Politik will Obdachlosen Wohnungen ohne Auflagen verschaffen
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Obdachlosigkeit – wie hier in Berlin – ist auch in Hannover ein immer größeres Problem. Die Ampelkoalition im Rat in Hannover will mit einem neuen Pilotprojekt jetzt etwas dagegen tun.
© Quelle: dpa
Hannover. Die Wohnungslosigkeit in Hannover ist groß. Das Diakonische Werk geht derzeit von 3000 bis 4000 Menschen aus, die bei Freunden unterkommen oder in städtischen Einrichtungen leben. Dazu kommen noch etwa 400 Obdachlose, die auf der Straße schlafen. Die Tendenz ist steigend. Denn die Verwaltung schätzt, dass die Zahl der Wohnungslosen sich jedes Jahr um 10 Prozent erhöht.
Die Ampelkoalition will jetzt mit einem neuen Ansatz versuchen, diesen Menschen zu helfen: „Housing first“ heißt er. Salopp übersetzt meint das „Zuerst ’mal ne Wohnung. Dann sehen wir weiter“ – kommt aus den USA und wird seit einiger Zeit erfolgreich auch in Wien, Berlin, Hamburg, Köln oder Düsseldorf praktiziert. Das Prinzip: Betroffene müssen nicht erst einen mehrstufigen Prozess über Notunterkünfte oder städtische Wohnheime durchlaufen, bevor ihnen wieder zugetraut wird, dass sie als „wohnfähig“ in eigenen Wohnungen leben. Sie sollen sofort eine eigene „Bleibe“ bekommen – und selbst entscheiden dürfen, ob und wann sie Hilfe annehmen.
"Niedrigschwelliges Wohnangebot für Wohnungslose"
Alkohol, Schulden, Familiendrama - die Probleme, die Menschen hätten, die in die Wohnungslosigkeit abrutschten, seien hochkomplex, sagt Katrin Langensiepen, sozialpolitische Sprecherin der Grünen. „Da sollen sie nicht auch noch Gedanken, darum machen müssen, wo sie die nächste Nacht verbringen.“ Am Montag im städtischen Sozialausschuss wurde das Thema von der „Partei“ zum zweiten Mal in Fraktion gezogen. Man wolle unter anderem noch einen Antrag der Grünen zum Thema Obdachlosigkeit im Rat abwarten, sagte „Partei“-Vertreter Julian Klippert. Dabei ist es angesichts der derzeitigen Temperaturen brandaktuell.
"Niedrigschwelliges Wohnangebot für Wohnungslose" nennt die Ampelkoalition das Pilotprojekt, für das die Verwaltung gemeinsam mit der Region Hannover ein Konzept planen und im Laufe dieses Jahres vorlegen soll. Die Ampel wolle die Region mit ins Boot holen, um auch im Umland alle Möglichkeiten auszuschöpfen, Wohnraum zu finden, sagt Angelo Alter, sozialpolitischer Sprecher der SPD, der den erkrankten Robert Nicholls vertritt.
Alternative zu herkömmlichen Notunterkünften
Denn ein Problem bei „Housing first“ in Hannover ist: Woher sollen die Wohnungen für die obdachlosen Menschen kommen? Wohnraum ist in Hannover Mangelware. In Düsseldorf in dem Projekt „fifty fifty“ beispielsweise hätten wohlhabende Menschen sich in einem Verein organisiert und Obdachlosen kleine Eigentumswohnungen zur Verfügung gestellt, sagt Alter. Die Stadt habe garantiert, für Mietausfälle und größere Renovierungen geradezustehen. Die bisherigen Erfahrungen mit „Housing first“ – das zeigten Studien – seien sehr positiv, in Bezug auf Wohnstabilität, Sucht, die Kriminalitätsrate, die Bereitschaft, Therapieangebote anzunehmen. „Wir wollen mit diesen Pilotprojekt einen Anstoß geben“, sagt Alter: „Wir brauchen eine Alternative zu den herkömmlichen Notunterkünften.“
Katrin Langensiepen verweist auf ein Projekt in Köln, bei dem man es obdachlosen Menschen mit psychischen Erkrankungen nach dem Housing-First-Prinzip ermöglicht habe, eine Wohnung in einem umgebauten Hotel zu bekommen. Nachhaltig nennt Langensiepen die Erfahrungen mit solchen Projekten: „Die Menschen landen eben nicht nach sechs Monaten oder einem Jahr wieder auf der Straße“.
Von Jutta Rinas