Nur die Farbe zählt
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MLB3VBZP5ELK5ERRHASU5A7BXY.jpg)
Das Gericht hatte zum Ortstermin vor dem dunkel gedeckten Haus geladen.
© Quelle: Wallmüller
Pattensen. Das Verwaltungsgericht Hannover hat am Dienstag ein Urteil gefällt, das so manchem Hausbesitzer in der Region zu denken geben wird. Es kann auch als deutliche Warnung an alle Häuslebauer verstanden werden, die meinen, örtliche Bauvorschriften einfach „übersehen“ zu können. Eine Familie aus dem Pattenser Ortsteil Hüpede muss nun ihr anthrazitfarbenes Dach streichen oder komplett neu decken – mit roten bis rotbraunen Pfannen.
Das Ehepaar, das den Prozess gegen die Region Hannover verlor, hatte 2009 mit dem Hausbau in Hüpede begonnen. „Rundherum standen schon einige Häuser, die dunkelgraue Dächer hatten“, erklärte der 41-jährige Familienvater am Dienstag bei einem Ortstermin. Weil nach seinem Geschmack anthrazitfarbene Dachsteine besser zu der Ziegelsteinfassade seines Hauses passten, habe er diesen Farbton ebenfalls gewählt. Was er und sein Architekt übersehen hatten oder nicht ernst nahmen, war eine örtliche Bauvorschrift der Stadt Pattensen. Demnach waren in drei Baugebieten am südlichen Ortsrand von Hüpede nur noch Dachfarben von Rot bis Rotbraun zulässig. Die Dächer sollten den Gebäuden im historischen, dörflich geprägten Ortskern angepasst werden.
2011 war das Eigenheim fertig, die dreiköpfige Familie zog ein. Ein neuer Bauherr aus der Nachbarschaft, der auf Nummer sicher gehen wollte, erkundigte sich bei den Behörden, ob er denn auch dunkelgraue Dachziegel verwenden dürfe – und brachte eine kleine Lawine ins Rollen. Die Bauaufsicht der Region sagte Nein – und nahm die bereits fertiggestellten Häuser ins Visier. Aus Kostengründen wählte sie den Weg des Musterverfahrens, forderte zunächst nur die dreiköpfige Familie auf, ihr Dach neu zu decken oder andersfarbig zu streichen. Nach erfolglosem Widerspruch zog das Ehepaar vor Gericht. Die Anweisung sei unwirksam, weil der Ortskern von Hüpede keineswegs einheitliche – rötliche – Dächer aufweise, das Verhältnis von grauen und roten Pfannen liege etwa bei 50 : 50. Der Anwalt des Klägers sprach von „obrigkeitsstaatlicher Bevormundung“.
Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts nahm sich am Dienstag mehr als zwei Stunden Zeit und scheute auch einen Spaziergang nicht, um Hüpede genau in Augenschein zu nehmen. Ihr Fazit: Die historischen Gebäude im Ortskern seien tatsächlich überwiegend rot gedeckt, und das sei das Entscheidende. Das Gestaltungsziel der Stadt Pattensen, so Verwaltungsrichter Ingo Behrens, sei legitim, die Verfügungen somit rechtmäßig. Private Gestaltungswünsche seien dagegen zweitrangig. Auch das Kunterbunt der Fassaden im Süden Hüpedes tue hier nichts zur Sache. „Wenn ein Bauherr örtliche Bauvorschriften ignoriert, muss er sich des Risikos bewusst sein“, erklärte Behrens.
Eine Berufung gegen die Entscheidung ließ die Kammer nicht zu; allerdings kann die Familie beim Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, hat dies erhebliche Folgen. Wenn er sein Dach neu decke, so der 41-Jährige, koste ihn das rund 20 000 Euro. Ein Anstrich ist für rund 2000 Euro zu haben, die Lebensdauer ist allerdings begrenzt. In der unmittelbaren Nachbarschaft haben fünf weitere Hausbesitzer mit dunklen Dächern Post von der Bauaufsicht zu erwarten, in den angrenzenden Baugebieten von Hüpede sind es einige mehr. Offen ist, ob die Region noch weitere Dachziegel moniert – die roten mit glänzender Oberfläche sind ebenfalls nicht zulässig.
HAZ