Missbrauchs-Lehrer kommt mit Bewährung davon
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Der 63-jährige Gunnar O. – hier mit seinem Verteidiger Holger Nitz – räumte die Übergriffe ein. Die meisten Taten fanden bei ihm zu Hause statt.
© Quelle: Michael Zgoll
Hannover. Ein Lehrer der Multimedia-Berufsschule (MMBBS) an der Expo Plaza ist wegen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zu einer Bewährungsstrafe von elf Monaten verurteilt worden. Amtsrichterin Maria Kleimann folgte in ihrem Strafmaß dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Angeklagt war Ausbildungsleiter Gunnar O. wegen 14 sexueller Übergriffe an drei Schülern, der 63-Jährige gab alle Taten zu. Bei seinem Geständnis war die Öffentlichkeit ebenso von der Verhandlung ausgeschlossen wie bei den Aussagen der drei Heranwachsenden im Alter von 19 bis 20 Jahre, die Opfer der Willkür und der Triebe des Pädagogen wurden. Einige Eltern – auch von anderen BBS-Schülern – kritisierten nach dem Prozess das ihrer Ansicht nach allzu milde Urteil.
Die weitaus meisten Taten spielten sich zwischen Dezember 2011 und April 2014 in der Arnumer Wohnung des Lehrers ab. O. lud männliche Auszubildende zu sich ein und machte es sich mit ihnen gemütlich. Dabei griff ihnen in die Hose, kniff ihnen in den Po und streichelte sie im Intimbereich, weitestgehend ohne direkten Hautkontakt. Der Schilderung von Betroffenen zufolge sprach er viele Jugendliche auch schon in der Schule an und machte ihnen zweifelhafte Angebote. Bei Widerstand habe er die Auszubildenden unter Druck gesetzt, Konsequenzen bei beruflichem Werdegang oder Vergabe von Praktika angedeutet. Dabei gab es Schüler, die O. die Stirn boten, andere ließen ihn aus Angst gewähren.
Eine Tat, die der 63-Jährige einräumte, spielte sich in einem Berliner Hotel ab: Auch dort streichelte er einen damals 17-Jährigen im Intimbereich. Zu seinem grenzüberschreitenden Repertoire zählten zudem gegenseitige Rückenmassagen mit freiem Oberkörper. Nach Aussagen von Betroffenen sah O. die 14-köpfige Ausbildungsklasse „Mediengestalter Bild und Ton“ der MMBBS als seine „Familie“ an, lud einzelne Schüler auch gerne zu Wochenendfahrten ein, wo er mit ihnen Alkohol konsumierte und Spielcasinos besuchte.
Nachdem sich ein Schüler einem anderen Ausbildungsleiter offenbart hatte, begannen die Ermittlungen. Seit Mitte 2014 ist O. suspendiert. Eltern und Schüler werfen der Schulleitung bis heute vor, bereits Jahre zurückliegende Hinweise auf das pädophile Treiben des Pädagogen ignoriert zu haben; sie hätten von den Verantwortlichen in moralischer wie praktischer Hinsicht viel zu wenig Unterstützung erfahren. Wie sich am Donnerstag zeigte, sind Eltern und Schüler inzwischen zusammengerückt und zeigen – auch dank der Hilfe von Organisationen wie der Stiftung Opferhilfe oder der Beratungsstelle Anstoß – neue Stärke. So erklärte Richterin Kleimann, dass es im Vorfeld Gespräche gegeben habe, das Verfahren per Strafbefehl stillschweigend zu beenden; jedoch hätten die Opfer auf eine öffentliche Hauptverhandlung Wert gelegt. „Und es war tatsächlich wichtig“, so Kleimann, „dass der Angeklagte hautnah gespürt hat, wie viel Leid er den Jugendlichen zugefügt hat und wie dies bei ihnen bis heute nachhallt.“
Verteidiger Holger Nitz hatte für eine Bewährungsstrafe von neun Monaten plädiert. Er wies darauf hin, dass sein Mandant zwei jungen Männern bereits je 5000 Euro Entschädigung gezahlt hat und der dritte diesen Betrag noch zeitnah bekomme. O. ist in therapeutischer Behandlung, zudem erlegte ihm das Gericht fünf Beratungsgespräche im Männerbüro Hannover auf. „Rein strafrechtlich betrachtet liegen die Taten des Angeklagten am unteren Ende dessen, was zum Delikt Missbrauch von Schutzbefohlenen zählt“, sagte Kleimann – auch wenn das für die betroffenen Schüler und ihre Eltern schwer zu ertragen sei. Wenn das Urteil rechtskräftig ist, wird das Disziplinarverfahren gegen O. fortgesetzt – möglich sind eine Entlassung aus dem Schuldienst und eine empfindliche Kürzung seiner Pension.