„Woyzeck“ schockiert schon vor der Premiere
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Ausverkauft, Restkarten möglich! „Woyzeck“-Seite auf der Homepage des Schauspielhauses.
© Quelle: HAZ-Archivbild
Hannover. Die Schüler hatten sich gemeinsam mit ihrem Lehrer vorher intensiv mit dem Büchner-Stoff auseinandergesetzt. Einige hatten das Stück vergangenes Jahr sogar selbst an der Goetheschule mit ihrem Deutschlehrer Holger Warnecke inszeniert.
Das reichte für manche der 17- bis 18-Jährigen offenbar als Vorbereitung auf das nicht aus, was dann am Schauspielhaus zu sehen war. „Da wird ein Mensch so lange gequält, bis er seine Frau umbringt“, beschreibt es Bärbel Jogschies, Theaterpädagogin am Schauspiel Hannover. Die Szene, in der die Hauptfigur Woyzeck vergewaltigt wird, sieht der Zuschauer über drei Minuten Länge. Es gibt bedrückende Situationen, in denen Woyzeck wie bei einer Dressur im Kreis rennen muss. „Im Kern geht es darum, wie ein Mensch zum Mörder und Soldaten zugerichtet wird“, sagt Jogschies.
Besonders manchen Schülerinnen erschien das schwer zu ertragen. „Einige Mädchen fühlten sich sehr bedrückt und getroffen“, sagt Theaterpädagogin Jogschies. Lehrer Holger Warnecke hatte die Hauptprobe mit rund 20 Schülern aus dem elften Jahrgang besucht, außerdem mit einigen Referendaren, die er als Fachleiter Darstellendes Spiel am Studienseminar ausbildet. Als Warnecke die Schüler nach der Probe fragte, ob sie sich überfordert fühlten, meldete sich rund ein Drittel der Jugendlichen. „Das ist viel“, sagt der Pädagoge.
Die Schüler von der Goetheschule und eine weitere Gruppe vom Georg-Büchner-Gymnasium in Seelze hatten die Produktion im Projekt „Premierenklasse“ begleitet. Dabei hatten sie zum Beispiel eine Probe im Frühstadium besucht und mit der Regisseurin gesprochen. Das Angebot soll Schülern zur intensiven Auseinandersetzung mit dem Theater verhelfen. Gleichzeitig wollen die Theatermacher so einschätzen, für welche Altersklasse sie ein Stück empfehlen können. Dass der „Woyzeck“ nicht für Achtklässler taugt, ist am Schauspiel inzwischen Konsens. Man überlegt jetzt, das Stück ab dem 10. oder 11. Jahrgang zu empfehlen. Außerdem wird es, wie in diesen Fällen üblich, Warnhinweise geben. „Achtung, hier werden nackte Männer zu sehen sein. Es geht um Unterdrückung, auch auf sexuelle Art“, könnte der Text lauten, sagtTheaterpädagogin Jogschies. Die Hinweise stehen dann im Newsletter für Lehrer, im Lehrmaterial im Netz und werden bei der Kartenbestellung für Schulklassen ausgegeben. Außerdem rät das Schauspiel Pädagogen, sich bei der Vorstellung für Lehrer am 23. Februar um 19.30 Uhr selbst ein Bild zu machen.
Büchner gilt als klassischer Schulstoff. Die Theaterleute rechnen deshalb mit vielen Schulklassen. „Wir richten uns aber an alle“, sagt eine Sprecherin. Jogschies räumt ein, dass die Inszenierung sicher auch unter Erwachsenen polarisieren wird. „Die Zuschauer sind emanzipiert. Es ist legitim, wenn manche rausgehen.“ Lehrer Warnecke wird dennoch mit seinen Schülern die Premiere besuchen. „Bis auf die Schüler, die das nicht mehr wollen.“
Bärbel Hilbig und Manuel Becker
HAZ