Debatte

Warum ist der Hund der beste Freund des Menschen?

Hunde am neuen Rathaus

Hunde am neuen Rathaus

Sie verrichten ihr Geschäft auf dem Bürgersteig. Sie belästigen Jogger in der Eilenriede. Sie bellen, wenn sie nicht sollen. Und manchmal, sehr selten, verursachen sie Tragödien, wenn sie Menschen angreifen. Hin und wieder, wie vor zwei Wochen in Groß-Buchholz, sogar die eigenen Halter.

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Warum eigentlich hat der Mensch vor gut 15 000 Jahren beschlossen, Hunde in sein Leben zu lassen? Hat das nicht nichts als Ärger gebracht?

„Hunde können Freunde sein“

Hilde Moennig kann viel zu dem Thema sagen, und während sie das tut, streckt Weimaraner-Hündin Isa unter dem Tisch wohlig die Beine aus. „Ein Hund bedeutet zum Beispiel Gesundheit“, sagt die Tierärztin aus Bemerode. Moennig hat 20 Jahre für die CDU in Hannover Kommunalpolitik gemacht, zehn Jahre lang war sie ehrenamtliche Bürgermeisterin, sie kennt die Kabbeleien zwischen Hundehaltern und Hundehassern. Sie weiß aber auch, wie wertvoll Hunde für den Menschen sein können, wenn alles gut läuft. „Hunde können gute Freunde für den Menschen sein“, sagt sie. „Sie können Einsamen Gesellschaft leisten und Kranke therapieren.“

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All das ist wissenschaftlich erforscht. Wissenschaftler der Universität Uppsala etwa haben zwölf Jahre lang die Gesundheit und den Lebensstil von 3,4 Millionen Erwachsenen beobachtet. Ergebnis: Bei Singles war die Sterblichkeit unter den Hundebesitzern während um 33 Prozent geringer als beim Rest der Testgruppe, das Risiko für Herzinfarkte sank um elf Prozent gegenüber Alleinstehenden ohne Hund. Die Forscher gehen davon aus, dass ein Tier im Haus das Wohlbefinden erhöht und soziale Kontakte erleichtert. Zudem verhielten sich Menschen mit Hund gesundheitsbewusster und seien aktiver. Eine „positive Hundebegegnung“ fördere die Produktion des Glückshormons Oxytocin und senke die der Stresshormone Insulin und Cortisol, haben die Wissenschaftler herausgefunden. Heißt: Hunde machen glücklich – aber nur den, der Hunde mag.

Juliane Bräuer erforscht für das Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena auch das Innenleben des Hundes und sein Verhältnis zum Menschen. Sie berichtet von einer Studie, bei der ein Rollstuhlfahrer einen Ausflug durch den Park machte. Ohne Hund wurde er einmal von einem Fremden angesprochen – mit Hund achtmal. „Es gibt weltweit keine Kultur, in der der Hund keine Rolle spielt“, sagt Bräuer. „Es gibt ihn wirklich überall.“ Allerdings sei nicht überall auf der Welt jedem Hund auch ein Mensch zuzuordnen wie in den meisten westeuropäischen Ländern: „Schätzungsweise 70 Prozent der Hunde auf der Welt gehören niemandem.“

Der Hund als Zankapfel

Und obwohl, oder gerade weil, hierzulande alles so geordnet läuft, ist der Hund auch ein ewiger Zankapfel. Immer wieder tauchen in Hannover Giftköder auf, die Hunde töten sollen – möglicherweise als Reaktion darauf, dass viele Halter ihre Tiere auf die Bürgersteige der Landeshauptstadt machen lassen, ohne sich um die Hinterlassenschaft zu kümmern. Ein Versäumnis, das bei den Mitmenschen Missmut verursacht, der zu echtem Hass werden kann.

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Dann ist da die Frage, ob, wann und wo der Hund an die Leine zu nehmen ist. Hilde Moennig sagt: „Leinenzwang ist keine artgerechte Tierhaltung.“ Einen Hund während der Brut- und Setzzeit vom 1. April bis zum 15. Juli nicht von der Leine zu lassen sei Tierquälerei – zumal dann, wenn diese Leine, wie in Hannover und zahlreichen Umlandstädten, nicht länger sein dürfe als anderthalb Meter.

