Wenn der Vermieter zum Feind wird
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Sabine Olbrich (links) und Eleonore von Oertzen vor „ihrem“ Haus in der Jacobsstraße. Seit Anfang Oktober steht ein Gerüst vor der Fassade, dessen Verkleidung den Blick auf die Straße verdeckt. Gearbeitet wird dort bislang nicht.
© Quelle: Florian Petrow
Linden-Mitte. Irgendwann nagelten die Arbeiter ein Brett mit einem Pferdeposter vor ihre Küchentür, da reichte es Eleonore von Oertzen. Sie rief ihren Sohn an, und der riss das Holzteil weg, das die Küche in Dämmerlicht tauchte. Aber der Vermieter bestand darauf, dass ihr der Zugang zum Garten versperrt bleibt. Jetzt ist das alte Brett samt Pferd quer vor ihre Tür genagelt worden. Immerhin fällt nun wieder mehr Licht in die Küche.
Eleonore von Oertzen und Sabine Olbrich sind die letzten Mieterinnen, die es noch im Haus Jacobsstraße 13 aushalten. Seit Februar hat das Gebäude einen neuen Eigentümer, und der lässt das Haus grundsanieren. Anschließend sollen die fünf Wohnungen im Gebäude offensichtlich als Eigentumswohnungen verkauft werden. „Bei diesem Vorhaben sind wir Mieter natürlich im Weg“, sagt Sabine Olbrich, die mit ihrem Lebensgefährten eine riesige, liebevoll eingerichtetet Wohnung im vierten Stock bewohnt.
„Dieses Haus ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Eigentümer versucht, ein Haus zu entmieten“, sagt Lindens Bürgermeister Rainer-Jörg Grube - von Beruf Immobilienkaufmann. Die Strategie: Der Eigner macht seinen Mietern das Wohnen in dem Haus so unangenehm wie möglich. „Diese Zermürbungstaktik hat offenbar schon bei drei von fünf Mietern im Haus funktioniert“, sagt Grube.
"Wieso wird in Linden so eine große Sache daraus gemacht?"
Als Vermieter tritt Dimitri Lambrecht auf, Geschäftsführer der „World Investment GmbH“ in Hameln. Laut der russischen Internetseite des Unternehmens besteht der Fokus der Firma darin, „russischen Staatsbürgern sichere und profitable Anlagemöglichkeiten auf dem aufstrebenden deutschen Immobilienmarkt zu bieten“. Als Bestand listet die Firma neben dem Haus in der Jacobsstraße Objekte in ganz Deutschland auf, auch mehrere in Hannover: das Grand Palace Hotel, das VEK Business Hotel, eine Burger-King-Filiale und mehrere Wohn- und Geschäftshäuser. „Rund 200 Häuser werden momentan in Hannover saniert“, sagte Lambrecht dem Stadt-Anzeiger auf Anfrage. „Wieso wird gerade in Linden eine große Sache daraus gemacht?“
Schon als er sich im Februar persönlich vorstellte, ließ Dimitri Lambrecht keinen Zweifel an seinen Plänen für das Haus in der Jacobsstraße. Olbrich erinnert sich kopfschüttelnd, wie der neue Eigentümer in „ihrer“ Wohnung stand und ankündigte, den Dielenboden herauszureißen, ebenso die Kachelöfen, Decken, Wände ... „Sie wollen doch hier nicht zwei Jahre lang mit Baulärm leben?“, habe der neue Eigentümer gefragt.
Mittlerweile haben die Arbeiten in den drei freien Wohnungen begonnen, Lambrecht hat die Miete um 20 Prozent heraufgesetzt, und er hat sich einiges einfallen lassen, was seinen letzten verbliebenen Mietern zusetzt:
Kachelöfen: Olbrich und Thiemann dürfen ihre geliebten Öfen nicht mehr benutzen - dem Vermieter sei der Zustand der Anlagen nicht bekannt, er befürchte "Gefahr für Leib und Leben", teilte er in einem Schreiben mit. "Im Winter wird es ohne die Öfen schwierig und teuer für uns, die 170-Quadratmeter-Wohnung warm zu bekommen", sagt Sabine Olbrich.
Baugerüst: Seit Anfang Oktober steht ein Baugerüst vor dem Gebäude. Statt über die Dächer von Linden blicken Olbrich und Thiemann auf eine Folie vor dem Gerüst. "Passiert ist sonst nichts an der Fassade", sagt Olbrich.
Garten: Seit Jahren kümmert sich Eleonore von Oertzen liebevoll um den kleinen Garten hinter dem Haus. Im Mai hat ihr Lambrecht die Benutzung des Gartens verboten - angeblich ebenfalls aus Sorge um Leib und Leben. Um sicherzustellen, dass von Oertzen den Garten nicht betritt, ließ er die Küchentür zum Garten mit dem Pferdeposter-Brett vernagelten. Vergeblich legte von Oertzen ein Schreiben ihres ehemaligen Vermieters vor, der bestätigte, dass der Garten immer allen Mietern offen gestanden habe, obwohl er nicht im Mietvertrag erwähnt ist.
Am gleichen Tag, als Lambrecht ihr die Tür vernageln ließ, rief er von Oertzen an und bot ihr einen Auflösungsvertrag an. Sie lehnte ab - ebenso wie Sabine Olbrich. „Wir wollen hier nicht weg, das ist unsere Heimat“, sagen die beiden. Noch.
„Schlecht für den Stadtteil“
Im Interview kritisiert Lindens Bürgermeister Rainer-Jörg Grube das Vorgehen des Vermieters.
Herr Grube, wieso machen Sie als Bürgermeister auf das Geschehen in diesem Haus aufmerksam?
Hier wird eine ganz klassische Entmietung vorgeführt. Der neue Eigentümer versucht, die Mieter des Hauses durch eine Zermürbungstaktik zum Auszug zu bewegen. Anschließend will er sicherlich die freien, sanierten Wohnungen teuer verkaufen – und sich dann dem nächsten Objekt zuwenden.
Das ist aus seiner Sicht wirtschaftlich vernünftig.
Klar, aber für den Stadtteil ist das schlecht. Erstens ist das gegenüber den Mietern ein asoziales Verhalten, und zweitens hat Linden ein Problem, wenn immer mehr Wohnungen durch Umwandlung in teures Eigentum dem Mietmarkt entzogen werden. In der Jacobsstraße 13 zeigt sich, dass es nicht um Modernisierung und Sanierung für viele geht, sondern um Gewinnmaximierung für einzelne.
Ist das Haus ein Einzelfall?
Nein. Ich kenne Dutzende Häuser, in denen es in den vergangenen Jahren ähnlich zuging. Natürlich ist die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum ein Prozess, der in allen begehrten Wohnlagen abläuft. Aber in Linden steigt der Wohnungspreis stärker als in anderen Stadtteilen – und der Markt bestimmt die Vehemenz dieser Entwicklung.
Was kann man dagegen tun?
Die einzelnen Mieter können wenig dagegen tun, denn je professioneller ein Eigentümer agiert, desto juristisch geschickter verhält er sich. Wir als Politiker und Nachbarn müssen den Akteuren viel mehr auf die Finger gucken und den nachteilig Betroffenen auch aktiv helfen. Sanierung sollte immer für den Stadtteil und die in den Wohnungen Lebenden sein und sich nicht gegen sie richten.
Sie sprechen von Gentrifizierung?
Ich kann das Wort nicht mehr hören. Ja.
Interview: Rüdiger Meise
HAZ