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Der Akustikkrieg

Laut, lauter, Laubbläser

Björn Roßmannek pustet Laub von der Straße.

Björn Roßmannek pustet Laub von der Straße.

Hannover . Wie einen Rucksack hat sich Stanislaw Dobosz das rund elf Kilogramm schwere Gerät auf den Rücken geschnallt. Darin angeordnet: Motor, Tank, Gebläse. All das braucht Dobosz in diesen Tagen. Von Mitte Oktober bis Mitte Dezember sind die rund 250 Mitarbeiter der Stadtreinigung vom Abfallwirtschaftsbetrieb aha im Laubeinsatz. Wenn der Winter mit Schnee und Eis naht, will die Stadtreinigung möglichst viel Laub von Radwegen und Straßen entfernt haben. „Winterwetter und Laub – zusammen ist das für die Menschen besonders gefährlich“, erklärt der für den Nordosten Hannovers zuständige aha-Betriebsstättenleiter Ullrich Dzierzon.

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Seine Mitarbeiter sind an diesem Tag in der Ebelingstraße in Bothfeld unterwegs. Dort hält Stanislaw Dobosz das lange Rohr seines Laubbläsers in der Hand. Es knattert laut auf seinem Rücken, während er das Laub vom Radweg pustet. Kurz darauf kommt sein Kollege mit einer Kehrmaschine und saugt die Blätter vom Straßenrand. 1500 Tonnen Laub kommen so Jahr für Jahr in der Landeshauptstadt zusammen – und landen im Biomüll der großen Kompostieranlage. „Die Arbeit ist für uns jetzt leichter“, berichtet sein Mitarbeiter Dobosz. Vor einigen Jahren noch war er mit seinen Kollegen nur mit Besen und Laubrechen in der Stadt unterwegs. „Alles musste mühsam zusammengefegt werden“, sagt er. Aber Dobosz weiß auch, dass sein Job Lärm macht. Immer wieder wird der aha-Mitarbeiter auf der Straße von Bürgern angesprochen, die ihrem Unmut Luft machen. Zu ihnen gehört auch Verena Meyer. Die Mittdreißigerin, die in Hannover-Mitte wohnt, wird in diesen Tagen immer wieder vom Lärm der Laubbläser aus dem Bett geworfen. „Das geht manchmal schon um 6 Uhr morgens los“, sagt sie. „Und dass, obwohl in unserer Straße kaum Bäume stehen.“

In der Ebelingstraße ist heute hingegen ein vergleichsweise ruhiger Tag. Das Laub ist trocken, der Wind schwach. Der Laubbläser braucht nur wenig Kraft, der Motor muss nicht voll aufgedreht werden. Ein Test mit Messgerät, aber ohne wissenschaftlichen Anspruch ergibt: Aus fünf Metern Entfernung dröhnt der Lärm aus dem Laubbläser von Dobosz mit 88 Dezibel. Nach aha-Angaben kann der Lärmpegel der Geräte auf bis zu 98 Dezibel steigen. Zum Vergleich: Fünf Meter von einer Straße entfernt herrscht ein Lärmpegel von 80 Dezibel. Und Dobosz kann sogar noch aufdrehen. Wenn das Laub nass ist, muss er mehr Gas geben, um es unter den parkenden Auto wegzupusten.

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Besonders nötig ist das in dicht bebauten Stadtteilen wie der List, berichtet sein Chef Dzierzon. "Dort stehen die Autos sehr eng, da kann man ohne richtigen Druck nichts machen." Und das lässt die Zahl der Beschwerden ansteigen. Allerdings richteten sich  die meisten Proteste der Bürger wegen zu lauter Laubbläser gar nicht gegen die Mitarbeiter von aha, heißt es. "Für rund 80 Prozent der Beschwerden sind wir gar nicht zuständig", sagt Dzierzon. Denn Privatleute und Fußwegreinigungsfirmen machten mit ihren Laubbläsern meist viel mehr Lärm, meint er.
Insgesamt hat aha rund 60 Laubbläser im Einsatz, der Fachbereich Umwelt und Stadtgrün der Landeshauptstadt hat sogar knapp 90 auf dem Rücken tragbare Geräte gezählt. Um die Bürger besser vor Lärm zu schützen, haben beide derzeit elektrische Laubbläser mit Akkus im Einsatz.

