Messerattacke

Stadt bis auf weiteres bei Facebook offline

Die Stadt Burgwedel hat ihre Facebook-Seite komplett vom Netz genommen.

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Burgwedel. Vivien K. ist am Mittwoch aus dem Koma erwacht – die 24-jährige Großburgwedelerin, die am Sonnabend von einem 17-jährigen Jugendlichen aus Syrien mit einem Messer lebensgefährlich verletzt worden war. Stadtverband und Ratsfraktion der Burgwedeler CDU haben in einer gemeinsamen Erklärung ihr Verhalten gewürdigt: „Wenn es stimmt, dass die junge Frau den 13- und 14-jährigen Kindern Benehmen ans Herz gelegt hat, so hat sie unser aller Respekt und Hochachtung verdient. So stellen wir uns als Bürger friedliches Zusammenleben vor – dass Erwachsene auch auf fremde Kinder achtgeben.“

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Gleichzeitig erklärte Fraktionschef Sebastian Müller, dass Burgwedel zu Recht stolz sei auf seine kulturelle Vielfalt. Die CDU werde sich weiter dafür engagieren, dass neben Sicherheit und Ordnung auch ein angenehmes Miteinander in den Vereinen und Verbänden dieser Stadt gelebt werde. Jeder, der sich integrieren lassen wolle, finde dazu ausreichend Gelegenheit.

Wie von der CDU und tags zuvor vom Bürgermeister kamen am Mittwoch auch von der Burgwedeler SPD Genesungswünsche für die schwer verletzte Vivien K.. Die Sozialdemokraten riefen „zur Geschlossenheit aller demokratischen Kräfte“ auf. Darauf, dass Jugendliche mit einem Messer herumlaufen und diese gegen andere Menschen einsetzten, sei inakzeptabel und müsse bestraft werden. SPD-Parteichef Andreas Strauch bedauerte, dass der Umstand, dass der Täter syrischer Flüchtling sei, „von ausländerfeindlichen Kräften weit über Burgwedel hinaus zum Anlass genommen, Angst und Hass zu schüren“. Strauch hält dagegen: „Die Tat ist ein Angriff eines Menschen und dieser Mensch muss zur Verantwortung gezogen werden. Er hat nicht stellvertretend für Flüchtlinge, auch nicht für syrische Flüchtlinge gehandelt.“

Beleidigende Posts

Derweil steht Burgwedels Stadtverwaltung für ihre offizielle Erklärung, auch nach der Messerattacke an ihrem Integrationskurs festhalten zu wollen, in den sozialen Medien unter massivem Beschuss. Die eigene Facebook-Seite hat sie am Dienstagnachmittag vom Netz genommen. Begründung: Personell sei es nicht möglich, alle Kommentare rund um die Uhr zu überprüfen –„im Hinblick darauf, dass manche User die Stadtverwaltung oder sich gegenseitig bedrohen und beleidigen oder Kommentare posten, deren Inhalte strafrechtlich verfolgbar wären“.

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Auf Anfrage wurden der Redaktion einige gesperrte Kommentare zur Verfügung gestellt, hier Beispiele: „Das ist an Empathielosigkeit nicht zu überbieten. Da wünscht man sich doch fast das die mal Opfer werden.“ „Masseneinwanderung heißt auch Messereinwanderung !!!“ Oder: „Politik wird von Schwulen gemacht, die keine Verantwortung tragen müssen“.

Facebook diene der Stadt als Medium, um Informationen und Termine zu verbreiten, nicht als Diskussionsplattform, so eine Stadt-Sprecherin: „Wir unterstützen ausdrücklich keine Hetze, Beleidigung, Bedrohung und strafrechtlich relevanten Äußerungen.“ Neben dem personellen Problem, dies sicherzustellen, gebe es zurzeit keine Möglichkeit, die Kommentarfunktion  zu deaktivieren: „Sobald es eine Lösung gibt, die mit unseren personellen Ressourcen vertretbar ist, werden wir prüfen, ob der Facebookauftritt wieder aktiviert werden kann.“

