Von Jugendgangs und Autoknackern
List/Oststadt
Petra Breuer ist derzeit nicht gut auf die Polizei zu sprechen. Vor drei Wochen ist das Auto, das die 41-Jährige über Nacht an der Hohenzollernstraße abgestellt hatte, aufgebrochen worden. Die Täter nahmen das Navigationsgerät mit. "Als ich morgens zur Arbeit fahren wollte, habe ich alles entdeckt. Es hat Stunden gedauert, bis ein Streifenwagen hier war", ärgert sich die Angestellte noch heute.
Ärger ganz anderer Art hat am Abend, um kurz nach 23 Uhr, die Mannschaft der "Black Obamas": Sie kassiert eine schlimme Niederlage. Mit 5:0 werden die "Obamas" von den Kickern der "Los Yugos Betrugos" beim mitternächtlichen Fußballturnier aus der Halle der Werner-von-Siemens-Realschule gefegt. "Egal, wir kommen nächstes Mal wieder", erklärt Kevin. Früher hat er mit seinen Freunden die Wochenenden auf der Straße verbracht. "Rumhängen, mit Jugendlichen Streit anfangen und trinken, so haben wir die Zeit rumgebracht", sagt der Realschüler. Seit die Stadt einmal im Monat die Sporthalle am Welfenplatz zum Fußballspielen öffnet, ist das vorbei. "Es ist schade, dass der Mitternachtssport nur einmal im Monat stattfindet – wir würden gerne öfter kommen", sagt der 15-Jährige.
Vahrenwald
Die Rentnerin Maria Lang kommt gerne in den Vahrenwalder Park. Sie wohnt ganz in der Nähe und nutzt die Grünfläche als Garten. "Aber sobald es dunkel wird, verändert sich hier alles", sagt die 78-Jährige. Jugendliche würden den Park dann belagern, Alkohol trinken und ihre Kampfhunde ohne Leine über die Wiesen jagen. Wenn Julia Marx vormittags mit ihrer Tochter Paula den Spielplatz im Park aufsucht, muss sie oft leere Schnapsflaschen und abgebrannte Silvesterkracher von den Rutschen und aus den Sandkästen räumen: "Die Polizei setzt in diesem Bereich viel zu oft berittene Beamte ein. Bis die von ihren Pferden abgestiegen sind, haben die Täter doch längst das Weite gesucht", beschwert sich die 31-Jährige.
Nordstadt/Hainholz
Das große Plakat füllt fast das gesamte Fenster von Carsten Cuhls Büro an der Ecke Im Moore/Hahnenstraße aus: "Dreister Dieb" lautet die Überschrift. Etwas weiter unten erfährt der Leser, dass der Ingenieur eine Belohnung von 500 Euro für die Wiederbeschaffung seines gestohlenen Fahrrades und 1000 Euro für Hinweise, die zum Täter führen, ausgesetzt hat. "Mir ist das Rad am helllichten Tag geklaut worden. Das finde ich so dreist, dass ich sofort das Plakat aufgehängt habe", erzählt der 46-Jährige. Edeltraut Geschke, die Bürgermeisterin des Stadtbezirks Nord, wird auf der Straße häufig auf die hohe Kriminalitätsrate in ihrem Zuständigkeitsbereich angesprochen: "Mir scheint es derzeit in Hainholz die meisten Probleme zu geben", sagt die SPD-Politikerin. Eine Einbruchsserie rund um den Bereich der Sorststraße beispielsweise verunsichere gegenwärtig die Anwohner. "Die Polizei hat angeblich bereits einen Täter festgenommen, die Leute glauben allerdings nicht, dass er die Taten im Alleingang verübt hat", berichtet Geschke.
Sahlkamp
Das Votum der Bürger im Stadtteil Sahlkamp-Mitte ist eindeutig: In einer offiziellen Befragung der Stadt konnten sie Verbesserungsvorschläge für ihr Viertel einreichen. Beim Unterpunkt Sicherheit wird ein Thema immer wieder aufgeführt: "Die Bürger wollen ihre Polizeistation im Sahlkamp zurück", fasst Gudrun de los Santos Marte vom Stadtteiltreff die Antworten zusammen. Im April 2006 wurde die Polizeistation mit der von Vahrenheide zusammengelegt. Die neue Wache befindet sich jetzt im Tempelhofweg und nicht mehr direkt am Sahlkampmarkt. "Die neue Polizeistation wird aus unserer Sicht gut von den Bürgern angenommen", sagt eine Polizeisprecherin.
