Wissen, wer der „Babo“ ist
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„Auf Koreanisch bedeutet Babo Idiot“: Die Redakteure der Schülerzeitung „Götterbote“ von der Sophienschule, Sophia, Katharina (links) und Aylin (rechts), im Gespräch mit Jonas (3. v. l.), Manuel, Sina und Alina aus der ZiSH-Redaktion.
© Quelle: Surrey
Beginnen wir mit einem Vokabeltest für Jugendworte. Wisst ihr, was eine "Achselkatze" ist?
(alle lachen) Katharina: Keine Ahnung.
Sophia: Habe ich noch nie gehört.
Aylin: Vielleicht eine Assi-Braut?
Gemeint ist eine Person mit vielen langen Achselhaaren. Wie sieht es mit
"Affenbifi" aus?
Sophia: Eine Banane?
Sehr gut! Und was bedeutet "Baumkuschler"?
Sophia: Ein Vegetarier?
Aylin: Ein Öko?
Richtig, ein umweltbewusster Mensch. Einer noch: der "Sektmodus".
Katharina: Betrunken sein?
Sophia: Keine Ahnung.
"Sektmodus" heißt Vorglühen.
Jonas: Ich bin mir nicht einmal sicher, ob jeder Erwachsene überhaupt weiß, was Vorglühen heißt.
Aylin: Unser Lehrer kennt die Bezeichnung auf jeden Fall.
Wie gehen eure Lehrer an der Sophienschule mit Jugendworten um?
Katharina: Ganz unterschiedlich. Jüngere Lehrer sagen auch ab und zu mal etwas. Dann aber zum Spaß.
Sophia: Viele gehen damit locker um. Es würde aber keiner "Azzlack" (asozialer Mensch) sagen. Umgangssprache ist an unserer Schule aber nicht so üblich.
Katharina: Wobei das so langsam zunimmt, habe ich das Gefühl. Bei den Jüngeren merkt man das. Die sagen die ganze Zeit "isch schwör" und so.
Jugendsprache ist also etwas für Jüngere?
Sophia: Ich kann mir vorstellen, dass die mit elf oder zwölf Jahren schon bei Facebook sind und dort viele Sachen auffangen.
Aylin: Ich glaube, die finden das einfach lustig.
Sophia: Ich schätze, die merken das einfach nicht.
Wo stoßt ihr auf Jugendsprache?
Sophia: Ich bin nicht bei Facebook oder anderen sozialen Netzwerken, aber ich glaube, dass sie sich über das Internet schnell verbreitet. Wenn über solche Worte in der Schule gesprochen wird, kann ich da nicht mitreden.
Aylin: Aber auch auf der Straße. Wenn man zum Beispiel am Steintor langgeht, schnappt man einiges auf.
Woher kennt ihr denn das Jugendwort des Jahres, "Babo"?
Sophia: Ich kannte es bis gestern nicht.Katharina: Bei uns im Jahrgang wird ein "Babo"-Abi-Award vergeben. Als ich das gelesen habe, musste ich erst googeln, um herauszufinden, dass das Wort "Chef" oder "Boss" heißt.
Aylin: Das Wort kenne ich aus dem Koreanischen. Dort heißt es übersetzt "Idiot". Das fand ich lustig. (alle lachen)
Wisst ihr denn, woher das Wort kommt?
Aylin: Das kommt von so einem Rapper.
Der Rapper heißt Haftbefehl. Redet denn überhaupt jemand im Alltag so?
Aylin: Vielleicht mal so zum Spaß, um sich drüber lustig zu machen.
Und welche Worte sind das dann?
Sophia: "Digger", "isch schwör", "Deine Mudda".
Könnt ihr erklären, woher Jugendworte kommen?
Katharina: So, wie man es in der Schule lernt, geht es dabei um die Abgrenzung von Älteren, zum Beispiel den Eltern.
Aylin: Wir hatten das Thema gerade in Deutsch, da ging es um Kiez-Deutsch. Eine Forscherin versucht zu beweisen, dass es sich dabei um einen Dialekt handelt, der von Immigranten, die nach Deutschland kommen, entwickelt wird. Schließlich wollen die ihre Muttersprache auch mit ins Deutsche einbringen.
Damit kannst du ein Wort wie "Babo" erklären, das aus dem Kurdischen oder Türkischen stammt. Aber woher kommt dann zum Beispiel "Achselkatze"?
Aylin: Haben sich das Wort echt Jugendliche ausgedacht?
Sophia: Das klingt, als würde das von Erwachsenen kommen.
Die Vorschläge kommen von Jugendlichen, die sie an die Verlage schicken, die Jugendwörterbücher herausgeben. Warum denken sich Menschen solche Worte aus?
Sophia: Vielleicht will man das eigentliche Wort nicht benutzen. "Achselhaare"hören sich halt nicht so schön an. Und bei "Katze" denkt man immer an etwas Niedliches.
Katharina: Man kommt ja auch nicht sofort drauf. Vielleicht ist es deshalb auch nicht mehr so schlimm. Außerdem kann man es als "Geheimsprache" benutzen – es weiß ja nicht jeder, was das Wort bedeutet.
Ihr scheint diesen Jugendwörtern ziemlich kritisch gegenüberzustehen. Warum?
Sophia: Ich finde es einfach nicht ansprechend. Warum sollte ich "Achselkatze" sagen?
Aber ihr findet es lustig.
Alle: Ja, schon. Aber wir würden es nicht benutzen.
Welche Wörter benutzt ihr vielleicht unbewusst?