Mit einem dieser Geräte ist Björn Rossmanek in der Ebelingstraße unterwegs. Das Gerät macht ein surrendes Geräusch, vergleichbar mit einem Elektrorasenmäher. Bei unserem kleinen Test werden 80 Dezibel als höchster Wert gemessen. Aber Rossmanek ist nicht richtig zufrieden. „Die Benzingeräte haben einfach mehr Kraft“, sagt er. Vor allem, wenn man das Laub unter den Autos wegpusten müsse. Und Dzierzon nennt weitere Nachteile: „Der Akku reicht nicht den ganzen Tag.“ Zudem dürfen die Geräte bei Regenwetter wegen der Gefahr eines Stromschlags nicht eingesetzt werden. Natürlich gebe es auch Vorteile. „Mitarbeiter und Passanten atmen keine Abgase ein.“ Außerdem vibriere das Elektrogerät längst nicht so stark auf dem Rücken wie die spritbetriebenen Laubpuster.

Ob mit Elektroantrieb oder Verbrennungsmotor – der Umweltschutzverband Nabu lehnt die Puster generell ab. Dafür gebe es einige Gründe, sagt Carsten Böhm aus dem Landesvorstand. Er nennt den hohen Energieaufwand und die Belastung für die Bürger durch Lärm und Abgase. Außerdem würden Kleinstlebewesen wie Asseln und Würmer vernichtet, die zwischen den Laubblättern lebten. „Von diesen kleinen Tieren leben viele andere Tiere wie Vögel, Igel und Spitzmäuse.“ Böhm würde sich wünschen, dass einfach nur die Gehwege mit Besen wie in früheren Jahren gefegt werden, ansonsten aber das Laub liegen bliebe.

Die Besen haben die aha-Mitarbeiter nicht ausgemustert. In der Ebelingstraße nehmen sie diese unter einer großen Eiche in die Hand. Dort fegen sie die Eicheln vom Gehsteig. Und das geht fast so schnell wie mit einem Laubbläser.

Wie laut darf es sein?

Die gesetzliche Grundlage für den Betrieb von Laubblasgeräten ist die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung des Bundes. Nach Angaben von Stadtsprecher Dennis Dix dürfen die Geräte in Hannover nur an Werktagen zwischen 7 und 20 Uhr eingesetzt werden. An Sonn- und Feiertagen ist die Benutzung verboten. In reinen Wohngebieten und in Bereichen mit Kliniken dürfen die Geräte an Werktagen von 9 bis 13 Uhr und von 15 bis 17 Uhr eingesetzt werden.
Allerdings können die Kommunen Ausnahmen zulassen. In Hannover zum Beispiel gilt zur Beseitigung des Laubs im Herbst für den Fachbereich Umwelt und Stadtgrün und für aha zwischen Anfang Oktober und Mitte Dezember eine Ausnahmegenehmigung: Sie erlaubt ihnen die Benutzung der lauten Geräte auch in Wohngebieten bereits ab 7 Uhr und bis 13.30 Uhr. In einigen Bereichen der Stadt dürfen die Laubbläser dann bereits um 14 Uhr wieder in Betrieb gehen. mak

Und so laut ist der Rest der Welt:

Ticken eines Weckers: 30 Dezibel
Ruhige Wohnstraße: 50 Dezibel
Rasenmäher: 65 Dezibel
Autobahn: 80 Dezibel
Lärmpegel eines Laubbläsers: 95 Dezibel
Kreissäge: 90 Dezibel
Düsenflugzeug: 120 Dezibel

HAZ

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