Mehr als 2000 Menschen bei Seebrücke-Großdemo in Hannover dabei
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Mehr als 2000 Menschen sind am Sonnabend zur Seebrücke-Großdemo nach Hannover gekommen.
© Quelle: Peer Hellerling
Hannover. Die Fluchtwege nach Europa müssen sicherer werden und das Sterben auf dem Mittelmeer muss aufhören: Mit diesen Forderungen sind am Sonnabend mehr als 2000 bei der Seebrücke-Großdemo mitmarschiert. „Wir gehen gemeinsam auf die Straße, um ein starkes Zeichen gegen den Rechtsruck zu setzen“, sagte Linda Becker von der Seebrücke Hannover. Der Kontinent dürfe sich nicht abschotten und zur Festung werden, bereits seit Jahresbeginn seien auf dem Mittelmeer 319 Flüchtlinge ums Leben gekommen. „Und das sind bloß die dokumentierten Fälle“, sagte Becker. Zur Demo waren unter anderem zahlreiche Seebrücke-Ableger aus anderen Städten wie beispielsweise Kassel, Cuxhaven und Göttingen angereist, aber auch andere Unterstützerorganisationen.
Rund 2000 Menschen sind am Sonnabend zur Seebrücke-Großdemo nach Hannover gekommen
Rund 2000 Menschen protestieren derzeit in der Innenstadt von Hannover für sichere Flüchtlingsrouten auf dem Weg nach Europa. Die Initiative Seebrücke hatte zur Großdemonstration aufgerufen, zahlreiche Organisationen unterstützen das Anliegen.
Hannover ist Sicherer Hafen
Die Seebrücke-Initiative existiert seit Sommer 2018, seither haben sich zahlreiche Kommunen zu sogenannten Sicheren Häfen erklärt und unterstützen auf dem Papier die Aufnahme von Flüchtlingen. Im Herbst trat unter anderem die Region Hannover bei, nach monatelangem Ringen folgte im Februar die Landeshauptstadt. "Jetzt müssen auch Taten folgen", forderte Becker. Hannover müsse sich aktiv um die Aufnahme von Flüchtlingen bemühen und soll sie die Patenschaft für ein ziviles Seenotrettungsschiff auf dem Mittelmeer übernehmen. Sascha Schießl vom Flüchtlingsrat Niedersachsen bezeichnete die Seebrücke als "Gegenbewegung zu rechten Ansichten in ganz Europa".
Die Veranstalter hatten ein reales Schlauchboot mitgebracht, das 2017 von der Organisation Sea-Eye auf dem Mittelmeer entdeckt wurde. Zuvor hatte die libysche Küstenwache die Flüchtlinge abgefangen. Auf solch klapprigen Booten wagen bis zu 200 Menschen die gefährliche Überfahrt nach Europa, viele von ihnen können nicht einmal schwimmen. „Niemand steigt da freiwillig ein“, sagt Schießl. „Es soll zeigen, wie verzweifelt die Flüchtlinge sind.“ Die Boote könnten die Überfahrt gar nicht schaffen, vielmehr hoffen die Passagiere, „unterwegs entdeckt und gerettet zu werden“.
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In solchen Schlauchbooten wagen Flüchtlinge die gefährliche Überfahrt nach Europa.
© Quelle: Peer Hellerling
Seenotrettung „Gebot der Menschlichkeit“
Neben dem Flüchtlingsrat hatte unter anderem die katholische Kirche zur Teilnahme an der Großdemonstration aufgerufen. Für Christen sei es an der Zeit, "ein Zeichen zu setzen, dass eine Politik der Angst nicht in unserem Sinne ist", sagte Regionaldechant Propst Martin Tenge. Für ihn ist das Retten aus Seenot ein Gebot der Menschlichkeit "und kein Verbrechen". Mehrere Kirchengemeinden in Hannover hatten vor der Demo bereits als Zeichen der Solidarität leuchtend orangefarbene Rettungswesten an ihre Kirchtürme gehängt. Laut Vereinten Nationen sind derzeit weltweit 68 Millionen Menschen auf der Flucht.
Julian von der Organisation „Jugend rettet“ berichtete am Sonnabend, wie der italienische Staat derzeit gegen zehn Mitglieder ermittle, weil diese vor zwei Jahren als Crew auf dem Mittelmeer zahlreiche Flüchtlinge retten und nach Europa bringen wollten. „Ihnen wird Beihilfe zur illegalen Einreise vorgeworfen.“ Diese Kriminalisierung müsse ein Ende haben, „und zwar schon gestern“, rief Julian. Es gehöre nicht zum Selbstverständnis seiner Generation, die Menschenrechte anzutasten. „Das ist nicht unsere Version von Europa“, sagte er. „Wir sind gegen den geistigen Stacheldraht in den Köpfen.“
Von Peer Hellerling
HAZ