Überparteiliche Initiative

„Omas gegen Rechts“ formieren sich

"Omas haut man nicht - das sollten wir ausnutzen": Zum zweiten Treffen der "Omas gegen Rechts" sind rund zwei Dutzend AktivistInnen gekommen.

"Omas haut man nicht - das sollten wir ausnutzen": Zum zweiten Treffen der "Omas gegen Rechts" sind rund zwei Dutzend AktivistInnen gekommen.

Hannover. Auf dem Tisch stehen Kaffeetassen und Plätzchen, und in der Luft liegt Tatendrang. „Ich will jetzt endlich etwas tun“, sagt Petra Kostka entschieden, und zwei Dutzend Damen nicken energisch. Das Erstarken der Rechten beschäftigt die 58-Jährige schon lange, und deshalb hat sie als Teil einer bundesweiten Bewegung jetzt einen hannoverschen Ableger der „Omas gegen Rechts“ gegründet.

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In ihrer Praxis in der Südstadt hat die Therapeutin einen großen Kreis Gleichgesinnter um sich geschart. Das Groß ist zwischen Ende Ende fünfzig und Anfang achtzig. Längst nicht alle von ihnen sind Großmütter, besonders die drei Männer nicht, aber dafür sind sogar zwei Urgroßmütter dabei. Bei ihrem zweiten Treffen haben sie sich Klebestreifen mit ihren Vornamen auf die Pullis geheftet. Man ist schnell beim Du und noch schneller beim Wir.

„Ich möchte nicht, dass meine Enkel mich später fragen, was ich damals gegen die Rechten getan habe“, sagt Volker. „Es ist mir wichtig, dass wir in einem demokratischen Land leben, und mich beängstigt der weltweite Rechtsruck“, sagt Diana. Viele hat die Sorge hierher getrieben – die Sorge, dass liberale Errungenschaften den Bach runtergehen könnten und dass braune Gesinnung wieder gesellschaftsfähig wird.

Die grauen Eminenzen

„Die schweigende Mitte muss auch mal aufstehen!“, ruft eine der Omas. Etliche von ihnen haben sich schon in verschiedenen Projekten engagiert; in einem Arbeitskreis für Stolperstein-Verlegungen, in Flüchtlingsinitiativen und Menschenrechtsgruppen.

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Ausführlich debattieren sie darüber, ob das Wort Oma vielleicht negativ konnotiert sein könnte und ob man nicht lieber sagen sollte, wofür man ist anstatt wogegen. So müssen in den Siebzigern basisdemokratische Diskussionen in WG-Küchen ausgesehen haben; so lebendig, aber auch so langwierig. Ein Grundkonsens kristallisiert sich unter den debattenerfahrenen Frauen dennoch rasch heraus: Man ist für Frieden, Freiheit, Emanzipation, Europa und ein gutes Miteinander. Man ist für Hinschauen, Wachbleiben und Hinterfragen. Man ist gegen Trump und die Diskriminierung von Afrodeutschen.

„Die Kraft der Omas ist völlig ungenutzt“, sagt Ulrike. Oft hätten ältere Frauen in der Öffentlichkeit keine Stimme – obwohl sie reich an Lebenserfahrung und Tatkraft seien. Tatsächlich werden die Alten heute später alt als früher. Und sie werden anders alt. Es ist ja die Generation der Engagierten, die jetzt im Rentenalter ist; die grauen Eminenzen sind gestählt in den Tagen um 1968.

Der Geist von ’68

„Die Achtundsechziger hatten schon gute Ideen“, sagt Petra, eine frühere Hochschullehrerin, die fast 80 ist. „Junge Leute erlebe ich dagegen eher als unpolitisch“, moniert eine andere Oma. Überhaupt – die Jugend von heute. Sie hatte ja weder eine Kriegskindheit noch Nazi-Väter, sie kennt nur Gleichberechtigung und Frieden. Sie können nicht wissen, was auf dem Spiel steht – also muss man sie aufrütteln. So klug, warmherzig und resolut, wie das eben nur Omas können.

Beim Brainstorming sprudeln die Ideen: Gemeinsame Lesungen, gemeinsame Theaterbesuche, Kinoabende mit kritischen Filmen. Man könnte eine Landtagssitzung besuchen und der AfD in den Stadtteilen auf die Finger gucken. „Omas haut man nicht – das sollten wir ausnutzen“, sagt Petra Kostka.

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„Für Prügeleien und Sit-Ins sind wir zu alt“, meint auch eine andere Teilnehmerin. Doch der Leidenschaft der Generation Großmutter tut das keinen Abbruch. „Ich bin total scharf auf meine erste Demo“, sagt eine 59-Jährige aus Vahrenwald. Als sie seinerzeit studierte, tobten die Schlachten um die Startbahn West. Damals war sie nicht dabei; das war ihr zu gefährlich. Jetzt ist Zeit für nachholenden Ungehorsam. „Wir haben die gute alte Rolle des weisen Narren“, sagt eine Oma lächelnd, „und gegen die habe ich gar nichts.“

Heike kann vielleicht eine Button-Maschine besorgen, um „Omas gegen Rechts“-Anstecker herzustellen. Und vielleicht machen sie demnächst eine Aktion im Vorfeld der Europawahl. Das wird sich finden. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt Petra Kostka am Ende. Ein Termin fürs nächste Treffen steht. Der Kampf hat erst begonnen.

Omas gegen Rechts: eine überparteiliche Initiative

Die Initiative Omas gegen Rechts wurde in Deutschland am 27. Januar dieses Jahres auf Facebook gegründet. Bereits im Novembert 2017 hatte sich eine entsprechende Gruppe in Wien zusammengefunden. Die Omas verstehen sich als zivilgesellschaftliche, überparteiliche Initiative, die sich in den Politischen Diskurs einbringen will. Auch Opas, Kinder und Enkel sind dabei willkommen. Die Aktivistinnen eint der gemeinsame Einsatz gegen Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus – und der Wille zu zeigen, dass ältere Frauen eine wichtige politische Kraft sind.Hannovers „Omas gegen Rechts“ treffen sich an jedem zweiten Donnerstag im Monat in der Praxis „Mit allen Sinnen“ in der Seilerstraße 12 in der Südstadt. Beginn ist jeweils um 17 Uhr. Das nächste Treffen ist am 10. Januar. Mehr Infos gibt es unter ogr-hannover@gmx.de.

Von Simon Benne

HAZ

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