„Lüttje Lage“: Mein langer Lauf zu mir selbst
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Lüttje Lage Simon Benne
© Quelle: Schaarschmidt
Hannover. Ich habe eigentlich keine Hobbys. In meiner Freizeit liege ich gerne auf dem Sofa und schaue zu, wie die Zeit vergeht. Gepflegtes Nichtstun ist oft segensreicher als heilloser Aktivismus. Jetzt aber drängten meine Kinder mich, doch mal wieder häufiger Joggen zu gehen. Sie sagen, Bewegung sei zu meinem besten. Vielleicht wollen sie mich aber auch nur aus dem Haus haben.
Ich ging also in meiner dicken Winterjacke in einen dieser total stylischen Sportshops, in denen es solche hippen Laufschuhe gibt. „Tach“, sagte ich und zeigte auf meine Füße, „ich habe 2009 diese Schuhe gekauft und war damit immer sehr zufrieden.“ Der Verkäufer blickte auf die schlammverkrusteten Ruinen, die ich trug. „Oh“, sagte er mitleidig.
Ich schaute mir den Mann an. Kein Zweifel, er war einer von diesen Fitnessaposteln, die täglich vorm Frühstück den ersten Halbmarathon durchziehen und sich ausschließlich von kurzkettigen Kohlehydraten und rechtsdrehenden Fettsäuren ernähren. Gut, dass ich mir ein gesundes orthopädisches Halbwissen angegoogelt hatte.
„Ich bräuchte einen pronationsgestützten Schuh, um die Kippung des Sprunggelenks zu neutralisieren und wegen der Beanspruchung der Knieachse“, sagte ich so fachmännisch wie möglich, „denn mein individuelles Abrollverhalten ist eher suboptimal, und überhaupt ist mein Metatarsalgerüst rechts eine Problemzone.“
„So so“, sagte der junge Mann. Dann sprach er selbst einen langen Satz, in dem die Wörter „Sprengung“, „Dämpfung“ und „Energierückführung“ vorkamen. „Ist klar“, sagte ich, „Hauptsache, die Gel-Einlage supportet den Innenfuß.“
Er stellte mir ein paar Schuhe hin, von denen einige so viel kosteten wie ein freistehendes Einfamilienhaus. Ich zog die schwarzen an, die sahen ganz schick aus. „Eigentlich müsste ich mal 100 Meter mit laufen“, sagte ich. Er zeigte auf die Straße: „Die 100 Meter da draußen gehören Ihnen.“ Ich war verblüfft. „Und was machen Sie, wenn ich meine alten Treter hier stehenlasse und mit den neuen Schuhen abhaue?“, fragte ich. Er sah mich an. „Verstehen Sie es nicht falsch“, sagte er, „aber dann bin ich schneller als Sie.“
Ich glaube, mein Trainingsplan kann hier und da noch optimiert werden.
Am 12. März, 18 Uhr, ist Simon Benne zu Gast bei „Lieblingslieder“ in der Marktkirche. Eintritt frei.