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Großburgwedel

Die alte Apotheke ist Martin Kinds Elternhaus

Das Gebäude der Hirsch-Apotheke an der Von-Alten-Straße 21 hat durch mehr als zwei Jahrhunderte seinen bäuerlichen Charakter bewahrt.

Das Gebäude der Hirsch-Apotheke an der Von-Alten-Straße 21 hat durch mehr als zwei Jahrhunderte seinen bäuerlichen Charakter bewahrt.

Burgwedel. Als der französische Kaiser Napoleon Bonaparte noch der unumstrittene Herrscher Europas war und Oberst Carl von Alten auf Seiten der Engländer gegen jenen Kaiser Krieg führte, war dessen Geburtsort Großburgwedel von 1806 bis 1813 von den Franzosen besetzt. Die Einwohner ächzten unter den finanziellen Belastungen durch neu eingeführte Steuern und Abgaben für das von Napoleons Bruder Jerome geführte Königreich Westfalen, zu dem das Amt Burgwedel gehörte.

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In dieser unruhigen Zeit kaufte der Apotheker Werner Stümbke 1808 die Konzession für den Betrieb der ersten Apotheke im Ort, die er zunächst in einer später abgerissenen Pfarrscheune einrichtete. Zehn Jahre später erwarb Stümbke den Halbhof Tiele-Biesters, der als Nummer 42 auf dem Plan der Brandgeschädigten vom Jahre 1724 verzeichnet ist, an der heutigen Von-Alten-Straße 21. Im hinteren Teil des Hauses eröffnete er seine „Hirsch-Apotheke“. Die zu diesem Anlass an der Straße gepflanzte Ulme war zum 150-jährigen Bestehen noch zu bewundern. Inzwischen musste sie weichen.

Nach dem Aussterben der Stümbkes im Jahr 1871 ging die Apotheke für sechs Jahre in den Besitz des Apothekers Jesse über. Sein Nachfolger wurde 1877 Wilhelm Wolpers aus Fallingbostel, der bereits 1892 Gemeindevorsteher war und einer 13-köpfigen Sanitätskommission vorstand. Die hatte sich auf die Fahnen geschrieben, „diejenigen Übelstände in unserem Ort zu beseitigen, welche geeignet sind, zur Einschleppung resp. Weiterverbreitung der Cholera beizutragen“. Was offenbar gelang, denn von einer Cholera-Epidemie ist nichts bekannt.

Der umtriebige Apotheker Wolpers hatte eine Tochter mit Namen Anna, die 1899 den Militärapotheker Friedrich Kind heiratete, Spross einer angesehenen Schweizer Pastorenfamilie, die später in Wuppertal ansässig war. Friedrich Kind, Großvater von Hannover-96-Präsident Martin Kind (siehe Extra-Text) war es, der das alte Bauernhaus so umbaute, dass die Geschäftsräume der Apotheke zur Straßenfront hin lagen.

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Der nach Erzählungen stets vornehme und freundliche Friedrich Kind, der auch Mitbegründer der ersten Privatschule war, aus der das jetzige Gymnasium hervorging, war im Ort sehr beliebt und sein Rat gefragt. Fünf Jungen und ein Mädchen sorgten für einen lebhaften Haushalt.

Alte Burgwedeler erzählten sich, dass Vater Kind ständig die Fahrräder seiner Jungs einsammeln musste, die diese irgendwo hatten stehen lassen, um noch die Elektrische zu bekommen, die sie nach Hannover zur Schule bringen sollte. Auch Anna Kind soll mit der Pünktlichkeit auf Kriegsfuß gestanden haben. Oft kam das Hausmädchen oder einer der Söhne zur Tram gelaufen und bat den Fahrer, noch ein wenig auf Madame oder die Frau Mama zu warten. So etwas war „in der guten, alten Zeit“ noch möglich.

Friedrich Kind starb 1943 an den Folgen eines Sturzes, im gleichen Jahr fiel sein Sohn Martin, der die Apotheke eigentlich übernehmen sollte, an der Front. Der jüngste Sohn Werner ließ das Gebäude Anfang der fünfziger Jahre unter Wahrung des Bauernhauscharakters innen und außen modernisieren und verpachtete die Apotheke bis 1976. Dann übernahm sie seine Tochter Beatrice, die allerdings bereits 1984 starb. Die Apotheke ist bis heute im Familienbesitz.

Martin Kind ließ das Gebäude 2007 aufwendig sanieren und im Hinterhaus Geschäfte einrichten, parallel entstand im zwischenzeitlich verwilderten Garten des Hauses das Von-Alten-Karree als neues Geschäftszentrum.

Von Jürgen Zimmer

Martin Kind und die Familiengeschichte

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Die Hirsch-Apotheke ist das Elternhaus eines der prominentesten Bürger Großburgwedels. Der Präsident des Bundesligisten Hannover 96 und Hörgeräte-Unternehmer Martin Kind ist dort aufgewachsen. „Großmutter Anna hat uns großgezogen und sich nach dem Krieg um unsere Erziehung gekümmert“, berichtet der 69-Jährige. Teil der Familienlegende sei es, sagt Kind, dass sein Großvater Friedrich während seines Pharmaziestudiums in Münster von jenem Großburgwedeler Apotheker Wolpers gehört hatte, der für seine Tochter, die nach dem niedersächsischen Höferecht Hoferbin war, einen Apotheker als Ehemann suchte. Eine gute Partie also – und so machte Friedrich Kind sich auf den Weg. Allerdings, so sein Enkel Martin: „Die Welt war damals am Fasanenkrug zu Ende. Das letzte Stück soll er mit der Kutsche nach Großburgwedel gekommen sein.“ Die Verbindung kam zustande – und eines der sechs Kinder von Anna und Friedrich war Martin Kinds Vater Werner, der 1952 das erste Fachgeschäft für Hörgeräte-Akustik in Hannover eröffnete. In dessen Fußstapfen baute er das weltweit tätige Hörgeräte-Unternehmen mit 1600 Mitarbeitern auf. Die Apotheke indes ist bis heute im Familienbesitz.

Von Martin Lauber

HAZ

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