Lüttje Lage: Ein Mann sieht rot
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Michael Zgoll
© Quelle: privat
Die Wege partnerschaftlicher Kommunikation sind gelegentlich verschlungen. Mit Fallstricken versehen. Rätselhaft. Etwa bei einem Gespräch über den Kauf eines Andenkens. Beispielsweise in Dessau, im historischen Bauhaus.
Von Orten, die meiner Frau und mir gefallen, erwerben wir gerne Kühlschrankmagneten mit markanten Motiven. Sie haften an keiner Kühlschranktür, sondern an einer speziellen Metalltafel. Aber das spielt hier keine Rolle.
Im Souvenirshop des Dessauer Bauhauses entdecken wir ein streng geometrisches Fassadenmotiv, das uns anspricht. Der ins Auge fallende Randstreifen des Magnetplättchens zeigt ein kräftiges Rot. Wahlweise ein leuchtendes Gelb. Oder ein frisches Blau. Wir befinden uns in einem Zustand ehelicher Entspanntheit, und so entwickelt sich folgender Dialog.
Sie: „Such Du den Magneten aus.“
Ich: „Nein, Du.“
Sie: „Nein, heute sollst Du aussuchen.“
Ich: „Nein, mach Du mal.“
Sie: „Nun mach kein Theater, Du bist dran.“
Ich: „Wirklich?“
Sie: „Ja, wirklich.“
Ich: „Dann nehm‘ ich den gelben.“ Und greife zu. Pause.
Sie: „Ist schon okay.“ Pause. „Obwohl ich den roten schöner gefunden hätte.“
An dieser Stelle sehe ich zwei Handlungsoptionen. Ich könnte sagen, willens- und entscheidungsstark: „Tja, Pech gehabt.“ Oder: „Selbst schuld.“ Doch das traue ich mich nicht. Will den Zustand ehelicher Entspanntheit möglichst lange konservieren.
Also: „Dann nehmen wir halt den roten, ist auch ganz hübsch.“
Sie: „Nein, so ein Blödsinn. Du solltest doch aussuchen.“
Ich: „Na gut, wenn Du meinst.“ Pause.
Sie: „Obwohl das Gelb seeeeeehr dominant ist.“
Jetzt wird’s mir zu bunt. Und ich sehe rot. Zumindest hellrot. Doch das folgende, immer absurder anmutende Gespräch wiederzugeben, würde den Rahmen dieser Rubrik sprengen. Immerhin schaffen wir es nach zwei Minuten, uns wieder locker zu machen. Und uns unserer Anziehungskraft zu versichern.
Wir kaufen einen Magneten.
Welche Farbe? Natürlich blau.
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Von Michael Zgoll