Angriffe auf Juden

Nimmt der Antisemitismus in Hannover zu?

Die liberale jüdische Gemeinde hat ihr Zentrum in Leinhausen. Gottesdienste und andere Veranstaltungen müssen stets von Polizei und Sicherheitsdiensten bewacht werden. 

Die liberale jüdische Gemeinde hat ihr Zentrum in Leinhausen. Gottesdienste und andere Veranstaltungen müssen stets von Polizei und Sicherheitsdiensten bewacht werden.

Hannover. Pöbeleien auf offener Straße, Hass-Mails, Sicherheitsdienste zum Schutz von Gemeindefesten – Vertreter jüdischer Gemeinden sehen den Antisemitismus in Hannover auf dem Vormarsch. „Das Klima hat sich verändert“, sagt der orthodoxe Rabbiner Benjamin Wolff. Oft gingen die Aggressionen von Menschen arabischer Herkunft aus. Die Ratspolitik fordert die Stadtverwaltung auf, mehr Engagement im Kampf gegen Antisemitismus zu zeigen und in diesem Jahr eine Auklärungskampagne zusammen mit hannoverschen Schulen zu starten.

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„Die Zahl antisemitischer Zwischenfälle ist in den vergangenen Monaten gewachsen", sagt Rabbiner Wolff, der vor zwölf Jahren aus Israel nach Hannover kam. Er kann von einem Mann berichten, der eine Kippa trug und auf der Straße aus einem Fenster mit einer Flüssigkeit begossen wurde. Oder von der jüdischen Teenagerin, die von einem Jugendlichen mit einem Ei beworfen wurde. Alles kleine Fälle, aber sie zeigten, dass sich die Stimmung verändert habe.

„Man kann nur abraten, mit Kippa durch die Stadt zu gehen“

Das bestätigt auch Ingrid Wettberg, Vorsitzende der Liberalen jüdischen Gemeinde. „Man kann nur abraten, mit einer Kippa durch die Stadt zu gehen“, sagt sie. Die Hass-Mails hätten deutlich zugenommen, und seit ein bis zwei Jahren müsse sie einen Sicherheitsdienst vor den Türen des Gemeindehauses postieren, wenn dort Veranstaltungen stattfinden. „Ich bin ratlos und frustriert“, sagt Wettberg.

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Die Gemeindevorsitzende vermutet, dass sich der neue Judenhass aus verschiedenen Strömungen zusammensetzt. Zum einen gebe es noch immer grundsätzliche Ressentiments in vielen deutschen Wohnzimmern. Zum anderen verwandele sich die Kritik am Staat Israel nicht selten in Antisemitismus. „Zudem haben wir durch die Zuwanderung eine islamisch geprägte Judenfeindlichkeit“, sagt sie. Flüchtlinge aus arabischen Ländern seien mit dem Hass auf Israel aufgewachsen.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Michael Fürst, will das so nicht stehenlassen. „Es gibt allgemein rassistische und frendenfeindliche Tendenzen in unserer Gesellschaft“, sagt er. Aber man müsse vorsichtig sein mit der Behauptung, alles richte sich gegen Juden. „Ich kann nicht erkennen, dass in Hannover die antisemitische Stimmung zugenommen hat“, betont Fürst. Dennoch hält er die Initiative aus dem Rat für eine gute Idee.

Ratspolitik fordert Offensive gegen Antisemitismus

SPD, Grüne und FDP fordern eine Offensive gegen Antisemitismus und sehen die Stadtverwaltung in der Pflicht. Dort gibt es eine Stelle für „Demokratiestärkung und gegen Rechtsextremismus“. Die solle jetzt tätig werden und auf hannoversche Schulen zugehen, meint das Ampel-Bündnis. Auftakt soll der 9. November sein, der 80. Jahrestag der Reichspogromnacht. „Wir müssen jüdisches Leben in Hannover wieder erlebbar machen, vor allem für Kinder und Jugendliche“, sagt Grünen-Bildungspolitikerin Silvia Klingenburg-Pülm. Es sei ein Unding, dass „Jude“ wieder ein Schimpfwort auf dem Pausenhof geworden sei.

Auch die CDU stimmt dem Vorhaben im Grundsatz zu. Die Christdemokraten betonen aber, dass der neue Antisemitismus nicht nur aus der rechten Ecke komme. „Wir müssen uns auch mit dem Judenhass beschäftigen, der aus dem linksextremen und dem islamistischen Spektrum kommt“, sagt CDU-Fraktionschef Jens Seidel.

Von Andreas Schinkel und Simon Benne

HAZ

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