Kräuter. Sie hat viel entdeckt in den vergangenen sechs Jahren, in denen sie sich nun schon vegan ernährt. Das Inkakorn Quinoa, Linsen in verschiedenen Farben und Formen, Tofu, mal mariniert, mal im Käsekuchen. Und weil die Fertigpizza mit Seidentofu als Käseersatz eine absolute Seltenheit ist, stehen sie und ihr Freund fast täglich am Herd. „Wenn man nicht alles in der Küche zur Verfügung hat, muss man sich etwas einfallen lassen“, sagt Lena Suhr. „Nach Verzicht fühlt sich das aber nicht an.“

Wer mehr über Lena Suhr, ihren Lebensstil, ihren Speiseplan und Veganismus in Hannover wissen will, besucht ihren Blog unter averyveganlife.de.

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Eine Lister veganer Restaurants in Hannover (Auswahl) befindet sich hier.

HAZ

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