Umstritten in der Netzgemeinde

Facebook offline? Das ist in der Netzgemeinde umstritten. Der Administrator und Moderator des lokalen Facebook-Netzwerks hey30938, Behcet Cengil, schrieb: „Das war schon harter Tobak auf der Facebook Seite der Stadt Burgwedel. Daher finde ich die Konsequenz durch die Stadtverwaltung absolut richtig und hoffe, dass auch rechtlich gegen einige der Kommentatoren vorgegangen wird.“  Cengil hatte unter anderem beobachtet, dass „einige Like-hungrige User sogar das Facebook-Profil des Opfers verlinkt und den Namen ihres Arbeitgebers veröffentlicht“ hätten. „Hier werden ganz klar Grenzen überschritten, auch mit Blick auf den Schutz des Opfers!“

Insgesamt überwiegt aber die Kritik daran, dass die Stadt offline gegangen ist.  Ein  ironischer Facebook-Kommentar: Wenn das so weitergehe, werde es das kleine Burgwedel binnen dreier Tage geschafft haben, was Weltmächte vergebens versucht hätten: dass Facebook komplett ausgeschaltet wird. Eine ernst gemeinte Stimme urteilt: „Abschalten war eine schlechte Entscheidung. Wer hier aktiv ist, sollte lieber moderieren und einzeln löschen.“

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CDU und SPD zur Messerattacke

Sowohl Burgwedels Christ- wie auch die Sozialdemokraten haben sich zu der Messerattacke zu Wort gemeldet. Wir veröffentlichen beide Erklärungen in voller Länge.

Die Mitteilung von CDU-Stadtverband und -Fraktion: 

„Die CDU Burgwedel ist bestürzt über die Messerstecherei am Wochenende in Großburgwedel. Die CDU äußert ihr tiefes Mitgefühl für das junge Opfer und ihre Familie, so der CDU-Vorsitzende Rainer Fredermann und CDU-Fraktionsvorsitzender Sebastian Müller unisono. Nachdem immer mehr Details bekannt werden, ist sich die CDU einig in der Beurteilung, dass es nun zuerst darauf ankomme, dass alles Menschenmögliche für die junge Frau getan wird, damit sie gesund wird. Und wenn sie durchkommt, was wir alle hoffen, dann müssen wir uns als Gesellschaft zuerst darum kümmern, dass sie wieder normal und in Frieden in Burgwedel leben und arbeiten kann.

„Wenn es stimmt, dass die junge Frau den 13- und 14 jährigen Kindern Benehmen ans Herz gelegt hat, so hat sie unser aller Respekt und Hochachtung verdient. So stellen wir uns als Bürger friedliches Zusammenleben vor“, setzt die CDU fort. Dass Erwachsene auch auf fremde Kinder achtgeben. 

Die CDU missbilligt die Versuche, diese schreckliche Tat mit der Frage von Familiennachzug oder Integrationsarbeit zu verknüpfen. Kein Zivilist darf in Deutschland mit Waffen aus dem Haus gehen und so tun, als wäre das normal. Da spielt die Herkunft gar keine Rolle. Und wer sich nicht daran hält und dann eine Waffe gegen Mitmenschen richtet, handelt entgegen unserer Grundüberzeugung in Deutschland. Unabhängig von religiösen Anschauungen oder kultureller Herkunft gilt in Deutschland ein einheitliches Recht. Wer das nicht respektiert, muss sich ernsthaft fragen lassen, warum er sich hier überhaupt wohlfühlt. In jedem Fall muss es eine angemessene Konsequenz für derartiges Fehlverhalten geben. 

