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"Bang With Friends"

Sex unter Freunden

Foto: Wenn Freunde schwach werden und in die Kiste steigen, sind Probleme vorprogrammiert: Hatte es was zu bedeuten? Kann da was Ernstes draus werden? Und was sagen die gemeinsamen Freunde?

Wenn Freunde schwach werden und in die Kiste steigen, sind Probleme vorprogrammiert: Hatte es was zu bedeuten? Kann da was Ernstes draus werden? Und was sagen die gemeinsamen Freunde?

Hannover. Fehler! Fehler! Fehler! Wir liegen nebeneinander, atmen schwer. Ich schaue an die Decke, schaue nach links, wo ein paar Dutzend Fotos unserer Freunde die Wand schmücken. Unsere Clique auf dem Festival, bei der Abi-Party, beim Lagerfeuer in Kalles Garten. Ich schaue wieder an die Decke und dann nach rechts. Da liegt die Frau, die eben noch meine beste Freundin war. Bis wir uns anschauten, auszogen, küssten und auch dann nicht aufhörten.

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So richtig kennengelernt haben wir uns in der dritten Klasse. Sie hatte einen kleinen, verletzten Vogel auf dem Bürgersteig gefunden. Der Vogel tschiepte leise, war schwach. Wir legten ihn auf den Sockel eines Zaunpfostens und suchten sogar einen Regenwurm. Kraftfutter, um wieder gesund zu werden. Am Nachmittag war der Vogel weg, davongeflogen, wie wir dachten, hofften. Danach waren wir Freunde. Wir bildeten den Kern einer Clique, die fast alles überstand. Schulwechsel, Umzüge, Pubertät, erste Liebe. Meine Oma hielt meine beste Freundin für meine Freundin. Wir lachten darüber.

Dann kam der Sex. In ihrem Zimmer, in dem ich fast die Hälfte meiner Freizeit verbracht hatte. Mit Reden, Lachen, Quatsch-TV-Schauen, Schweigen und manchmal auch Weinen. Nach dem Sex schauten wir uns lange in die Augen. „Scheiße, oder?“, sagte sie. Ich nickte nur. Dann umarmten wir uns wieder, küssten uns und stoppten nicht – vielleicht auch aus Angst, uns nie wieder überhaupt nah zu sein.

Die Clique war in Panik, als ich mich verplapperte, nach einem Bier zu viel. Was unsere Freunde da nicht wussten: Wir haben weiter gemacht. Irgendwann wurde es so normal wie zu reden, lachen und Quatsch-TV schauen. Als wir das merkten, waren wir schon ein Paar. Und blieben es für drei Jahre, glücklich, und mit einer glücklichen Clique. Bis, ja bis wieder was passierte.

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ZiSH

Einseitig

Alexander und Johanna sitzen in der Küche. Statt romantischer Musik plärrt das Radio, und Kerzen sind auch keine da. Sie essen Spagetti – ganz ohne Bauchkribbeln und Nervosität. Seit sie sich vor drei Monaten auf einer Party kennengelernt haben, treffen sie sich regelmäßig – als Freunde.

Alexander ist 25, war schon als Soldat im Irak und studiert jetzt Politik. Er ist die Art von Kumpel, den man nach einem langen Arbeitstag aufsucht, um auf dem Sofa zu lungern und bei einem Bier über den Chef zu lästern. Für mehr reicht es nicht, denn er ist nicht Johannas Typ: viel zu viele Tattoos und langweilige Debatten über Politik. Johanna ist erst 19, gerade mit der Schule fertig und will keine Beziehung.

Dann kommt der Abend, an dem beide ein Glas Sekt zu viel trinken. „Lass uns doch die Freundschaft etwas erweitern“, sagt Alexander. Sie landen im Bett. Das starke Vertrauen ersetzt die fehlende Liebe. Danach schalten sie sofort wieder in den Freundschaftsmodus. Nur, dass sie sich jetzt nach dem Abend mit der Clique oder dem Joggen im Park noch im Bett vergnügen – alles ganz unkompliziert.

Doch nach ein paar Wochen merkt Johanna, dass sie ständig an seine schwarzen Locken, sein Lachen und seine sanften Küsse denken muss. Sie hat sich verliebt. Er dagegen steht nach dem Sex sofort auf, scheint nicht zu bemerken, dass Johanna noch kuscheln will. Immer wieder redet er von seiner Ex und geht nicht ans Telefon, wenn sie ihn anruft.

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Spaghetti gibt es schon lange nicht mehr – für Alexander steht der Sex jetzt im Vordergrund. Johanna ist unglücklich. Beide wissen: Die Freundschaft ist vorbei. Sie beschließt, den Kontakt abzubrechen. Doch eine Frage geht ihr nicht aus dem Kopf: „Ob wir noch Freunde wären, wenn wir nicht miteinander geschlafen hätten?“

Rebecca Gerigk

 

Kompromisslos

Arne hatte schon öfter Schäferstündchen mit Freundinnen. Bisher lief so etwas auch immer ohne größere Probleme ab. Doch ab und zu gab es auch mal unangenehme Situationen. Sandra, eine gute Freundin, mit der er eine Zeit lang regelmäßig im Bett war, wohnte später mit seinem besten Freund zusammen. Sie sahen sich sehr oft, kriegten viel vom anderen mit, auch die Bettgeschichten. Das erzeugte manchmal böse Luft. Aber trotzdem sind sie weiterhin befreundet geblieben.

