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Burgdorf

Innenstadt-Händler sind beunruhigt

Kaufleute in der Innenstadt befürchten, dass für sie nicht genug vom Kuchen übrig bleibt, wenn es  zwei große Handelszentren an den Stadträndern Burgdorfs gibt.

Kaufleute in der Innenstadt befürchten, dass für sie nicht genug vom Kuchen übrig bleibt, wenn es zwei große Handelszentren an den Stadträndern Burgdorfs gibt.

Burgdorf. „Paukenschlag“ war das Wort, das am häufigsten fiel, nachdem das Immobilienunternehmen Acribo GmbH am Montagabend im Ratsausschuss für Stadtentwicklung und Bau seine von der Stadtspitze offenbar längst abgesegneten Pläne für ein Wohn-, Dienstleistungs- und Handelszentrum im Osten der Südstadt präsentiert hatte. Dass das Einzelhandelsunternehmen Cramer mit seinem E-Center von der Uetzer Straße an den Ostlandring umziehen will, sorgte für Erstaunen – und Kritik.

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Acribo-Chef Thorsten Kröger sprach mit Blick auf das 30-Millionen-Euro-Projekt Aue Süd von einer „Win-Win-Win“-Situation für Burgdorf. Das Unternehmen Aldi – 1400 Quadratmeter – bekomme die benötigte größere Handelsfläche und wandere nicht ab, andere wie der Platzhirsch Cramer moderne Verkaufsflächen bei gleichzeitiger Aufgabe eines für den Einzelhandel nur bedingt tauglichen Standorts, der sich besser für innenstadtnahe Wohnungen eigne. Die Wilhelm Cramer GmbH und die Acribo GmbH können sich nach eigenem Bekunden vorstellen, später gemeinsam ein Wohnbauprojekt an der Uetzer Straße aufzulegen.

Das Familienunternehmen Cramer will mit seinem gerade erst umgebauten E-Center von der Uetzer Straße an den Ostlandring ziehen

Das Familienunternehmen Cramer will mit seinem gerade erst umgebauten E-Center von der Uetzer Straße an den Ostlandring ziehen.

Bauamtsleiter Andreas Fischer ließ durchblicken, dass das Acribo-Vorhaben Weiterungen erfahren könnte. Für Aue Süd bedürfe es einer Änderung des Bebauungsplans, der auch das Lidl-Areal an der Uetzer Straße einschließe. Das Discounterunternehmen aus Neckarsulm habe bereits bekundet, dass es sich ebenfalls mit Erweiterungsplänen trägt.

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SPD-Ratsfrau Christa Weilert-Penk lobte immerhin das See-Quartier von Aue Süd mit seinen 32 Wohnungen: „Wir brauchen Wohnraum auch für Menschen mit kleinem Einkommen.“ Über den E-Center-Umzug zeigte sie sich irritiert: „Der ganze Einzelhandel der Südstadt wird sich mitsamt des Verkehrs an einer Stelle konzentrieren. Da habe ich Bauchschmerzen.“ Rüdiger Nijenhof (Freie Burgdorfer) sprach als erster vom „Paukenschlag“ ob der für ihn überraschenden Cramer-Umzugspläne, die er im Grundsatz ebenso guthieß wie Ratsherr Michael Fleischmann (Die Linke). Fleischmann freilich bemängelte, dass Acribo bei seinen Wohnungen nur zehn Prozent sozialen Wohnungsbau vorsieht. Er forderte 20 Prozent.

Bürgermeister Alfred Baxmann (SPD) sprach von einem „Quantensprung“ und riet dem Rat, das Genehmigungsverfahren zu beschleunigen: Etwas Besseres, als die Firma Cramer da reinzubekommen, kann es nicht geben.“ Dem Vernehmen nach hat die Bauverwaltung Acribo in Aussicht gestellt, dass der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan bereits Ende Oktober gefasst werden könnte.