Äußerungen der Integrationsbeauftragten des Landes Niedersachsen, Frau Doris Schröder-Köpf (SPD), die als Folge einen erhöhten Familiennachzug von angeblichen Flüchtlingen fordert, sehen die örtlichen CDU-Verantwortlichen als missglückten Versuch, aus dieser menschlichen Tragödie politisches Kapital schlagen zu wollen. „Der jugendliche Täter ist seit 5 Jahren mit seiner Familie hier ansässig – da sollte Frau Schröder- Kopf erst einmal die Fakten kennen lernen, bevor sie sich äußert.“ 

Burgwedel ist zu Recht stolz auf seine Wurzeln und die kulturelle Vielfalt. Und wer hier lebt, arbeitet oder in Vereinen mitmacht, soll dies weiterhin in Sicherheit können. Die CDU wird sich weiter dafür stark engagieren, dass neben Sicherheit und Ordnung auch ein angenehmes Miteinander in den Vereinen und Verbänden dieser Stadt gelebt wird. Jeder, der sich in unsere Gesellschaft integrieren lassen will, findet ausreichend Gelegenheit bei Feuerwehren, Hilfsdiensten, Sportvereinen und anderen Vereinen und Verbänden. Angebote gibt es in Burgwedel unendlich viele, so die CDU. 

Für den jugendlichen Täter wünscht sich die CDU, dass er sein Schweigen bricht, damit die Tat restlos aufgeklärt werden kann, er aber vor allem damit auch selbst klarkommen muss. Auch seine Eltern und Geschwister müssen jetzt verstärkt Einfluss nehmen, damit er wieder auf die richtige Bahn gelangt.

Die SPD Burgwedel meldete sich mit dieser Mitteilung zu Wort:

Am Samstagabend hat sich in Großburgwedel eine brutale Gewalttat ereignet. Noch sind die genauen Umstände ungeklärt, aber sicher ist, dass ein 17-jähriger Jugendlicher eine 24-jährige Frau mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hat. ... „Wir bangen mit den Angehörigen um das Leben der jungen Frau, hoffen und wünschen, dass sie wieder gesund wird“, so Andreas Strauch, Vorsitzender der Burgwedeler Sozialdemokraten.

Der Angreifer ist gefasst und wird sich für die Tat verantworten müssen. Dass Jugendliche mit einem Messer herumlaufen und diese gegen andere Menschen einsetzen, darf auf keinen Fall akzeptiert werden. Natürlich wird mit allen rechtsstaatlichen Mitteln darauf reagiert werden und der Täter die entsprechende Strafe erhalten.

Dass der Täter syrischer Flüchtling ist, wird jetzt von ausländerfeindlichen Kräften weit über Burgwedel hinaus zum Anlass genommen, Angst und Hass zu schüren. Die Tat ist ein Angriff eines Menschen und dieser Mensch muss zur Verantwortung gezogen werden. Er hat nicht stellvertretend für Flüchtlinge, auch nicht für syrische Flüchtlinge gehandelt. Rassismus ist dadurch geprägt, dass Menschen nicht nach ihrer Persönlichkeit, sondern nach Herkunft oder Religion beurteilt und in eine Schublade gesteckt werden. Wer diese Tat jetzt politisch instrumentalisiert anstatt Aufklärung zu betreiben, ist verantwortlich dafür, dass ein Klima der Angst entsteht.

 Anstatt aufeinander zuzugehen, wird Misstrauen gesät. „Wir müssen dazu beitragen, dass Menschen, die vor Krieg und Gewalt zu uns geflohen sind, weiter auf die Straße gehen können, ohne das Gefühl zu haben, misstrauisch beäugt zu werden“, so Strauch. „Und wir müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass junge Frauen sich in Großburgwedel weiter sicher fühlen können.“ Regeln und Gesetze gelten für alle, egal welcher Herkunft. 

Vermutlich können Lebensumstände in Ländern, in denen Krieg und Gewalt herrschen, oder demokratische Regeln nicht so gelebt werden wie – mittlerweile – in Deutschland, zu dieser Aggressivität beitragen. Dennoch wollen die meisten Flüchtlinge ebenso wie die meisten Menschen, die schon immer oder seit langem in Deutschland leben, friedlich miteinander leben. Es ist Aufgabe aller demokratischen Kräfte, dies zu befördern und jegliche Form der Ausgrenzung und des Rassismus zu bekämpfen. Daher müssen wir uns geschlossen gegen Versuche stellen, Aggressionen zu schüren und Kapital aus der Angst der Menschen vor Unsicherheit und Gewalt zu schlagen. 

Von Martin Lauber

HAZ

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