Nach Zwangsräumung: Lindener stirbt als Obdachloser
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Zahlreiche Demonstranten hatten vor zwei Jahren versucht, die Zwangsräumung des damals 63-Jährigen zu verhindern.
© Quelle: Christian Elsner
Hannover. Der Fund einer Leiche am Freizeitheim Linden beschäftigt derzeit viele Menschen in dem Viertel. Am 12. Februar war der tote Obdachlose an dem Gebäude an der Windheimstraße entdeckt worden. Seine Identität war schnell geklärt, denn der Mann war im Stadtteil bekannt: Es handelt sich um den 64-jährigen Jürgen N., dessen Wohnung am Kötnerholzweg vor rund zwei Jahren zwangsgeräumt worden war. "Seitdem hatte er alle Perspektiven verloren", sagt Rechtsanwalt Holger Rosemeyer, der damals für den Mieterverein Jürgen N. als Mandanten übernommen hatte.
Nach der Zwangsräumung kam Jürgen B. bei Freunden unter
„Der Fall zeigt, dass Menschen nach einer Zwangsräumung völlig auf sich alleine gestellt sind und von niemandem Unterstützung erwarten können“, sagt Ratsherr Dirk Machentanz, der für die Partei Die Linke in dem Gremium sitzt. Er und einige andere aus der Partei hatten nach der Zwangsräumung versucht, Jürgen N. zu helfen. „Er ist immer wieder bei Bekannten und Freunden untergekommen, musste seine Bleibe aber immer wieder aufgeben“, sagt Machentanz. Der Grund: Den Helfern drohten ebenfalls Schwierigkeiten, weil N. aufgenommen und damit ihre Wohnungen ebenfalls untervermietet hatte. So landete Jürgen N., den seine Freunde und Bekannten nur Bauer nannten, schließlich auf der Straße. „Der Spitznamen stammt noch aus seiner Schulzeit, weil er schon damals ein wenig störrisch gewesen ist“, sagt Machentanz.
Umstrittene Räumung
Die Zwangsräumung vor zwei Jahren ist bis heute umstritten, denn Jürgen N. war aus der Wohnung geworfen worden, obwohl er seine Miete immer regelmäßig bezahlt hatte. N. war auf eine Scheinfirma hereingefallen. Der Hauseigentümer hatte die beiden Räume im Untergeschoss an eine Gesellschaft vermietet, die den alten Kiosk, der sich darin befand, wieder mit neuem Leben füllen sollte. Doch die Gesellschaft vermietete die Räume weiter, kassierte dafür Geld, reichte es aber nicht an den Hauseigentümer weiter. Nach Angaben des Hausbesitzers waren so Mietschulden von rund 20 000 Euro aufgelaufen. Der Chef der Gesellschaft war bereits vor der Zwangsräumung untergetaucht. Dreimal war die Zwangsräumung angesetzt worden. Zwei Mal musste sie aus formalen Gründen wieder abgesagt werden. Erst beim dritten Mal musste Jürgen N. sein Zuhause räumen.
Mahnwache am 7. März geplant
Freunde und Bekannte des Toten hatten sich eine Woche nach dem Auffinden der Leiche zusammen gesetzt, um über das weitere Vorgehen zu beratschlagen. „Wir können das nicht einfach so stehen lassen, was passiert ist“, sagt Dirk Machentanz. Am 7. März soll es vor der ehemaligen Wohnung am Kötnerholzweg eine Mahnwache und ein Gedenken an den Verstorbenen geben. Die Mahnwache ab 17 Uhr soll auch Zeichen des Protests gegen Wohnungsnot und soziale Ungerechtigkeit sein. Das Datum ist ganz bewusst gewählt: Der 7. März ist zum einen das Datum der Zwangsräumung, es ist aber auch der Tag an dem Jürgen N. in diesem Jahr seinen 65. Geburtstag gefeiert hätte.
Von Tobias Morchner
HAZ