Kritisch meldete sich Ratsfrau Simone Heller (Grüne) zu Wort. Auch sie verwendete das Wort „Paukenschlag“: Der E-Center-Umzug bedeute einen „Aderlass für das Zentrum“. Schon das Handelszentrum Nordwest habe Kaufkraft abgezogen aus der Innenstadt. Das gleiche werde noch einmal mit Aue Süd passieren. Und überhaupt, in den ursprünglichen Plänen habe Acribo noch in Aussicht gestellt, dass sich ein Bio-Markt am Ostlandring ansiedeln könnte. Acribo-Chef Kröger entgegnete, seine Firma habe Rücksicht genommen auf die Stadt, dem Biomarktunternehmen Denn’s und Drogerien wie Rossmann und dm – „die hätten alle unterschrieben“ – für Aue Süd abgesagt, um die Innenstadt nicht noch stärker unter Druck zu setzen.

Dies fand Heller umso verstörender: „Dass die Stadt da Einfluss nimmt, ohne die Politik einzubinden, und Denn’s deshalb nicht nach Burgdorf kommt, ist ein Kracher“, wetterte die Grüne Richtung Stadtverwaltung. Die wehrte sich mit dem Argument, man habe versucht, Denn’s die verlassene Aldi-Fläche an der oberen Marktstraße schmackhaft zu machen. Dort aber habe Denn’s nicht hinein gewollt und Burgdorf schließlich die kalte Schulter gezeigt.

Für die CDU zeigte sich Ratsherr Klaus Köneke sicher: „Aue Süd wird ein Erfolg. Aber der Druck auf die Innenstadt wächst. Wir werden da noch mehr Spielhallen bekommen.“ Sein Fraktionskollege Oliver Sieke belegte das Acribo-Projekt mit dem Attribut „gelungen“. Auch er sprach vom „Paukenschlag“ angesichts des E-Center-Umzugs, allerdings im musikalischen Sinne, wo der Paukenschlag einem Werk erst die rechte Würze gebe: „Wir stärken einen Gewerbesteuerzahler aus Burgdorf.“ Der SPD-Kommunalpolitiker Michael Rheinhardt zeigte sich erfreut über ein „Geschenk für Burgdorf“.

Jürgen Cramer und sein Sohn Sebastian verfolgen konzentriert die Diskussion im Ratsausschuss für Stadtentwicklung und Bau

Jürgen Cramer und sein Sohn Sebastian verfolgen konzentriert die Diskussion im Ratsausschuss für Stadtentwicklung und Bau.

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Burgdorfs Kaufmannschaft – abgesehen von Jürgen Cramer und dessen Sohn Sebastian – war nicht zu der Ausschusssitzung gekommen. Auf Nachfrage zeigten sich sowohl der Sprecher des Aktionskreises Einkaufsstadt Burgdorf (AKEB), Ulrich Wegener, als auch Schuhhändler Martin Polch, der mit der Cramer-Prokuristin Inga Ali dem Vorstand des Vereins Stadtmarketing Burgdorf (SMB) angehört und den SMB-Arbeitskreis City leitet, zutiefst beunruhigt. Wegener sieht die Innenstadt durch Aue Süd gefährdet, nachdem Aldi der Innenstadt den Rücken gekehrt habe und nun am Stadtrand bald doppelt so groß weitermache. Problematisch sei auch das Abrücken des E-Centers von der Innenstadt, zumal der Lebensmittel-Vollsortimenter auch seine innenstadtrelevanten Sortimente wie Bücher, Haushaltswaren und Blumen an die Peripherie mitnehme.

Selbstkritisch räumte Wegener ein: „Wir sind zu still.“ Allerdings habe der AKEB prüfen lassen, ob rechtlich etwas auszurichten sei gegen Aue Süd, aber erkennen müssen, dass das Projekt so nicht zu verhindern sei. Der AKEB wolle jetzt zeitnah ein Konzept zur Belebung der Innenstadt vorlegen, kündigte der Buchhändler an.

Polch zeigte sich irritiert. Von den Cramer-Umzugsplänen will er erst aus der HAZ erfahren haben. Offenbar sei alles hinter den Kulissen ausgemacht und nur noch bekannt gegeben worden. In Polchs Augen ist Aue Süd „innenstadtschädlich in der Größenordnung“. Er werde das im Vorstand des SMB ansprechen. Schon jetzt sei es so, dass viele Weststädter die Innenstadt mieden und nur noch in Nordwest einkauften. „Wenn das auch die Südstädter in Zukunft so machen, stellt sich die Frage, ob noch genug für die Innenstadt übrig bleibt.“

Von Joachim Dege

HAZ

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