Philip Foth dagegen, Pressereferent des Nabu-Landesverbandes Niedersachsen, hält den in Niedersachsen geltenden Leinenzwang im Frühjahr und Sommer für richtig. Zudem fordert der Nabu, dass dieser Leinenzwang in Wäldern ganzjährig zu gelten habe. „Eine Vorgabe des Landes diesbezüglich wäre nötig. Dadurch werden Wildtieren Rückzugsmöglichkeiten geboten sowie die wild lebenden Tiere beruhigt.“

Eifersüchtige Hunde? Quatsch.

Von zivilisatorischen Problemen wie diesen ahnte der Mensch nichts, als er den Hund, der damals noch ein Wolf war, erstmals in seine Nähe ließ. „Die Frage ist ja, warum man sich damals einen Nahrungskonkurrenten ans Bein gebunden hat“, sagt Forscherin Bräuer. Die Theorie dazu geht so: Die Wölfe müssen um die menschlichen Behausungen herum den Abfall gefressen haben – das war nützlich für beide Seiten. „Und irgendwann hatte vermutlich ein Mensch die Idee, einen Wolf in die Höhle hinein zu lassen“, sagt Bräuer. „Man muss sagen: Das war ein voller Erfolg.“

Leider, scheint es, hat der Hund den Menschen in dieser Zeit besser zu verstehen gelernt als umgekehrt. „Der Mensch weiß noch nicht genug über den Hund“, sagt Bräuer. Nur wenige hündische Gesten seien wissenschaftlich erforscht, stattdessen gebe es viele Gerüchte und hündische Küchenpsychologie. „Etwa zu meinen, ein Hund könne eifersüchtig sein, ist Unsinn“, sagt Bräuer. „Da wird viel überinterpretiert.“

Und weil der Mensch den Hund nicht gut genug kennt, weiß er häufig auch nicht richtig mit ihm umzugehen. „Ein Hund braucht eine konsequente Erziehung“, sagt Tierärztin Moennig. „Einen Jagdtrieb kann man kontrollieren, und Kot auf dem Bürgersteig kann man aufheben.“ Moennig plädiert dafür, schon Kindern im Kindergarten den Umgang mit Hunden beizubringen. „Wenn jeder Hundehalter verantwortungsvoll mit seinem Tier umginge, dann hätten wir den ganzen Ärger nicht.“

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Interview mit Jagdpächter Heinz Pyka

"Es mangelt an Erziehung"

Herr Pyka, Hundehalter fühlen sich oft an den Pranger gestellt von Fußgängern, Radlern, von Naturschützern und Ordnungshütern. Werden sie zu Unrecht gegängelt?

Nein. Was Hundehalter sich herausnehmen, ist zum Teil inakzeptabel, und dann darf man sich nicht über den schlechten Ruf wundern. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Erstens bin ich kein Hundehasser, sondern als Jäger ständig mit Hunden unterwegs. Zweitens ist es natürlich so, dass ganz viele Hundehalter sich vorbildlich verhalten. Aber leider tun ganz viele das nicht. Es wird immer schlimmer – und das muss thematisiert werden.

Was läuft falsch?

In Wettbergen sind wieder zwei Rehe totgebissen worden. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Es ist Brut- und Setzzeit, da gehören Hunde in der Natur angeleint. Wenn Sie aber durchs Wettberger Holz gehen, sehen Sie: Von 20 Hunden sind höchstens fünf angeleint. Das hat schon bei kleinen Hunden schlimme Folgen. Wenn ein Yorkshire eine halbe Stunde Stöckchenwerfen spielt auf der Wiese, merkt der Halter nicht, dass eine Feldlerche ihr Nest aufgibt, weil sie sich verscheucht fühlt – die Eier sind kalt, die Brut ist getötet.

Hundehalter beklagen, dass es zu wenig Auslaufflächen während der Brut- und Setzzeit gibt.

Tatsächlich sollte man bei der Stadt neu nachdenken. Mir kann niemand erzählen, dass bei den Ricklinger Kiesteichen zum Beispiel, wo bei gutem Wetter täglich 5000 Leute unterwegs sind, Bodenbrüter geschützt werden müssen. Andererseits: Wer sich einen Hund anschafft, muss vorher überlegen, ob er ihm ausreichend Auslauf gewährleisten kann – und nicht erst den Hund kaufen und dann über Flächenmangel schimpfen.

Haben zu viele Halter eine falsche Vorstellung vom Hund?