Katharina: Kommt drauf an, wie lange es sie schon gibt und wie oft man sie hört. Irgendwann nimmt man die auf. Wenn meine Schwester irgendein Wort hat, dann sagen das bald alle in der Familie. Wir sprechen alle ähnlich.
Meint ihr denn, dass Jugendliche üeine "eigene" Sprache brauchen?
Sophia: Nein.
Aylin: Ich glaube schon. Jugend hat immer etwas von Rebellion und muss sich auch abgrenzen können. Aber ob es dazu diese Jugendworte geben muss...
Wie ist das zum Beispiel bei euren Eltern oder Lehrern: Fragen die nach der Bedeutung von Wörtern, die sie nicht verstehen?
Sophia: Ich glaube, die Abgrenzung besteht nicht darin, dass sie es nicht verstehen. Sie verwenden die Begriffe einfach nicht.
Aylin: Es gibt einen Unterschied zwischen der Art, wie ich mit Freunden oder meinen Eltern rede. Dann verstehen sie manche Sachen nicht. Zum Beispiel "dissen". Da muss ich dann erklären, dass es "beleidigen" heißt. Aber moderne Jugendsprache finde ich ziemlich bescheuert.
Katharina: Sprache sollte sich aber schon entwickeln. Sonst würden wir immer noch reden wie (überlegt) ... Goethe.
Machen Jugendworte die Sprache einfacher?
Sophia: Eigentlich schon. Man kann Grammatikfehler machen, so viele man will, und es stört niemanden.
Katharina: Beim Schreiben wird aus "ist" "is" oder aus "aber" wird "aba". Unsere Lehrer sagen, dass unsere Rechtschreibung unter aller Sau ist.
Sophia: Sie sagen aber auch, dass wir sehr umgangssprachlich schreiben. Wenn ich im Internet schreibe, lasse ich Zeichensetzung und Großschreibung weg. Das vergisst man in der Schule dann auch ab und zu.
Welchen Stellenwert haben Beleidigungen in der Jugendsprache?
Sophia: Beleidigungen werden immer heftiger.
Aylin: Man kann bei den Jüngeren beobachten, dass Wörter die früher als Beleidigung gemeint waren, heute einfach so zu Freunden gesagt werden.
Sophia: Genau! Das ist total abgeschwächt. Wenn man zum Beispiel "Arschloch" sagt, ist das fast normal – ein Wort, das man zu Freunden sagt. Früher hatte das eine viel schlimmere Bedeutung.
Katharina: "Hey, du Opfer!" ist ja schon fast eine normale Begrüßung. Man sagt das schon unter Freunden. Jüngere nehmen das schon gar nicht mehr wahr.
Woran liegt das?
Sophia: Das verbreitet sich so durchs Internet.
Was glaubt ihr: Wie sieht Jugendsprache in 20 Jahren aus?
Katharina: Dann wird die Jugend neue Wörter haben. Wir hatten zum Beispiel einen Lehrer, der hat gesagt "Das findet ihr doch jetzt alle knorke". Das hat keiner verstanden, und er dachte, dass er ein jugendliches, cooles Wort benutzt hat.
Meine Eltern finden die Jugendsprache heute ganz schlimm.
Wie lange wird "Babo" denn noch angesagt sein?
Aylin: Ein Jahr.
Katharina: Entweder geht es in die alltägliche Sprache ein, so wie "cool", oder es verschwindet wieder.
Aylin: Für mich ist "Babo" eine andere Jugendsprache als "cool". In zwei Jahren wird niemand mehr "Babo" oder "Yolo" sagen, weil dann alle davon genervt sind.
Wie steht ihr zu Jugendwörterbüchern?
Sophia: Ich find's belustigend, kann mir aber nicht vorstellen, dass Leute sich die Bücher kaufen um damit Jugendsprache zu lernen.
Katharina: Ist doch ein lustiger Party-Gag!
Interview: Manuel Behrens
Von abbitchen bis x-man
Jugendsprache ist ein Phänomen, das sich oft schneller entwickelt als die Lexika, in denen sie verewigt werden soll. Die Verlage PONS und Langenscheidt versuchen mit ihren Wörterbüchern der Jugendsprache jedes Jahr dennoch, den Zeitgeist abzubilden. Langenscheidts Jury aus Jugendlichen und Erwachsenen kürt unter allen Einsendungen das „Jugendwort des Jahres“. „Babo“ (Boss) machte jetzt vor den Anglizismen „fame“ (toll) und „in your face“ (fertiggemacht) das Rennen. Quelle der Momentaufnahmen, so betonen beide Verlage, seien ausschließlich die Vorschläge von Jugendlichen. PONS (aktuell 1500 Wörter) sammelt seit 2001, Langenscheidt (600 Wörter) seit 2008. Kriterien für den Abdruck seien unter anderem Kreativität, Originalität und Verbreitungsgrad. Die Begriffe kommen vor allem aus den Bereichen Schule, Party und Lästereien und reichen im „Wörterbuch der Jugendsprache“ (PONS, 3,99 Euro) von „abbitchen“ (sich abschminken) bis „x-man“ (Mathelehrer), in „100% Jugendsprache“ (Langenscheidt, 3,99 Euro) finden sich unter anderem das „Goofy-Gen“ (Tollpatschigkeit) oder das „Mopfer“ (Mobbingopfer). „Yolo“, das Jugendwort des Jahres 2012, ist laut PONS-Redaktion inzwischen auf Platz eins der uncoolen Wörter – gefolgt von Wiedergängern wie „knorke“ (toll). Das Urberliner Adjektiv hing Kurt Tucholsky übrigens schon 1924 zum Hals raus. Krass.
Von Sabrina Mazzola
HAZ