Er ist illegal ins Land gekommen. Und man kann es ihm nicht verdenken. Hätte er es nicht getan, wäre er möglicherweise nicht mehr am Leben. Raad Alasfahani, 41 Jahre alt, wurde in Kuwait geboren, sein Vater hatte dort gearbeitet. Alasfahani ist aber Syrer. Und nach Syrien wollte er auch zurück, nachdem er in Kuwait aufgewachsen war und sich dort eine Existenz als Reiseorganisator aufgebaut hatte. Er wollte nach Hause und da das Gleiche machen. Es lief gut. Drei Jahre lang. Dann, 2011, begann der Bürgerkrieg. Raad Alasfahani hat im „Tender Buttons“-Café in der Kestnergesellschaft einen Kaffee bestellt, aber er trinkt ihn nicht. Er erzählt. Von Kuwait, von Syrien, vom Krieg. „Alles verloren“, sagt er. Zweimal wurde er fast von Bomben getroffen. Er habe versucht, für sich und seine Frau ein Visum zu bekommen, um dem Krieg zu entgehen. Keine Chance. „Wir haben dann ein Boot genommen“, sagt er. Über die übliche Türkei-Griechenland-Route sind Alasfahani und seine Frau nach Europa geflohen. Eine Weile waren sie in einem griechischen Lager. Alasfahani kaufte sich einen gefälschten italienischen Personalausweis. Mit einem Ryanair-Flug landeten sie in Brüssel. Dort suchte er sich jemanden, der sie nach Hannover fuhr. Hier lebte ein Onkel seiner Frau. Raad Alasfahani rührt den nicht angerührten Kaffee um und fällt kurz ins Englische: Wenn er an die Sprache gedacht hätte, sagt er, wäre er nicht gekommen. Er lächelt. Deutsch ist nicht einfach. Aber er hat sich durchgebissen. Seinem Deutsch hört man die arabische Färbung an, aber es gibt keine Einschränkungen bei der Verständigung. Erst mal mussten die Alasfahanis ins Auffanglager, zur Registrierung. Dann dauerte es noch etwas, bevor sie beim Onkel einziehen konnten – aber allzu lange zur Last fallen wollten sie ihm auch nicht. Nach einigem Bemühen fanden sie eine eigene Wohnung. Die Jobsuche war auch nicht leicht. In der Reisebranche scheiterte der 41-Jährige zunächst noch an der Sprache, danach verdingte er sich bei einer Zeitarbeitsfirma, schließlich in einem Hotel. Als Corona kam, wurde er auf Kurzarbeit gesetzt, bekam das Kurzarbeitergeld aber nicht ausgezahlt. Er klagte und gewann, doch der Job war natürlich weg. Es blieb nur eins: Wieder einmal von vorn anfangen. Er begann bei einem Sicherheitsdienst. Die Firma wurde auch mal von der Kestnergesellschaft gebucht. So kam Alasfahani in die Kunstwelt. Er arbeitete als Aufsicht, beim Empfang. Irgendwann wollte man ihn dort nicht mehr missen, er wurde von den Kestners übernommen. Inzwischen trifft man ihn dort nicht nur hinter dem Kassentresen. Er zeichnet jetzt auch für das Eventmanagement verantwortlich. Im Organisieren war er schon immer gut. Will er irgendwann wieder zurück nach Hause? „Das kann ich nicht allein entscheiden.“ Seine Frau müsste zustimmen – und der Sohn. Der ist jetzt siebeneinhalb. „Und er sagt zu mir: Papa, ich bin Hannoveraner.“ Raad Alasfahani lacht. Und nimmt einen Schluck vom mittlerweile kalten Kaffee.