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Kontakte knüpfen mit Spontacts

Sei doch mal spontan!

Von wegen spontan – wer auf Spontacts etwas unternehmen möchte, braucht Ausdauer, Nerven und Kompromissbereitschaft.

Von wegen spontan – wer auf Spontacts etwas unternehmen möchte, braucht Ausdauer, Nerven und Kompromissbereitschaft

Hannover. Die Kellnerin bringt eine schwarze Flasche und ein pompöses, kelchförmiges Glas an unseren Tisch und schenkt gekonnt daumenhoch ein. So sieht also Schokoladen-Bananen-Bier aus. Wie Cola mit braunem Schaum. Wir hatten uns etwas mehr versprochen. Tascha nippt mit kritischem Blick. „Joa, im Nachgeschmack merkt man es“, sagt sie achselzuckend. Nur nach Banane schmeckt das Bier nicht. Sollte es aber. Auch Lars nimmt einen Schluck aus Taschas Glas und schüttelt den Kopf.

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Das Bier ist ein guter Eisbrecher und sorgt dafür, dass kein peinliches Schweigen aufkommt. Denn Tascha, Lars und ich kennen uns nicht. Wir haben uns über die neue Smartphone-App Spontacts verabredet. Und das war nicht so leicht. Und schon gar nicht spontan, so wie es der Name der App andeutet. Spontacts will Fremde zusammenbringen. Der Nutzer kann eine Aktivität ausschreiben, Ort und Datum festlegen und hoffen, dass jemand Lust hat mitzumachen – ob Museumsbesuch, in den Soccer Park fahren, oder einfach etwas trinken gehen, wie wir. Wer an der Aktivität teilnimmt, wird zum Mitmacher. Wer nur Interesse bekundet heißt Beobachter.

Für Lars ist Spontacts die perfekte Freizeitgestaltung: Der 30-Jährige wohnt eigentlich in Köln, für seinen Job ist er jedoch unter der Woche in einem Hotel in Hannover untergebracht. Und kennt außer seinen Kollegen und dem Hotelpersonal, dass ihn schon mit Namen grüßt, niemanden hier.

„Ich kenne mich hier noch nicht aus“, entschuldigt er sich, als er verspätet am Springbrunnen am Lindener Markplatz auftaucht. Den hatte er übersehen und war vorbeigelaufen. Ich frage ihn, ob er am Schwarzen Bären vorbeigefahren sei. „Was denn für ein schwarzer Bär?“, fragt er verwundert. Als ich Lars erzähle, dass es sich nicht um ein Raubtier in freier Wildbahn, sondern eine Skulptur handelt, wirkt er fast ein wenig enttäuscht. Trotzdem möchte das Tier später noch sehen. Da wir eh schon dabei sind, geben wir dem Kölner Tipps, was es nach Feierabend in Hannover zu sehen gibt. Und Lars fragt Dinge, die ein Hannoveraner wohl nicht fragen würde. Warum alle zum Aegidientorplatz „Aegi“ sagen. Tascha und ich haben keine Ahnung.

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Nach Feierabend versucht Lars, Stadt und Leute kennenzulernen und hatte über Spontacts nach Aktivitäten gesucht. In Köln hatte er die App schon ausprobiert und war mit 20 anderen Mitmachern durch Kneipen gezogen. Daher ist er verwundert, dass über Spontacts kaum etwas in Hannover zu erleben gibt. „Wenn ich das mit Köln vergleiche muss ich sagen, dass es dort zig mal mehr Angebote gibt.“

Die gleiche Erfahrung habe auch ich gemacht, als ich mich vor zwei Wochen bei Spontacts angemeldet habe. Für Hannover waren gerade mal fünf Aktivitäten ausgeschrieben. Davon waren einige schon abgelaufen oder für mich nicht interessant. Wie die Gründung einer Tanzgruppe zum Beispiel. Also wurde ich selber tätig und erstellte die Aktivität „Joggen“, die zwei Tage später starten sollte. Eigentlich genug Zeit, um die Anzeige zu sehen. Und zumindest ein kleines bisschen Spontaneität zu zeigen. Doch niemand meldete sich. Erst einen Tag später schrieb mir Tascha, die inzwischen auf Kokosnussbier umgestiegen ist. Und es bestätigte sich mein Verdacht, dass Spontacts nicht viel mit Spontaneität zu tun hat: Abends hatte sie keine Zeit, morgens ich nicht. Am Tag darauf auch nicht. Und über das Wochenende war Tascha unterwegs. Wir vertagten unsere Joggingrunde unbefristet. Meine zweite Aktivität, ins Kino gehen, floppte total, denn niemand meldete sich.

Tascha, meine verhinderte Joggingpartnerin, ist gerade zurück nach Hannover gezogen und schreibt an ihrer Abschlussarbeit. Zuvor hatte sie an der Uni Erlangen in Bayern studiert. So wie ihr und Lars geht es im Moment wahrscheinlich vielen Studenten, die gerade nach Hannover gezogen sind: Wie lernt man neue Leute in einer fremden Stadt kennen? Bis zum Semesteranfang, der Einführungswoche und Erstie-Partys gilt es noch knapp drei Wochen zu überbrücken.

