Setzen, Sex!
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© Quelle: Stefan Hoch
Der Romantiker
Sanft beleuchten Kerzen das Bett. Rosenblätter sind auf dem seit Wochen nicht gewaschenen „Biere der Welt“-Bettbezug verstreut. Der Vanilleduft der Kerzen mischt sich mit dem muffigen Geruch der unausgeräumten Sporttasche. Wenn der Romantiker seine Liebste empfängt, legt er sich mächtig ins Zeug. Schließlich meint er zu wissen, wie Mann Eindruck schindet. Frauen, da ist er sich ganz sicher, stehen vor allem auf eines: Kitsch. So sehr die Mühen des Romantikers auch geschätzt werden mögen – eins kommt dabei zu kurz: der Sex.
Denn außer stundenlangem, krampfhaft bemühtem Streicheln hat er nicht viel zu bieten. Und wenn er dann endlich zur Sache kommt, ist er nach fünf Minuten auch schon wieder fertig. Mit ruhigem Gewissen schmust er sich an sie, schließlich hat er mal wieder alles gegeben. Dabei merkt er nicht einmal, dass sie noch lange nicht fertig war. Denn immer nur Blümchensex ist auf Dauer auch unbefriedigend.
jlz
Die Ruhige
Ihr Freund weiß langsam nicht mehr, was er tun soll: Sie sagt und macht nichts. Manchmal muss er an eine Schildkröte denken, die hilflos auf dem Rücken liegt, nachdem er ihr die Klamotten ausgezogen hat. Die unangenehme Stille beim Sex versucht er mit der „Kuschelrock Vol 26“ zu übertönen. Dann legt er los, und er kann machen, was er will – Laute der Leidenschaft bekommt er einfach nicht aus ihr heraus. Wenn er sie drängt, mal eine außergewöhnliche Position einzunehmen, seufzt sie genervt. Was macht er falsch? Plant sie womöglich grade, was sie noch einkaufen muss? Oder stellt sie sich sogar vor, in den Armen eines anderen Mannes zu liegen?
Ihre Gedanken sind unberechenbar, der Sex mit ihr ist es nicht. Rückmeldungen verweigert sie still und bewegungslos. Da er nicht weiß, ob sie überhaupt Spaß hat oder nur ihre scheinbare Pflicht als Liebhaberin erfüllt, vergeht ihm irgendwann die Lust. Ob sie jemals welche hatte, wird er dann wohl nie erfahren.
zish
Der Sportler
Die besten Übungen für Bauchmuskeltraining, das schnellste Work-out für breite Schultern und Sextipps vom stahlharten Covermodel: Wenn etwas langfristig „in“ ist, dann Sex. Der „Men’s Health“-Abonnent hechelt jedem noch so vermeintlichen Trainingstrend hinterher. Das Bett ist sein zweites Fitnessstudio: Beim Sex im Stehen will er unbedingt die Übungen seiner Lieblingslektüre nachstellen – und nebenbei noch durch Kniebeugen seine Oberschenkelmuskeln trainieren.
Er bemerkt nicht, dass sich seine Partnerin durch das Auf und Ab mehr wie ein Fitnessgerät als eine Geliebte vorkommt. Dass sie mit Sex andere Gefühle verbindet als schmerzhafte Wadenkrämpfe, hat er nicht so ganz verstanden. Statt seine Liebhaberin danach mit Komplimenten zu verwöhnen, werden erst mal die eigenen Bauchmuskeln bestaunt und die gerade verbrannten Kalorien nachgerechnet. Sein Körper mag dadurch so attraktiv wie der des Covermodels werden, der Sex jedoch nicht.
mau
Die Laute
Ihre Nachbarn werfen ihr im Treppenhaus verstohlene Blicke zu, die sie nicht deuten kann. Dass ihr Sexleben damit zu tun haben könnte, darauf kommt sie nicht. Denn wenn die Laute Sex hat, soll es nicht nur Spaß machen, sondern auch so klingen. Dabei hängt ihr Gestöhne nicht von der Qualität des Bettpartners ab. Ob der Sex gut ist, ist eigentlich nur nebensächlich. Vielmehr imitiert sie die Geräusche aus Pornofilmen – je lauter und heftiger, desto besser. Leider sind die dünnen Wände ihrer Wohnung, der durchgebrochene Lattenrost ihres Betts und das quietschende Sofa so viel improvisierter Leidenschaft nicht gewachsen. Deswegen kennen die Nachbarn zwar ihr Sexleben, aber nicht ihren Namen.