Auf jeden Fall mangelt es oft an Erziehung. Wie bei Kindern braucht auch ein Hund Geduld, Konsequenz und Liebe. Von der Liebe haben heute viele Halter deutlich zu viel, aber an Konsequenz mangelt es sichtbar. Viele Hunde werden nur noch mit Leckerli erzogen. Hunde müssen verlässlich sein – und sie müssen zum Halter passen. Eben kamen zwei Mädchen mit Pitbulls vorbei. Das sind je 35 Kilo Muskelmasse. Wenn ein Kleinkind Angst bekommt und schreiend wegläuft und ein Pitbull reagiert, können die Mädchen ihn nicht halten.

Was muss sich ändern?

Erstens: Es muss klare Regeln für Züchter geben. Einige Bulldoggen etwa können nur noch per Kaiserschnitt gebären, weil die Köpfe zu groß gezüchtet sind. Zweitens: Es muss nachprüfbare Qualifikationen für Hundetrainer geben. Im Moment darf sich jeder so nennen. Drittens: Hundehalter müssen lernen, die Tiere nicht zu vermenschlichen. Und zuletzt: In der Öffentlichkeit müssen Halter Rücksicht nehmen. Nur dann können sie erwarten, dass ihnen mit Respekt begegnet wird. Und das wollen doch eigentlich alle – auch den Hunden zuliebe.

Interview: Conrad von Meding

Interview mit Hundeschul-Inhaberin Ilka Schumacher

"Es fehlt an Rücksichtnahme"

Frau Schumacher, Hundehalter fühlen sich oft an den Pranger gestellt von Fußgängern, Radlern, von Naturschützern und Ordnungshütern. Werden sie zu Unrecht gegängelt?

Ich persönlich versuche, mit meinen Hunden immer Rücksicht zu nehmen auf die Passanten, habe aber oft den Eindruck, dass auf uns nicht Rücksicht genommen wird. Es gibt freundliche Radfahrer. Aber hier am Kanal in der List erlebe ich es oft, dass sie angeschossen kommen und erst kurz vor knapp klingeln. So schnell kann man gar nicht zur Seite springen. Und dann wird man noch getadelt. Radfahrer und Fußgänger teilen sich oft Wege, am Kanal, in der Eilenriede – und eigentlich gilt: Fußgänger vor Radfahrer.

Sie würden sagen: Mehr gegenseitige Rücksichtnahme?

Ja, das wäre schön.

Würde aber auch heißen: Man ruft seinen Hund zu sich, wenn ein Radfahrer kommt. Oder ein ängstlicher Fußgänger.

Ja, natürlich. Gegenseitige Rücksichtnahme ist das A und O. Ist nur schwierig, wenn jemand von hinten kommt und man kriegt es nicht mit.

Wir haben Brut- und Setzzeit. Hundehalter sagen oft, gerade jetzt sind die Auslaufflächen zu klein.

Ich bin ohnehin kein Freund von Auslaufflächen. Sie taugen zum Beispiel nicht für Hunde, die Angst vor anderen Hunden haben. Manche Auslaufflächen liegen direkt an Straßen, da frage ich mich: Wer plant so was? Dänemark ist in vielen Punkten kein Vorbild, aber es gibt dort Hundewälder. Das ist  toll. Viel Platz, alles eingezäunt. Im Wald wird allerdings wieder gebrütet. Das passiert aber auch auf der Auslauffläche im Georgengarten – und da darf man Hunde in der Brut- und Setzzeit laufen lassen.

Trotzdem hat man immer wieder das Gefühl, dass nicht alle Hundehalter ihre Hunde ausreichend erziehen.

Ehrlich gesagt: Wenn ich mit meinen Hunden rausgehe, dann da, wo ich nicht so viele Leute treffe. Mein Eindruck ist nicht, dass die Leute nicht versuchen, ihre Hunde zu erziehen, aber dass es etliche gibt, die ihren Hund nicht verstehen. Es ist nicht schön, wenn an dem Hund wild rumgeruckt wird.

Weil er nicht erzogen ist und nicht hört?

Viele Menschen denken: Der Hund zieht bei ihnen ein – und in einem halben Jahr läuft es. Aber auch Hunde haben eine Pubertät, brauchen Zeit, um zu lernen. Wenn dann der Radfahrer kommt und der Hund vielleicht noch nicht so gehorcht, gerät der Mensch unter Druck und es wird schwierig.

Also: Mehr Geduld der Halter mit den Hunden würde die Situation entkrampfen?

Mehr Geduld, mehr Verständnis. Und mehr Mülleimer für Kotbeutel. Wir sind auch keine Hundeschule. Wir sind Trainer für Menschen mit Hund.

Interview: Bert Strebe

HAZ

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