Mit Eileen, einer anderen „Freundschaft mit gewissen Vorzügen“, war es so ein Hin und Her. Beide waren sich unsicher: „Ist das jetzt vorbei mit dem Sex oder nicht?“ Sie trafen sich mit anderen, erzählten sich auch gegenseitig davon. Das endete zu oft im Streit, bis Arne irgendwann einfach ging. Damit war die Freundschaft vorbei. Wenig später zog sie in eine andere Stadt.

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Sex hat diese Freundschaft kaputt gemacht, und "das ist natürlich schade, aber wenn an so etwas die Freundschaft zerbricht, nehme ich es in Kauf." Er sieht es locker, selbst wenn er mit zwei Freundinnen gleichzeitig etwas laufen hat.
Arne gefällt das Konzept, mit Freunden in die Kiste zu steigen. "Keinen Beziehungsstreit, man sieht sich viel seltener und hat keine Verpflichtungen", sagt er. "Außerdem ist der Sex viel exklusiver, aufregender. Es ist ja nicht selbstverständlich." Damit das auch auf Dauer gut geht, hat Arne zwei klare Regeln: nicht die Lust am Sexpartner verlieren und ja nicht verlieben. Oder es zumindest nicht zugeben. "Wenn das nicht klappt, will sie vielleicht eine Beziehung. Noch schlimmer: Es kehrt Langeweile ein."

Selbst wenn Arne die Freundin schon länger kennt, ist es für ihn keine große Sache: „Manchmal will ich auch nur ein einziges Mal mit ihr Sex haben, weil ich mich schon so lange frage, wie sie wohl im Bett ist. Mehr nicht, ist ja nur Sex.“

Erik Klügling

Hin und her

Irgendwann waren sie mal beste Freunde. Katie und ihr bester Freund Jan sahen sich jede Woche, hingen zusammen ab. Meistens schauten sie Filme und redeten stundenlang miteinander. Wenn sie nicht zusammen waren, schrieben sie sich halt SMS oder telefonierten. Er erzählte von seinen Frauengeschichten und Katie von ihren Misserfolgen bei den Männern. Alles war immer lustig und entspannt. Irgendwie war Katie auch stolz darauf, dass sie so eng befreundet waren.

Mit der Zeit sahen sie sich immer häufiger. Und irgendwann hatte Katie keine Lust, nach langen Gesprächen mitten in der Nacht noch zur letzten Bahn zu hetzen. „Bleib doch einfach hier“, sagte Jan.Plötzlich lagen sie nebeneinander im Bett. Sie kann sich nicht mehr zurückhalten, küsst ihn. „Darauf warte ich schon ewig“, gesteht er. Doch Katie wird schnell klar: Jan ist viel zu sehr ein Frauenheld, als dass er eine Beziehung eingehen würde. Auch wenn sie die Finger nicht voneinander lassen können.

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Die nächsten Wochen und Monate sind ein auf und ab zwischen „Ich vermisse dich“ und „Ich will nicht auf alles verzichten“. Jans Affären, über dessen Schilderungen sie früher noch lachte, sind jetzt nur noch eine Liste von Konkurrentinnen, auf die Katie eifersüchtig ist. Doch sie verbringen die Nacht wieder miteinander – im Bett statt auf der Couch vor dem Fernseher. Aber Katie will nicht so weitermachen. Sie will eine Beziehung. Mit allem, was dazu gehört. Der Streit ist vorprogrammiert. Diesmal nimmt sie die letzte Bahn nach Hause – und will Jan nur noch vergessen. Funkstille.

Zwei Monate später verliebt sich Katie neu. Den Stress mit Jan vergisst sie. Auch er ist vergeben. Sie telefonieren wieder miteinander und treffen sich ab und zu. Und sie können wirklich über alles reden – dank der Bettgeschichte.

ZiSH

Nachgefragt: "Sich fallen lassen können"

Kurt Brylla ist Psychoanalytiker und leitet die Ambulanz am hannoverschen Winnicott-Institut.

Zwei gute Freunde haben Sex. Wie verhält man sich danach am besten?

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Pauschal kann man das nicht sagen. Es ist gut, vor dem Hintergrund der bestehenden Freundschaft und dieser Erfahrung offen über seine Gefühle und Erwartungen zu sprechen. Man sollte schauen, ob man beim Sex auf einer Wellenlänge ist, ob es befriedigend war.
Sollten man den gemeinsamen Freunden vom Sex erzählen?

Beide müssen erst einmal klären, wie ihre Gefühle füreinander sind, bevor sie ihren gemeinsamen Freunden davon erzählen. Sonst ist das wie bei "Stille Post": Jeder versteht etwas anderes, und Halbwahrheiten gehen umher, die in der gesamten Clique für Unsicherheit sorgen.
   
Welche Konsequenzen kann das für die Clique haben?

Die Beziehungsdynamik ändert sich. Bei einer Clique stellt sich die Frage, wie sich das neu gebildete Paar in die Gruppe integriert – oder inwieweit ihre "Zweisamkeit" die Gruppendynamik stört.
       
Welche Vorteile hat Sex mit einem Freund?

Wenn man bereits eine freundschaftlich vertraute Beziehung hat und dann miteinander schläft, ist das in der Regel eine bessere Voraussetzung als bei einander Unbekannten, die beziehungslos sind und sich eher „kalt“ gegenüberstehen. Vorteilhaft ist es, wenn man fühlt, dass man sich bei der anderen Person fallen lassen kann und gut aufgehoben ist.

Ist die Verbindung von Freundschaft und Sex typisch für die heutige Jugend?

Nein, das ist ein Phänomen, das es schon immer gab. Das hat Menschen schon immer verunsichert. Schließlich sollte man bei jedem Menschen individuell herausfinden, ob dieses Verhältnis für eine verbindliche Partnerschaft reicht.

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Interview: Marina Uelsmann

HAZ

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