Ihren Partner kann ihr Verhalten mitunter irritieren. Er weiß nicht, ob er weitermachen oder lebensverlängernde Maßnahmen einleiten soll. Wenn sie fertig ist, kann sie nur noch ein „Das war gut“ hauchen. Zu mehr reicht ihre Stimme dann nicht mehr.
alu
Die Waghalsige
Das Wort Langeweile hat die Waghalsige aus ihrem Wörterbuch gestrichen. Zumindest was Sex angeht. Da muss jede Stellung komplizierter sein als die andere. Die erotischen „Shades of Grey“-Romane sind ihr zu langweilig, deswegen liegt neuerdings ein Klassiker der Erotikliteratur zum Nachmachen auf ihrem Nachttisch: das Kamasutra. Nach „die stolze Königin“ und „der Brückenpfeiler“ schmerzen die Rippen schon erheblich – auf weitere Verrenkungen will sie trotzdem nicht verzichten. Hauptsache, sie kann ihren Partner alle zwei Minuten mit Positionswechseln aus der Reserve locken. Dabei ist alles nur auf das eine Ziel gerichtet: keine Routine. Die wäre für das Sexleben der Experimentierfreudigen das Ende. Daher muss auch ihr Freund nicht nur aufregend, sondern noch sehr gelenkig sein. Wenn sie von ihren Ex-Freunden erzählt, wird schnell deutlich, dass nicht mangelnde Liebe die Trennungsgründe sind – sondern Bandscheibenvorfälle und Meniskusrisse.
alu
Die Labertasche
Sie liegt stöhnend im Bett. Der Höhepunkt naht. „Ist das gut so? Oder soll ich noch ein Stück nach links rücken?“, unterbricht der Bemühte und holt sie aus ihrer Ekstakse zurück auf das quietschende Bettgestell. Dabei meint er das gar nicht böse – im Gegenteil: Seine Messlatte hängt er besonders hoch und will unbedingt alles richtig machen. Dass sie bei Fragen wie „Ist alles in Ordnung? Du atmest so schwer!“ die Lust verlieren könnte, ist ihm nicht bewusst.
Mit seiner stetigen Unsicherheit schwindet die Entspannung im Bett zunehmend. Jede ihrer Regungen wird von ihm kommentiert und hinterfragt. "War das jetzt gerade zu dolle?" Statt die Zweisamkeit zu genießen, zerredet er die Atmosphäre.
Dass sein ununterbrochenes Reden auch stören kann, bemerkt die bemühte Labertasche nicht. Denn eigentlich sucht er nur Bestätigung für sein Tun. So kann er sich auch das abschließende "Und? Wie war ich, Schatz?" nach dem Höhepunkt nicht verkneifen.
kru
Der Rammler
Der Rammler kann – und vor allem: will – immer. Sex ist für ihn reine Bedürfnisbefriedigung. Und das Bedürfnis ist allgegenwärtig. So unvorhersehbar wie seine plötzliche Lust ist auch der Ort des Geschehens. Das heimische Schlafzimmer, die Toilettenkabine im Klub oder die enge Rückbank seines VW Polo – er hat sie alle schon auf Bequemlichkeit und die Gefahr, erwischt zu werden, geprüft.
Doch so abenteuerlich seine Wahl des Ortes auch ausfallen mag, so leidenschaftslos ist der Rammler, wenn es zur Sache geht. Sein Problem: Er kann seine Lust nur schwer kontrollieren. Das Vorspiel wird im Eifer des Gefechts auf zwei Minuten gieriges Knutschen reduziert. Und wer gerne an unkonventionellen Orten Sex hat, dem bleiben bei der Wahl der Positionen wenig Optionen – Hauptsache, es ist einfach und niemand wird verletzt. Und so schnell, wie es losgeht, ist dann auch schon wieder alles vorbei.
jos
HAZ