Gudrun de los Santos Marte will nichts wissen von einem wachsendes Gefühl der Unsicherheit im Viertel. Der Sahlkamp habe kein Kriminalitäts-, sondern ein Imageproblem: „Wir sind kein Getto, der Stadtteil besteht zu 72 Prozent aus Einfamilienhäusern“, sagt die Mitarbeiterin des Stadtteiltreffs. Sicherlich gebe es Probleme im Viertel, aber man dürfe eben nicht nur über die Schwierigkeiten im Sahlkamp sprechen. „Alles, was hier passiert, wird mit einer Schablone gemessen, und dann heißt es wieder: Ja klar, der Sahlkamp. Das ist mir zu einfach.“
Die Jugendlichen Eyyüp, Momo und Aba machen ihr die Sache nicht leichter. Die Jungs sind Mitglied der Gang VGB. Der Schriftzug prangt auf den T-Shirts und Kapuzenjacken der Schüler. Die Buchstaben stehen für „Vahrenwald Getto-Brüder“. In ihrem neusten Gangster-Rap-Video reimt ein Heranwachsender, der sich den Namen „Shiro, der Perser“ gegeben hat, unverhohlen: „Hau lieber ab, bevor ich auf dich schieß’.“ Der zwölfjährige Mohammed, der in seiner Hosentasche ein Mini-Butterfly-Messer mit sich herumträgt, ist noch zu jung, um bei den Großen mitmischen zu dürfen. Er trifft sich regelmäßig mit Gleichaltrigen, die sich „G4G - Ghetto for Ghetto“ nennen. „Wir wollen so werden wie unsere großen Brüder“, schwärmt Mohammed.
Vahrenheide
In der wärmeren Jahreszeit verwandelt sich die Aral-Tankstelle an der Vahrenwalder Straße jeden Freitagabend in einen Treffpunkt für Autoliebhaber und Motorradfans. 150 bis 200 Anhänger von Hannovers Tuningszene versammeln sich dort für ein paar Stunden, um sich auszutauschen – und die Polizei hat immer ein wachsames Auge auf die Autoschrauber. "Ein Streifenwagen steht hier eigentlich immer wegen uns", sagt der 21-jährige Benjamin Voß aus Garbsen. Er kommt regelmäßig mit seinem tiefergelegten und mit Sportsitzen versehenen roten Golf IV zu den Treffen. Besonders viel Präsenz zeigten die Beamten zur Saisoneröffnung am Karfreitag. Sie befürchteten, dass sich die Autofans, wie in der Vergangenheit häufig geschehen, zu spontanen Rennen auf der Vahrenwalder Straße verabreden würden. "Wir treffen uns nur, um zu quatschen", erklärt dagegen Benjamin Voß, "Rennen werden hier doch schon seit Jahren nicht mehr ausgetragen." Die Polizei will auf derartige Versprechen nicht vertrauen. "Durch unsere Präsenz wollen wir den Leuten vor Ort signalisieren, dass es sich nicht lohnt, aus der Reihe zu tanzen", sagte Polizeisprecher Heiko Steiner.
Wenn Kwapik Bernard von seiner Spätschicht bei Conti kommt und von der Stadtbahnhaltestelle über den Vahrenheider Markt nach Hause geht, beschleicht ihn immer ein komisches Gefühl. „Abends fühle ich mich hier nicht sicher“, erklärt der 55-jährige Deutsch-Pole. Es komme häufig vor, dass Passanten von Betrunkenen oder anderen Personen, die ab 22 Uhr den Platz bevölkern, angepöbelt und übel beschimpft würden. „Die Polizei müsste hier viel regelmäßiger kontrollieren, sonst hört das nie auf“, sagt Bernard.
HAZ