Züchter verkauft Edelpilze auf dem Lindener Markt
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Appetitlich präsentieren sich Limonenseitling, Shitake, Friseepilz, Samthaube, Goldkäppchen und Kräuterseitling.
© Quelle: Frevert
Linden-Mitte. Mindestens 14 Grad Celsius, mindestens 95 Prozent Luftfeuchtigkeit und acht Stunden Licht pro Tag als „Wohlfühlfaktor“: Falk Düsing, Bioland-Pilzzüchter aus dem Extertal in Nordrhein-Westfalen, weiß, was seine Lieblinge mögen. Der Diplom-Forstwissenschaftler hat sich bereits während seines Studiums in Göttingen intensiv mit Pilzen beschäftigt. Vor vier Jahren kaufte er mit seiner Frau Annette einen alten Hof. Hier in der historischen Scheune baute er sich eine Edelpilzzucht auf, die heute Gourmet-Restaurants in ganz Deutschland, Privatkunden über Onlineversand und Wochenmarkthändler beliefert. Seit drei Jahren steht Düsing regelmäßig am Sonnabend auf dem Lindener Markt - und ist einer der Exoten. „Gegenüber vom Kaffeestand, zwischen Honig und dem ältesten Blumenstand“, erklärt Falk Düsing seinen Standort und fügt hinzu: „Bei jedem Wetter“.
Um 6.20 Uhr am Sonnabendmorgen muss der Motor laufen. Dann startet der Pilzzüchter von seinem idyllischen Hof im Extertaler Ortsteil Meierberg Richtung Hannover. „Linden ist ein umsatzstarker Wochenmarkt. Hier habe ich rund 80 Prozent Stammkunden. Viele kaufen bei mir jede Woche. Eine ältere Dame ordert stets ihre Portion frische Champignons - und lässt sie immer in die dieselbe Papiertüte verpacken. Sie benutzt sie sicherlich fünf oder sechs Mal. Ich habe mich schon gefragt, ob sie die zu Hause bügelt“, sagt Düsing.
Der Marktstand ist mittlerweile so etabliert, dass Falk Düsing ihn heute nicht mehr zwingend selbst betreiben muss. Er könnte den Verkauf, wie er es auf dem Wochenmarkt in Berlin handhabt, in die Hände eines Mitarbeiters geben. Aber das möchte er nicht. „Ich fahre gern am Sonnabend nach Linden. Es ist ein sehr schöner Wochenmarkt, eingerahmt von den alten Bürgerhäusern. Ich mag den direkten Kontakt zu meinen Kunden und die nette Atmosphäre, die hier auch unter den Kollegen herrscht.“ Zu Hause in der Pilzzucht arbeite er schließlich ja vorwiegend allein. „Der Wochenmarkt in Linden ist dazu eine schöne Abwechslung“.
Jetzt im Winter ist für Falk Düsing Hochsaison - auch außerhalb des Wochenmarktes. Täglich gehen Pilze per Kühlversand auf den Weg. Was gewogen, verpackt und verschickt wird, muss zuvor natürlich angebaut, gepflegt und geerntet werden. „Im Moment ist richtig viel zu tun. Meine Tage enden nicht vor 22 Uhr“, sagt Düsing. „Und den ganzen Tag bekomme ich Wasser von oben auf den Kopf“ - weil es Kräuterseitling, Shitake-Pilz, Limonenseitling, Friseepilz, Samthaube & Co. nun einmal feucht lieben.
Der Arbeitsplatz von Falk Düsing sieht von außen aus wie eine ganz normale, alte Scheune: roter Klinker, ein langgestrecktes Gebäude. Betritt man aber das Innere der komplett entkernten Scheune, mutet das Ambiente eher an wie ein High-Tech-Labor. „Dieser Bereich ist eigentlich tabu für Besucher“, sagt Falk Düsing und zeigt auf die Stahltür, die vom gefliesten und mit Kühlkammer ausgestatteten Verkaufsraum in das „Allerheiligste“ des Pilzzüchters führt. Mit einem beherzten Ruck öffnet er die Tür. „Das liegt am Überdruck, der hier computergesteuert aufrechterhalten wird“, meint Düsing.
Ein langer Gang mit einzelnen Türen links und rechts lässt an einen Krankenhaus denken. Zum Schutz vor Sporen, die ständig von den Pilzen abgesondert werden, trägt er einen Mundschutz. „Hier sind Kräuterseitlinge“, sagt er, während er die erste Tür auf der rechten Seite öffnet. Auf Rollwagen dicht an dicht stehen die Pilzstöcke in fünf Etagen übereinander. Im Aufzuchtraum herrscht ein Klima wie in einer kühlen Tropfsteinhöhle - es ist nass. „Morgen sind diese Pilze erntereif“, sagt Düsing und begutachtet einen Pilzstock, der ausschaut wie ein kleiner Felsbrocken, jedoch aus Holz und Getreide, das mit Pilzsporen geimpft ist, besteht.
Kräuterseitlinge sind Falk Düsings Verkaufsschlager. „Ich verkaufe davon rund 200 Kilo pro Woche“, sagt er. Insgesamt hält der Pilzzüchter 15 verschiedene Edelpilz-Sorten vorrätig. Während die Kräuterseitlinge in diesem Raum fast erntefertig sind, stehen in einem anderen in Plastik eingeschweißte Pilzstöcke mit der neuen Generation dieses steinpilzähnlichen Speisepilzes. Zwischen ein bis drei „Wellen“, so nennt Düsing die Ernteperioden, liefert ein Stamm. Danach werden die Pilzstöcke entsorgt. Sie dienen einem Biolandwirt als Bodenverbesserer. Bioland - das ist auch Düsings Markenzeichen. Statt auf Chemie setzt er auf High-Tech und Hygiene und verhindert so Krankheiten bei seinen empfindlichen Schützlingen. 250 Quadratmetern Produktionsfläche - ein übersichtlicher Arbeitsplatz. Alles liegt bereit: zehn Sorten Pilze, eine Auswahl Pilzrezepte als Kunden-Dreingabe hat Düsing bereits herausgesucht - für seine Fahrt zum Wochenmarkt in Linden.
Sylvia Frevert
HAZ