Spontacts macht es möglich – theoretisch. Wer mit dem Netzwerk etwas unternehmen möchte, muss Kompromissbereitschaft zeigen: Irgendwem passt die Zeit, der Tag oder der Ort nie. Das zeigt auch unsere Runde: Eigentlich waren der Aktivität sechs Leute beigetreten. Nur die Hälfte ist übrig geblieben. Dafür wurde in der Aktivität drei Wochen um einen Termin gefeilscht. Die Unverbindlichkeit erinnert an Veranstaltungen auf Facebook: Auch wenn sich 60 Personen für eine Party angemeldet haben, wundert man sich als Gastgeber nicht wirklich, wenn nur die Hälfte kommt.

Ganz anders sieht es zum Beispiel in Düsseldorf, Köln oder Dortmund aus: Wer hier eine Aktivität vorschlägt, kann sich sicher sein, Mitmacher zu finden. Sogar ein Archäologiestudent aus Dortmund, der einen Film über Grabstädten der antiken Bevölkerung Südamerikas im Kino schauen wollte, konnte eine ganze Gruppe Maya- und Inka-Fans um sich scharren.

Trotz der aktiven Nutzer kommt es immer wieder zu Pannen: Nutzer Moritz möchte in Düsseldorf den Zirkus 
Flicflac besuchen. Mitmacher hat er schnell gefunden. Doch als es darum geht ein Datum festzulegen und die Karten zu bestellen, bricht Chaos aus: Einige springen ab, andere, die zugesagt haben, melden sich nicht mehr. Und Nutzer Moritz ist genervt: „Lesen kann helfen!!“ schreibt er pampig in die Kommentarleiste, als ein Nutzer zum x-ten Mal fragt, wie viel denn das Ticket koste. Die Aktivität wurde am 24. Mai erstellt, am 26. August fragt ein anderer Mitmacher ein letztes Mal, ob jetzt ein Termin stehe.

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An anderer Stelle findet sich ein ominöses Angebot für ein ausverkauftes Konzert der Toten Hosen: Sechs Karten hat jemand abzugeben. Gut möglich, dass auch Händler vom Ticket-Schwarzmarkt Spontacts für sich nutzen.

Dass Spontacts in Dortmund, Düsseldorf oder Köln größeren Anklang findet, ist kein Zufall. Seit die App im März in Deutschland gestartet ist, hat sich das Spontacts-Team um Gründer Christoph Seitz auf das Ruhrgebiet konzentriert. Sogenannte Citymanager haben in den Städten zum Beispiel Brauereiführungen und Partys organisiert, um Spontacts bekannter zu machen. Das hat scheinbar funktioniert: Während es in Dortmund 
24 Aktivitäten für diese Woche gibt, wurde in Hannover keine einzige ausgeschrieben. Doch Gründer Seitz will auch das ändern: Den „nationalen Rollout“ nennt er das.

Für Tascha, Lars und mich steht fest: Wenn wir uns das nächste Mal treffen, verabreden wir uns nicht über Spontacts. Da tut es auch eine klassische SMS. Schließlich sollte es keine drei Wochen dauern, ein Treffen zu organisieren. Mit etwas Geduld und Initiative kann man aber durchaus nette Leute kennenlernen.

Es ist ein Uhr nachts, als wir den letzten Schluck Bier ausgetrunken haben. Lars konnten wir ein paar Tipps geben, was er sich in Hannover anschauen könnte. Doch zwei Sachen erledigen wir noch auf dem Heimweg: Ihm die Figur vom Schwarzen Bären zu zeigen, die er unbedingt sehen wollte, und ihm sein erstes Herrenhäuser vom Kiosk zu holen.

Manuel Behrens

Neu in der Stadt?

Wer in Hannover neu ist, muss nicht bis zur Einführungswoche der Leibniz-Uni warten, um Leute kennenzulernen.

Am Sonntag, 29. September, lädt die ZiSH-Redaktion zum zweiten 
Sofatag ein. Hinter dem Uni-Hauptgebäude wird ab 14 Uhr gemeinsam auf den mitgebrachten Sitzmöglichkeiten bei entspannter Musik unterhalten, getrunken und getanzt.

Auch beim Sport lassen sich Kontakte knüpfen. Infos zum Angebot des Hochschulsportes gibt es unter www.hochschulsport-hannover.de.

Auch über Facebook kann man sich mit anderen fürs Kino oder eine Kneipentour verabreden: In Gruppen wie „Neu in Hannover“, oder „Ersties Uni Hannover“ versammeln sich viele Gleichgesinnte.

Und ab dem 10. Oktober treffen sich Studenten wieder regelmäßig zu den Fachschaftspartys im Béi Chéz Heinz.

Isabell Rollenhagen

HAZ

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